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Samstag, 30. Mai 2009

Saigon

Tim im Mekong-Delta

Die letzte Station unserer Reise ist Saigon. Leider musste Mariano kurzfristig füher nach Mailand zurückkehren, so dass nur noch Matt und ich hierher gekommen sind. Saigon ist sehr verschieden vom Norden, moderner, kosmopolitischer, bunter. Hier leben z.B. auch Schwarze, die man in Nordvietnam nicht sieht. Die Straßen sind nicht so eng wie in Hanoi. Wir haben die zwei Tage aufgeteilt auf einen Tag Stadtbesichtigung (am beeindruckendsten war hier sicherlich das Kriegsrestemuseum und der ehemalige Präsidentenpalast von Südvietnam) und einen Tag Mekong-Delta. Hier ein paar Fotos:

Warum ich Vietnam so mag (eine Schulklasse will sich mit dem Riesen fotografieren lassen, danach nochmal mit jeder einzeln)

Matt und ich vor dem Kriegsrestemuseum

Weihrauchstäbchen in der japanischen Thien-Hau-Pagode

Ruhiger Verkehr in Saigon

Kleine Welt: im Wiedervereinigungspalast des ehemaligen südvietnamesischen Präsidenten treffe ich ein Mädchen aus Singapur, die gerade in Berlin und Cottbus war (siehe Mütze)

Motorroller in der Rush-hour

Liebe Grüße vom Flughafen Hanoi, wo in 30 Minuten mein Heimflug nach Bangkok startet!

Mittwoch, 27. Mai 2009

Mittelvietnam

Da wir ab jetzt hauptsächlich als Touristen unterwegs sind, hier ein paar Fotos aus Mittelvietnam ohne weitere Kommentare:

Lang-Co-Strand bei Da Nang
Vinh-Moc-Tunnel in der Entmilitarisierten Zone (DMZ)
Soldaten ehren die Gefallenen des Vietnamkrieges
Los Tres Amigos an der kaiserlichen Grabstätte in Hue

Mariano, ich und Matt springen an einem Wasserfall nahe Da Nang vom Felsen.

Alltag in Vietnam III

Zwei nón lá gesehen in Hoi An

Das Wort des Tages ist nón lá, das ist der typische vietnamesische Palmstrohhut. Interessanterweise heißt das vietnamesische Restaurant in der Grunewaldstraße bei mir um die Ecke in Berlin genau so, jetzt weiß ich was es bedeutet :-)

Vietnamesischer Kaffee, gebrüht über dem Glas

Kaffee

Alle waren wir uns einig, dass der vietnamesische Kaffee mindestens der zweitbeste Kaffee der Welt ist (nach Italien, die Einigung umfasst Mariano). Mit einem Alufilter wird er direkt über der Tasse oder dem Glas gebrüht, getrunken wird er mit einer sehr dicken und süßen Kondensmilch. Bestellt man in Vietnam einen einfachen Kaffee, dann bekommt man in nicht touristischen Regionen in der Regel ein Glas mit Kaffee und - Eiswürfeln! Also immer einen heißen Kaffee bestellen, wenn man das nicht will.

Blumenmarkt in Haiphong

Blumen

Ich war in Vietnam immer für die Blumen zuständig, wenn wir zum Essen bei unseren Kunden eingeladen waren. Hier kauft man in der Regel keinen Strauß wie wir ihn in Europa kennen, sondern ein Blumengesteck. Das ist entweder als Körbchen (leichter zu tragen und abzustellen) oder als Strauß (kann man nirgendwo ablegen außer in einer Vase) möglich. In beiden Fällen ist das Innere des Gesteckes ein meist grüner, halb Ziegelstein großer Styroporbatzen, der zuerst mit Wasser begossen wird und das wie ein Schwamm aufsaugt. Beim Körbchen wird der Ziegel einfach reingelegt und dann die Blumen dort einzeln reingesteckt. Beim Strauß wird der Klumpen auf einen künstlichen Stiel gesteckt (der mit bunten Papieren geschmückt ist), und dann darauf die Blumen gesteckt, nachdem sie entsprechend kurz abgeschnitten wurden. Beides sieht sehr elegant aus, allerdings halten diese Gestecke wahrscheinlich nicht so lange wie Sträuße bei uns, da man das Styropor schwer mit Wasser nachbefüllen kann. Die Hotelangestellten waren immer begeistert, wenn ich mit den Sträußen vom Markt ins Hotel kam. Sie hielten mich für einen großen Kavalier. Also habe ich allen Angestellten am letzten Tag rote Rosen mitgebracht, um das Bild zu bestätigen...

