Mit Steve esse ich Viktoria-Barsch am Ufer des Viktoria-Sees
Am Samstag fragt mich Steve, ob wir nicht abends zum Viktoriasee laufen wollen, zum Fischessen. Klar, wenn ich schonmal hier bin, will ich natuerlich auch den beruehmten Viktoriabarsch essen. Wir laufen die ca. 5 km zum Strand vorbei an Maerkten, Parks und ehemaligen Ministerien, die waehrend des Buergerkrieges in den 80er Jahren zerstoert und nun mit Mitteln der Kreditanstalt fuer Wiederaufbau aus Deutschland wieder erneuert werden. Ueberall ein sattes Gruen des Rasens und der Baeume, trotz der Hitze sieht man hier nirgendwo verdoerrtes Gras. Jetzt verstehe ich, was Churchill meinte, als er von Uganda als der Perle Afrikas sprach. Hier ist solch ein fruchtbarer Boden, es waechst einfach alles. Am Seeufer suchen wir uns an einer Bude zwei grosse, numerierte Fische aus, die wahrscheinlich nur ein paar Stunden vorher von den Fischern dort abgegeben worden sind. Dann setzen wir uns ans Ufer und warten darauf, dass sie uns gegrillt werden. Als sie kommen, fuehrt mich Steve zu einem Handwaschbecken. Na gut, von mir aus, ich ahne noch nicht was kommt und wasche mir die Haende. Zurueck am Tisch suche ich nach dem Besteck, vergebens. Das Essen wird mit den Haenden gegessen, bei den Graeten eine Horrorvorstellung fuer mich. Aber es geht ganz einfach: Der Fisch ist seitlich eingeritzt, so dass man mundgerechte Stuecke leicht von der Hauptgraete abziehen kann. Nach der Haelfte dreht man den Fisch um und macht das gleiche mit der anderen Haelfte. Ich habe noch nie so leckeren und frischen Grillfisch gegessen. Dazu mein erstes Bier hier in Uganda, Pilsener von der Nil-Brauerei aus Jinja, wo der weisse Nil aus dem Viktoriasee entspringt.
Wieder zuhause angelangt bekomme ich um 23:00 eine SMS von Paul. Morgen um 12:00 mittags bin ich zu einer Introduction Ceremony, einer ugandischen V erlobungsfeier eingeladen, Details bekaeme ich morgen. Witzig, denke ich und erinnere mich an die ecudorianische Spontaneitaet. Noch 12 Stunden bis zur Verlobung, meine einzigen feinen Schuhe sind gerade beim Schuster, ich habe keinen Anzug, kein festliches Hemd, keine Krawatte, nichts. Man koennte denken, das sei in Afrika nicht so wichtig, aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht durch die britische Vergangenheit gibt es hier so viele Anzugs- und Seidenschlipstraeger, dass ich mir regelmaessig, z.B. auf der Arbeit, underdressed vorkomme. Im Gegensatz zu Ecuador hatte ich diesmal nur 20kg Freigepaeck im Flugzeug und konnte daher natuerlich keinen Anzug mitnehmen. Ich will schon absagen, aber am naechsten Morgen gibt mir Steve doch noch Mut, geht mit mir meine Kleidung durch, leiht mir eine Krawatte und gegen 11 Uhr mache ich mich mit Wanderschuhen, meiner Kamera und einem Buch zum Lesen auf zum Treffpunkt, 12:00 am National-Theater in Kampala.
Um 12 Uhr ist natuerlich noch keiner da, also setze ich mich in den Schatten und lese das Buch. Eine halbe Stunde spaeter mustert mich eine Frau und fragt, ob ich zur Introduction von Steve gehoere. Ich sage erst einmal ja, wobei mir Paul den Namen des Braeutigams gar nicht gesagt hatte. Bei der Gruppe kenne ich keinen, stelle mich als einen Freund von Paul vor und werde daraufhin zu einer anderen Ecke des Parks vor dem Nationaltheater geschickt. Pauls Introduction sei da drueben, es gebe hier zwei unterschiedliche Gruppen. Aha, bei der anderen Gruppe kenne ich auch keinen, Paul ist noch nicht da. Die Gruppe bricht aber nun auf, winkt mich in ein Auto, mit dem ich mitfahren soll. Bevor ich einsteige, versuche ich doch noch einmal, Paul auf dem Handy zu erreichen und nach dem Namen des Braeutigams zu fragen. Da biegt Paul schon um die Ecke, ich erzaehle ihm die Geschichte, er lacht (Paul lacht gerne) und sagt, Steves Gruppe, also die erste, sei die richtige. Dann kommen Pauls Frau Jennifer und die islaendische Voluntaerin Iðunn Ása, die bei Paul wohnt und auch im AMI arbeitet, beide in schoenen Kleidern. Alle Maenner in noblen schwarzen Anzuegen, das Underdressed-Gefuehl kommt bei mir wieder kurz hoch, aber egal, die Neugierde auf das was jetzt passieren wird, siegt. Aber es passiert erstmal nix. Wir warten, Paul kauft Popkorn, Muffins und Wasser, irgendwann kommt der Braeutigam und gegen halb vier koennen wir endlich aufbrechen. In einer Autokolonne, vorneweg ein Pickup beladen voller Geschenke (ein Koffer, ein Schaukelstuhl, Cola-Kisten, Seifen-, Mehl- und H-Milch-Paletten, ein Reissack und viele schoen verpackte Bastkoerbe).
