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Mittwoch, 1. November 2006

Halbzeit-Orientierung in Playas

Am letzten Wochenende waren wir 100 Tage in Ecuador, mehr als die Hälfte unserer 160 Tage hier. Grund genug für AFS Ecuador, eine Art Zwischenbilanz mit allen Voluntären zu ziehen. So wurden wir alle am Dienstag abend angerufen, Annika und ich haben gerade deutsche Eierkuchen (für die Nicht-Berliner: Pfann(e)kuchen) mit Bolognese-Sauce oder Nutella, Zucker-Zimt und Apfelstücken für meine davon begeisterte Familie gebraten, dass wir uns am Samstag früh alle um 8:30 am Busterminal einfinden sollten, es gehe nach Playas, einen Strandort an der Küste ca. 2 Busstunden von Guayaquil entfernt.

Am Samstag früh war die Überraschung gross, als uns verkündet wurde, dass die Reise über 2 Tage geht (Samstag UND Sonntag). Dass sei uns angeblich am Telefon gesagt worden, aber keiner der 6 Voluntäre hat das mitbekommen. Was soll's, an die ecuadorianische Spontaneität sind wir ja schon gewöhnt, das hat jetzt auch keinen mehr umgehauen. Also schnell noch Zahnbürste und Zahnpasta am Busterminal gekauft, die Familien telefonisch oder per SMS informiert und alle Termine für den Sonntag absagen. Schade, ich wäre am Sonntag bei Narcisa zum Krebsessen eingeladen gewesen...

In Playas waren wir in einem netten Strandhotel (ganz aus Holz, Moskitonetze über den Betten, Veranda mit Poolbillard, Tischtennisplatte, Bar und Schwimmbad) untergekommen und nach dem Mittagessen in einer Cevicheria haben wir dann mit der AFS-Chefin von Guayaquil, Venus, am Strand Fragebögen ausgefüllt und improvisierte Kurzvorträge gehalten, z.B. über die Architektur, die Wirtschaft und die Flächennutzung von Ecuador. Für die besten Antworten (oder auch einfach nur per Losglück, als keiner die anderen bewerten wollte) gab es dann kleine Preise. Leider waren wir zwar am Strand, sind aber nicht zum Baden oder Strandwandern gekommen, da der Strand ab 18:30 (Einbruch der Dunkelheit) laut Hotelbesitzer zu gefährlich sei. So sind wir bis zum Abendessen in einer Pizzeria durch den Ort gelaufen, einen typischen Küstenort in Ecuador: modern-hässliche Architektur, wenig Grün und eine Aneinanderreihung von Restaurants und Geschäften. Abends dann strenges Regiment von Venus: Ausgeherlaubnis nur bis 23:00 (ich bin mit Venus, Annika und dem anderen Tim im Hotel gelieben) und Treffen am nächsten Morgen um 7:30.

Nach dem Frühstück auf verstaubtem Geschirr (die Strandsaison beginnt im ecuadorianischen Sommer ab Dezember und geht bis April) ging es weiter mit einem Ecuador-Quiz: Welche Farben hat die Ecuador-Fahne (gelb-blau-rot), Quevedo ist die Hauptstadt welcher Provinz (Los Rios), wo gibt es Süssigkeiten vom Körper Christi (Cuenca) usw. Dann ging es im Taxi (Pritschenwagen, alle ausser Venus sitzen hinten auf der Ladefläche) zum 8 km entfernten Nachbarort Puerto Morro, wo der Umweltteil unserer Globalen Schulung gehalten wurde: Delfinbeobachtungen von einem Boot aus in Mangrovengewässern nahe der Küste. Daneben haben wir viele Reiher, Pelikane und sonstige Wasservögel gesehen.

Die Globale Schulung von AFS ist Teil des Voluntärsprogramms. Ohne Erklärung oder Einführung ging die vor ein paar Wochen los und besteht aus insgesamt 7 Teilen, wie Gesundheitssystem (am Beispiel von behinderten Kindern), Drogenmissbrauch, Afroecuadorianer und Bildungssystem. Jeder Teil findet in einer Stiftung oder einem Zentrum statt, die Idee ist sehr gut, die Durchführung leider oft sehr langweilig. Und wieder typisch die ecuadorianische Organisation: eine Schulung wurde von heute abend auf morgen früh angesetzt, so dass gar keine Zeit bestand, die Arbeitstelle zu informieren, dass man am nächsten Tag nicht oder erst später kommt. Nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die Organistoren kommen mitunter 1 Stunde zu spät zum vereinbarten Treffpunkt. Und nur die beiden Deutschen sind immer die Blöden, die stundenlang warten. Das ist ein Punkt, an den ich mich hier nicht gewöhnen kann. Wobei mir das komischerweise bei Ecuadorianern ausserhalb von AFS noch nicht vorgekommen ist, nur bei AFS und den anderen nicht-deutschen Voluntären...

Meine eigene Zwischenbilanz: Ich bin noch zwei Monate hier, aber irgendwie wird diese Zeit wohl wie im Flug vergehen. Es sind noch viele Sachen geplant und praktisch keine Freiräume mehr für spontane Aktivitäten, anbei meine voraussichtlichen Pläne:

1.11. Fest von Pasaje mit allen meinen Brüdern und Annika
2.11.-5.11. Fest von Cuenca, Dienstreise, Helfen bei einer Tierausstellung
12.11.-19.11. Kurzaustausch für alle Voluntäre: für eine Woche kommen wir in eine neue Gastfamilie nach Cuenca, in dieser Woche müssen wir nicht arbeiten
24.11.-26.11. Projektreise mit Studenten aus dem Zoo nach Guaranda (steht noch nicht 100%)
2.12.-3.12. Enrico kommt nach Guayaquil und wir gehen am 2.12. auf ein Konzert von Shakira (21$ Stehplatz Innenraum)
8.12. letzter Arbeitstag im Zoo
9.12.-12.12. Urlaub, wahrscheinlich Fahrt nach Quito
13.12.-17.12. 5 Tage Galápagos-Inseln
18.12.-23.12. ??? vielleicht Oriente
24.12-25.12. Weihnachten in Guayaquil
26.12. Flug nach Quito, letztes Abschlusstreffen aller Voluntäre
27.12. Abflug von Quito
28.12. Ankunft in Berlin

Ich habe 57 Nummern in meinem Handy gespeichert, 34 davon Ecuadorianer ausserhalb der Familie und der anderen Voluntäre. Ich lese National Geographic Español und überlege, den kommenden letzten Harry-Potter-Band auf Spanisch zu lesen. Wird mir der Abschied schwer fallen? Ich glaube schon, einfach wegen der vielen netten Kontakte und Menschen, die ich hier kennengelernt habe. Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich genauso wieder auf die Familie, die vielen lieben Freunde und den Komfort in Deutschland. Werde ich wieder kommen nach Ecuador? Ich nehme es mir fest vor. Was werde ich am meisten vermissen? Das Filmstargefühl, dass mir hier auf Schritt und Tritt begegnet.

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