Vietnamesen fahren lieber Motorroller als Auto...

Autokrank

Ich weiß noch nicht das beste deutsche Wort dafür, aber viele Vietnamesen sind autokrank (auf Englisch "car sick", auf Vietnamesisch "say xe"). Da sie von Kind auf an zwar Motorroller fahren, aber kaum Auto, wird ihnen beim Autofahren schlichtweg schlecht. Manche haben deshalb fast panische Angst vorm Autofahren, wie z.B. mindestens drei unserer sieben Übersetzer. Sie reisen nur mit dem Motorroller und meiden Bus- oder Taxifahrten. In einem Kleinbus auf der Cat-Ba-Insel haben wir Erbrochenes vorgefunden, gestern haben wir vor einem Wasserfall einen Schulbus gesehen, bei dem sich ein Mädchen aus dem Fenster heraus erleichtert hat. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass Vietnamesen in der Regel nicht so lange Reisen unternehmen, die meisten Nordvietnamesen waren z.B. noch nie in Saigon.

Besucher und Mönche ziehen die Schuhe aus

Schuhe

Wird man in Vietnam zu jemandem nach Hause eingeladen, so zieht man vor der Tür die Schuhe aus. Das gleiche gilt übrigens, wenn man eine Pagode oder einen Tempel besucht. Die meisten Vietnamesen tragen Sandalen oder Schlappen, privat oder zur Arbeit, manchmal sogar abends zum Ausgehen...

Montag, 25. Mai 2009

Abschied aus Haiphong

Mein letzter Arbeitstag bei Van Long

In der letzten Woche haben sich die Ereignisse so überschlagen, dass ich erst jetzt zum Berichten komme. Der Beginn der Woche war von unseren Abschlusspräsentationen und -dokumentationen geprägt, die wir alle für unsere Kunden vorbereitet haben. Meinem Kunden habe ich das dann am Mittwoch nachmittag präsentiert, es war ein Vortrag mit Vorschlägen für Aktionen und einer Erläuterung der gesammelten Dokumentationen. Mein Kunde war sehr zufrieden und hat bedauert, dass die Zeit schon um ist, da viele Themen nur angerissen werden konnten. Auch die anderen Kunden in diesem Programm hätten uns gerne verlängert...

Abschiedsdinner mit allen

Am Donnerstag haben wir dann abends nochmal alle Kunden, Dolmetscher, die Industrie- und Handelskammer und die australische Freiwilligenorganisation zum Essen und natürlich anschließend zum letzten Mal Karaoke eingeladen:

Meine Kunden Frau Ly und Herr Hien beim Karaoke

Am Freitag früh haben uns alle Dolmetscher im Hotel verabschiedet, bevor der Bus uns zum Transfer nach Hanoi abgeholt hat. Von den vielen Abschiedsfotos hier ein Gruppenbild mit Damen:

Die Dolmetscherinnen Huyen, Dung und Anh (hinten von links nach rechts) und deren Freundinnen Nhung und Nhung (vorne)

Damit ist die Mission erfüllt, von Hanoi aus brachen ein Teil ihre Heimflüge an, Shauna reist noch eine Woche durch China, während Mariano, Matt und ich eine Woche durch Vietnam ziehen. Unsere erste Station ist dabei die kaiserliche Stadt Hue nahe der ehemaligen Grenze (entmilitarisierten Zone) zwischen Nord- und Südvietnam.