Die Frauen des Braeutigam-Klans mit den Geschenken, als Zweite von links Iðunn Ása aus Island
Eine halbe Stunde spaeter kommen wir auf dem Hof der Braut an, ein Vorort im Norden von Kampala. Dort sind wie Tribuenen drei Zeltdaecher aufgebaut, unter denen auf Plastikstuehlen der Klan der Braut, gegenueber der Klan des Braeutigams und an der Mittelseite die Gaeste sitzen. Wir gehoeren zum Klan des Braeutigams. Wir ziehen als letzte traditionell in unseren Bereich ein, es gibt ein paar Reden, jede Klanseite hat dafuer einen professionellen Redner, die beiden fuehren mit Mikrofonen wie eingespielte Showmaster durchs Programm. Zwischendurch treten Tanzgruppen auf, die Naturrasseln an ihren Schienbeinen befestigt haben, und wir trinken ein braunes Hirsegebraeu. Dann zieht der Klan des Braeutigams wieder aus seinem Bereich aus, um kurze Zeit spaeter mit den Geschenken zurueckzukehren, die in der Mitte aufgebaut werden. Ich schleppe eine Palette mit Bull-Seife an. Es folgt ein Ritual, bei dem die Braut mit Brautjungfern ebenfalls einziehen und sich neben die Geschenke auf Matten knien/setzen. Die Geschenke werden ins Haus getragen, die Gegenseite bringt nun ihre Geschenke, darunter auch ein grosser Koffer und eine Matratze. Es sind aber auch Geschenke fuer Familienmitglieder dabei, die nun an die Eltern und Geschwister des Brautpaares verteilt werden, es ist wie Bescherung, nur dass keiner die Geschenke oeffnet.
Carolyn, die Braut
Langsam bekomme ich Hunger. Es wird dunkel, 19:00, aber die Redner und Taenzer lassen sich davon nicht beeindrucken. Ausser dem Popkorn mittags habe ich seit morgens nichts gegessen. Ich schiele hinter die Zelte, wo langsam das Buffet aufgebaut wird. Das kann noch daeuern... Inzwischen kann man schon kaum noch mehr was sehen, nur fuer die Videokamera hat jemand einen Handscheinwerfer, der einen ab und zu unangenehm blendet. Um 20:30 endlich die Erloesung. Der Conferencier meines Klans beugt sich zu mir hinueber und erklaert mir fluesternd, dass das Essen nun losgehe, Asa und ich aber zu dem erlauchten Kreis von 10 Personen gehoeren, die im Haus mit dem Brauetigam zusammen essen duerfen. Ein kurzer Gedanke geht wieder an das Underdressed-Thema verloren, aber in diesem Fall siegt einfach und schnell der Hunger.
Iðunn Ása und ich mit dem Braeutigam Steve
Im Haus flezen wir uns auf ein Sofa, uns gegenueber der Braeutigam eingerahmt von zwei seiner Brueder. Jetzt gibt es traditionelles Essen, lacht er zu uns hinueber. Kurze Zeit spaeter sind wir von einem Heer von Brautjungfern umringt, die vor uns niederkniend die Speisen servieren, uns Schuesseln mit warmen Wasser (und das gibt es in Uganda nicht aus der Leitung!) ueber die Haende giessen, uns die in Bananenblaetter eingewickelten Speisen oeffnen und uns auch sonst fluesternd jeden Wunsch von den Lippen ablesen ("noch mehr Fleisch?", "was fuer ein Getraenk darf es sein?" usw.). Natuerlich auch hier kein Besteck, deshalb das Waschritual. Schliesslich sind wir alle gut gesaettigt, bedanken uns bei den Gastgebern und machen uns ohne weitere grosse Verabschiedungsprozeduren auf den Nachhauseweg. Pauls Bruder faehrt uns nach Kampala zum Taxipark, wo wir in unsere Matatus umsteigen. Iðunn sorgt im Taxipark mit ihrem Kleid (dass ihr von der Gastmutter geliehen wurde) fuer einiges Aufsehen, zum ersten Mal an diesem Abend bin ich froh, dass ich doch keinen schwarzen Massanzug und goldene Manschettenknoepfe trage..
Wir essen im separaten Raum Fleisch von Bananenblaettern
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