Sonntag, 17. Mai 2009

Bilder vom Wochenende


Samstag, Ausflug nach Ninh Binh: 1. und 2. Tam Coc, die "Ha-Long-Bucht in den Reisfeldern", 3. Kathedrale Phat Diem (sino-katholisch)

Sonntag, Mittagessen bei Shaunas Direktorin (vorher Monopoly mit elektronischen Kreditkarten), nachmittags Besuch eines SOS-Kinderdorfes mit Gesichtsmalereien, Huyen malt gerade an

Die Worte des Tages sind die Zahlen von null bis zehn:
không, một, hai, ba, bốn, năm, sáu, bảy, tám, chín, mười

Land der Überraschungen

Vietnam steckt voller Überraschungen, die das Leben und die Arbeit hier manchmal schwierig, oft aber auch einfach nur spannend machen. Hier ein paar Beispiele:

Arbeit

Am Donnerstag gesteht mir mein Produktionsdirektor und Betreuer hier, dass er seit dem 1. Mai gar nicht mehr der Firma angehört, sondern jetzt als Consultant für ERP-Systeme sein Geld verdient. Nun ist verständlich, dass die Beratung in dieser Firma einen total fordert, sie wurde schon die letzten zwei Jahre von ihm als Berater auf Vordermann gebracht und wendet jetzt die erfolgreichsten Methoden an! Nichtsdestotrotz ist es für beide Seiten eine Bereicherung und es ist spannend mit was für Problemen die Firmen hier generell kämpfen. Z.B. ist die vietnamesische Währung anscheinend nur in gewissen Grenzen von den Banken in US-Dollar konvertierbar. Wenn Fabriken nun bei ihren Rohstoffen auf ausländische Produkte angewiesen sind, tauschen die Banken die Beträge manchmal nicht. Und wenn sie sie tauschen, sorgt die Inflation für schwankende Wechselraten und damit unkalkulierbare Preise. Das habe ich schon von mehreren Firmen hier gehört. IBM Vietnam konnte uns hier helfen mit einer Markteinschätzung der Inflation für Vietnam, und wir arbeiten nun daran, den Preis in Abhängigkeit von der Wechselrate in den Verträgen festzuschreiben.

Die Fabrik meines Kunden liegt in Sichtweite des Hotels, das minzgrüne Gebäude in der Mitte hinter dem Golf-Übungskäfig.

Industrie- und Handelskammer

Alle unsere Kunden werden hier vom VCCI (Vietnamese Chamber of Commerce und Industry, also Industrie- und Handelskammer) betreut. Am Dienstag vormittag bekommen wir alle eine Einladung zum Essen für den gleichen Abend zu einer vom VCCI ausgerichteten Veranstaltung (erfrischende Spontaneität). Vor Ort entpuppt sich die Veranstaltung als große Feier im Rahmen des Wiedersehens eines Managementlehrgangs von 2006/2007, den viele unserer Direktoren besucht haben. Nach mehreren Reden werden auf der Bühne vietnamesische Heimatlieder gesungen. Meine Übersetzerin erzählt mir, dass sie meist von der Heimatstadt handeln, durch die ein großer Fluß fließt, oder von dem Heimatdorf, das Ho Chi Minh einmal besucht hat, und natürlich von der Liebe. Hier gleich die Vietnamesisch-Lektion von heute:

Anh yêu em (sprich ang jo em): Ich liebe dich (Mann zur Frau)
Em yêu anh: Ich liebe dich (Frau zum Mann), andere Kombinationen sind hier nicht vorgesehen :-)

Es gibt Rotwein zum Essen (was hier sehr selten ist und von der Güte der Veranstaltung zeugt), und zum Essen kommt man kaum. Denn es kommen immer wieder Gäste an unseren Tisch und stoßen mit uns an (dzo!), dabei müssen wir natürlich alle aufstehen. Kaum sitzt man dann wieder, kommt schon der Nächste. Schließlich werde ich (wahrscheinlich als körperlich größter) Vertreter der Volontäre vom VCCI-Vertreter mitgenommen und nochmal jedem anderen Tisch einzeln vorgestellt. Der Trick dabei ist, nur so zu tun, als ob man den Wein nach dem Anstoßen trinkt. Aber nur durch das Nippen wird es schon ein feuchtfröhlicher Abend.

Der Sohn vom VCCI-Direktor (Karaoke singend) erzählt mir hier beim nächsten VCCI-Essen, dass ihm meine Tanzeinlage gefallen hat

Die nächsten beiden Überraschungen an diesem Abend: Nach dem Essen gibt es zu den Heimatliedern eine Tänzerin, die mich auf die Bühne bittet. Natürlich kann ich mich nicht dagegen wehren, und so mache ich ihr einfach alle Schritte nach und tanze in einem schier endlosen Lied eine Art Salsa mit ihr. Dem Publikum gefällt's.

Nach der Veranstaltung wird uns der Wagen eines (einfluss-)reichen Geschäftsmannes zur Verfügung gestellt. Als wir nicht in Richtung Hotel abiegen, ahne ich, dass der Abend noch nicht zu Ende ist. Wir lassen uns alle treiben durch den Nacht-Verkehr von Haiphong (für einen Dienstag Abend ist viel los, ich glaube, die Clubs sind hier täglich geöffnet und auch voll) und landen schließlich - natürlich in einer Karaoke-Bar! Eine Geschäftsfrau ist dabei ganz von Jean-Michel begeistert, lädt uns alle für den übernächsten Abend zu sich nach Hause ein, die Party und die Überraschungen gehen weiter...

Sukanyas Geburtstag

Am Freitag abend sind wir bei der Dolmetscherin Huyen zu Hause zum Essen eingeladen. Huyen lebt untypisch alleine in dem Haus ihrer Eltern, die beide getrennt in Deutschland leben. Das Haus besteht aus fünf Zimmern, vorne 3 Geschossen, hinten zwei Geschossen, jedes Geschoss besteht aus nur einem Raum und die hinteren Etagen sind zu den vorderen versetzt. Eine eigentümlich verwinkelte Architektur, die uns alle begeistert. Es gibt Hot Pot, wir essen wegen der großen Gruppe auf dem Boden. Hot Pot ist eine kochende Suppe/Brühe, ähnlich Fondue, in der alle möglichen Zutaten (Fleisch, Meeeresfrüchte, Fisch, Gemüse) kurz gekocht und dann wieder zum Essen herausgeholt werden, sehr lecker! Zum Ende des Dinners gibt es Kuchen, den Sukanya mitgebracht hat. Sie hat schnell gelernt in Vietnam und verkündet uns nun ihre Überraschung: es ist heute ihr Geburtstag!

Essen bei Huyen: Hot Pot

Montag, 11. Mai 2009

Karaoke, Kobra, Kicken

Karaoke: Shauna, Tim und Ida

Das Wochenende war voller neuer Eindrücke. Angefangen hat es am Freitag abend mit

Karaoke

Vietnamesen lieben Karaoke. Von Idas Dolmetscherin Huyen vorbildlich organisiert betreten wir ein mehrstöckiges Haus mit vielen Zimmern, jedes Separé ist mit einer Karaoke-Anlage ausgestattet und einem Bediener. Der sucht einem dann aus tausenden vietnamesischen und englischen Liedern das gewünschte heraus und los geht's! Die Anlage gibt alles, um die Stimmen mit Hall usw. zu verschönern, bei unseren nicht Karaoke-trainierten Stimmen hilft das aber nicht viel. Unsere Dolmetscher (Huyen, Hoa und Hung) glänzen dagegen, und so wird es ein gelungener Abend mit viel Spaß und anschließender Heiserkeit (trotz der vielen servierten Früchte zwischendurch).

Kobra

Im Schlangenrestaurant: Jean-Michel, Tim, Mariano, Florian, Matt und Ida

Unser Teammitglied Jean-Michel ist so etwas wie ein James Bond der IBM. Gearbeitet hat er schon in 35 verschiedenen Ländern und seine Schilderungen stehen oft den Geschichten von 007 in nichts nach. Er kennt Politiker und Wirtschaftsgrößen in allen Ländern. Dieses Wochenende hat er seinen 24-jährigen Sohn Florian nach Vietnam eingeladen, um ihm in vier Tagen einige Highlights zu zeigen. Am Samstag haben wir uns ihm angeschlossen, sind nach Hanoi gefahren, haben uns ein Dorf in der Nähe angeschaut, um schließlich zum Höhepunkt des Tages in einem Schlangenrestaurant in Le Mat eine Kobra zu verspeisen. Eigentlich wollte ich nicht mitfahren, das Video auf YouTube und ein Bericht in einem Vietnam-Buch hatten mir gereicht. Aber schließlich hatte uns Mariano dann doch davon überzeugt, wir sollten es nicht für uns tun, sondern für unsere Freunde. Wir wären dann sicherlich zu Hause die Helden und er rechne vielleicht sogar mit einer Beförderung. Ok, diese Gelegenheit hat man ja sicher nicht so oft.

Das Kobra-Menu (von links nach rechts): Fleisch, Blut-Wodka, Lebersaft-Wodka, Teigrollen, fritierte Haut

Vor dem Essen sucht ein Junge einem eine lebende Kobra aus einem Sack heraus und präsentiert sie einem. Wenn man sich auf einen Preis geeinigt hat (die erste Kobra sollte 300$ kosten, wir haben uns dann auf die kleine Variante für 150$ geeinigt, da wir nicht mit großem Appetit gerechnet hatten...), geht es los. Wer sich für die tierquälerischen Details interessiert und nicht leicht Albträume bekommt, kann sich meinen Videomitschnitt anschauen.


Letztendlich bekommt man das Blut, das (noch schlagende) Herz und die Leber präsentiert, letztere wird ausgedrückt und mit Wodka serviert, ebenso das Blut. Nun kommt die Initiation, für die sich Mariano bereit gestellt hat (er will ja auch befördert werden...). Während wir nur den Blut-Wodka trinken (soll u.a. gut für die Männlichkeit sein), enthält sein Wodka zusätzlich das schlagende Herz. Alle von uns (außer Ida, da sie generell keinen Alkohol trinkt) stürzen ihr Glas herunter, keiner muss sich übergeben (der Wodka war nicht schlimm, aber der Gedanke an Marianos Herz brachte mich kurz davor). Komisch, was nur zwei Wochen Vietnam aus uns schon gemacht haben! Das Essen an sich war dann ganz lecker, das Fleisch war etwas fest (fast wie Tintenfisch) und gut gewürzt. Die kross frittierte Haut ist ein leckerer Snack.

Heute, zwei Tage später, bekomme ich bei meinem Kunden zum Mittag etwas serviert, das wie dicke Schweinehaut aussieht. Ich frage nach, da ich jetzt schon weiß, dass ich es nicht herunter kriegen werde. Es sind Schweineohren, ich lehne dankend ab. Dung isst sie mit Genuss, und als ich das meiner Lebensgefährtin Silvia zu Hause erzähle, erfahre ich, dass es auch in Ecuador gerne gegessen wird (mit Erdnusssauce). Ich glaube, Essen ist reine Psychologie...

Kicken

Zur Erholung sind wir dann am Sonntag früh zum Strand Do Son gefahren, wieder bestens von Huyen organisiert. Dort waren wir schwimmen (nur die Ausländer Mariano, Matt und ich). Die etwa 10 Vietnamesen (Freunde von Huyen) waren glaube ich nur dabei, um die hier doch recht seltenen Ausländer zu erleben. Vietnamesen ziehen sich zum Strand keine Badesachen wie wir Europäer und Amerikaner (haben auch die wenigsten, und viele können oder wollen nicht schwimmen). Vielmehr gehen sie teils in schicken Jeans und Samstag-abend-T-Shirts zum Strand, setzen sich dann gleich unter einen Gruppen-Sonnenschirm (Bräune ist hässlich) und spielen anschließend in der Samstag-abend-Kleidung gegen die Gäste Strandfußball.

Kicken

Hier noch ein Minifilm dazu, gedreht mit unserer Teamkamera, die wir am Vortag von der IBM in Hanoi abgeholt hatten:

Ich habe schon letztes Mal das Wort des Tages vergessen, deshalb heute zwei als Nachtrag:
  1. Tim heißt Herz (kam während der vietnamesischen Karaoke-Lieder ständig vor)
  2. Con rắn ist die Schlange.

Mittwoch, 6. Mai 2009

Alltag in Vietnam II

Staubmasken und Schönheit

Staubmasken

Staubmasken sind in Vietnam sehr verbreitet. Nicht nur bei den Reinigungsfrauen, auch im Verkehr oder selbst bei Fußgängern sind sie oft zu sehen. Sie schützen gegen Luftverschmutzung, Dreck und vor allem (bei den Frauen, siehe hinten das Gesichtstuch) gegen Sonne. In Vietnam ist das Schönheitsideal nämlich keine "natürliche Bräune" wie bei uns heute, sondern vornehme Blässe (wie bei uns noch vor 50 Jahren). Dung trägt deshalb zum Mopedfahren oft auch bis fast zur Schulter reichende Handschuhe.

Arbeiten mit Dolmetscher

Wir laden unsere Dolmetscher zum Essen ein (und meine Tischnachbarin gesteht mir, dass sie noch nie einen so großen Mann gesehen hat)

Die Arbeit beim Kunden mit unseren Dolmetschern ist oft eine Herausforderung. Entweder fehlt mir das Wort auf Englisch oder manchmal auch meiner Dolmetscherin Dung, noch größer aber ist die Schwierigkeit, dass Dung die ihr oft fachfremden Diskussionen inhaltlich verstehen muss, um sie richtig zu übersetzen. Heute haben wir z.B. mit dem Kunden über Six Sigma, bzw. die von der IBM angewandte Methode Lean Sigma gesprochen, eine Methode zur Verbesserung von Qualitätsstandards. Dabei rauchte uns ganz schön der Kopf, da ich ihr erstmal einen Schnellkurs in Statistik geben musste (wo ich selber nicht ganz firm bin). Dafür hat sie sich aber sehr gut geschlagen, und wir haben schnell gemerkt, dass wir den Statistikteil dem Kunden gar nicht erklären müssen, das kannte er alles. Manchmal merke ich, dass meine Dolmetscherin selber das Projekt in die Hand nimmt. So muss ich mich neuen Ansprechpartnern nicht mehr vorstellen, das macht sie alles automatisch. Ich wundere mich dann nur, dass lange Zeit auf vietnamesisch geredet wird ohne dass eine Übersetzung erfolgt. Oder sie regelt selbständig mit dem Kunden, von welchen Themen ich Ahnung habe, und über welche Themen es gar keinen Sinn macht, mit mir zu sprechen... Insgesamt sind wir aber alle sehr mit unseren Dolmetschern zufrieden, Hut ab! Darum haben wir auch alle Dolmetscher gestern zum Abendessen eingeladen, was uns allen sehr viel Spaß gemacht hat.

Essen

Shrimps bestellt, Riesentiere erhalten...

Son aus dem Schachklub hat mir noch in Berlin gesagt, Vietnamesen essen alles, was sich bewegt. So gleichen manche Restaurants hier einem Zoo, oder besser einem Aquarium, in dem man sich den Fisch aussuchen kann, den man gleich isst. Neulich waren wir in einem Restaurant, das zwei Krokodile gehalten hat, die auch auf der Speisekarte standen. Sonstige Auswahl ist: Tauben, Frösche, Schnecken, Schlange (am Samstag fahren wir in ein Kobra-Restaurant bei Hanoi, mal sehen, ob ich was herunterkriege...), Hund (in besonderen Restaurants, ist angeblich sehr teuer). Am Sonntag waren wir in Haiphong auf einem Tiermarkt, es wurde alles verkauft, und ich glaube nicht als Haustiere... Ansonsten leben wir hier sehr gesund, essen praktisch kein Fleisch, nur Meeresfrüchte und machen jeden Morgen um 06:00 Sport (Joggen).

Arbeiten in einer Fabrik

Auch hier die typische Sitzhocke

Wie beschrieben kann ich meinem Kunden bei seiner Arbeitsweise kaum helfen, er kennt alle möglichen Methoden und wendet diese auch teilweise an. Meine Ansatzpunkte sind seine IT: es existiert kein Sicherungskonzept, alle Prozesse basieren auf Excel-Dateien auf Einzel-PCs, die im Defektfall verloren sind. Und er interessiert sich für ERP-Systeme (z.B. SAP), will allerdings nicht viel investieren. Da kam heute eine Kundenveranstaltung der IBM Vietnam ganz recht, die auch zufällig in unserem Hotel durchgeführt wurde. Einer der anonsten recht langweiligen Vorträge (für mich, da auf vietnamesisch, aber zumindest mit englischen Folien; für die mittelständischen Kunden, die die Folien nicht lesen konnten und für die die angebotenen Lösungen zum größten Teil überdimensioniert waren) beschäftigte sich mit SAP und sprach genau das an, worüber mein Kunde gerade nachdenkt. Auf jeden Fall trifft wieder das zu, was ich auch in Ecuador und Uganda erlebt habe: Es findet kein einseitiger Skilltransfer von mir zum Kunden statt, sondern es ist ein gegenseitiges Lernen in beide Richtungen, was die ganze Sache sehr interessant und spannend macht!

Freitag, 1. Mai 2009

Alltag in Vietnam I

Zu unserem Ausflug in die Ha-Long-Bucht hier ein selbsterklärendes Video:


Wir sind mit mehreren Booten herumgefahren, auf einem haben wir übernachtet, es war wunderschön! Das Wort des Tages ist long (wobei das "ng" mit geschlossenem Mund gesprochen wird und eher wie ein "m" klingt) und heißt Drache. Die Ha-Long-Bucht ist der Sage nach entstanden, als ein Drache die Berge herabgestiegen ist und dabei mit seinem Schwanz die Felsen zerschlagen hat. Hinterher stieg das Meer an und läßt heute nur noch die Spitzen der Felsen herausgucken. Der Drache kommt auch im Namen meines Kunden vor (Van Long). Doch nun möchte ich mal was über den vietnamesischen Alltag berichten:

Mangrovenfischer

Rechtsprechung bei Verkehrsunfällen

Ganz so harmonisch fließend ist der vietnamesische Verkehr doch nicht, zumindest nicht am verlängerten Nationalfeiertagswochenende. Auf dem Weg nach Ha Long hat unser Bus auf einmal eine Moped-Fahrerin umgefahren. Zum Glück war nicht viel passiert, außer ein paar Schrammen gab es keine offensichtlichen Verletzungen. In Vietnam wird bei so etwas nicht die Polizei gerufen, sondern es bildet sich eine große Menschenmenge um die Unfallbeteiligten und diskutiert lautstark den Unfallhergang. Nach anfänglichen Beschuldigungen, der Busfahrer sei schuld, setzte sich dann doch die Meinung durch, die Mopedfahrerin habe ohne zu schauen die Spur gewechselt. Schließlich holt der Busfahrer doch sein Portemonaie heraus und zahlt dem Unfallopfer 200.000 Dong, schließlich hat er reiche westliche Touris an Board. Das sind ca. 9 Euro.

Diese Position ist mir bequemer als die Sitzhocke (Ha-Long-Bucht)

Sitzhocke

Man sieht die Vietnamesen (genauso übrigens die Ugander) oft in der Hocke ausruhen, und zwar mit flachem Fuß (Fersen auf dem Boden!). Das Gesäß schwebt dabei ca. 10 cm über dem Boden. Ein normaler Mitteleuropäer kippt in dieser Haltung nach hinten um. Tipp: Zum Üben die Arme als Gegengewicht möglichst weit nach vorne strecken!

Sitzhocke (unten links, Bild aus dem Hoa-Lo-Gefängnis Hanoi)

Mittagsschlaf

Vietnamesen arbeiten oft von 07:30-11:30 und von 13:00-17:00. Dabei wird die lange Mittagspause mit einem Nickerchen abgerundet. Einigen unserer Volontäre steht dafür ein eigener Raum zur Verfügung (mir auch), einer Team-Kollegin sogar ein eigenes Bett.

Schmuck zum Nationalfeiertag
Sozialismus

Vietnam ist eine Sozialistische Republik. Das merkt man eigentlich kaum, es gibt hier zwar kein McDonald's, dafür aber Kentucky Fried Chicken, IBM, Nokia und Coca-Cola. Nur ab und zu sieht man mal ein rotes Banner über der Straße, oder auch bei meinem Kunden in der Fabrik. Da stehen dann kommunistische Parolen drauf.

Parole der Partei
Religion

Der Großteil der Vietnamesen hat in seinem Pass unter Religionszugehörigkeit stehen: "keine". Nur Katholiken (ca. 10%) geben ihre Religion an. Der Rest sucht sich das Beste aus Daoismus, Konfuzianismus und Buddhismus aus und verbindet das mit dem Ahnenkult: so wird auf dem Grab der Vorfahren zum 1. und 15. des Mondmonats alles Mögliche geopfert (verbrannt), was keiner Lehre entspricht, aber den Menschen (und damit auch den Ahnen) gefällt: Bier, Schweinefleisch, Kleidung, Papierfiguren (die z.B. ein Auto darstellen) und symbolische Geldscheine. Der Geburtstag der Vorfahren mag manchmal unbekannt sein, der Todestag aber nie. An dem trifft sich jährlich die ganze Familie. Wenn das Grab der Vorfahren nicht mehr bekannt ist, muss ein Wahrsager bemüht werden, der einem bei der Suche hilft.

Ahnenaltar in einer Tropfsteinhöhle