Diesmal folgt ein etwas laengerer Artikel ueber ein ereignisreiches Wochenende.
Donnerstag vormittag, vor dem Institut. Ein Krachen ist zu hoeren. Vor dem Institut ist ein Radfahrer auf der falschen Seite gefahren, wollte die Strasse ueberqueren und hat den entgegenkommenden Toyota nicht gesehen. Dieser weicht aus, faehrt ein Vorfahrtschild um und kommt im Abwassergraben neben der Strasse zum Stillstand. Der Radfahrer fluechtet, schnell finden sich zahlreiche Helfer, die das Auto aus dem Graben heben. Der Toyota ist natuerlich so robust, dass er weiterfahren kann, als Pfand (oder Beweismittel?) wird das zurueckgelassene Fahrrad inklusive aufgeschnalltem 20-l-Wasserkanister gleich hinten eingeladen. Nach einer halben Stunde sieht wieder alles aus wie vorher, nur das Vorfahrtschild ist nicht mehr zu sehen...
Donnerstag abend, zu Hause in Entebbe. Carol, Maria, Paul Mukisa, Tracy und Baby Prince freuen sich ueber gebratene Heuschrecken. Hier wurden sie im Ganzen, also mit Fluegeln und Beinen gebraten. Ich kann nicht hingucken, lasse mir die Koerper von der Familie abpuhlen. Diese schmecken aber wieder sehr lecker.
Freitag 16:00, vor dem New Taxi Park Kampala. Ich bin auf dem Weg nach Masaka, zusammen mit Paul aus dem Institut wollen wir einer Successor Ceremony beiwohnen (s.u.). Paul warnt mich: "Pass auf deine Tasche auf!" Beim Ueberqueren der Strasse rempelt mich jemand an und ich spuere etwas beim Portemonnaie in meiner vorderen rechten Hosentasche. Reflexartig umklammere ich den Dieb, er will fluechten und wir fallen beide zu Boden. Ich begrabe ihn unter mir wie beim American Football den Spieler mit dem Ei. Wir liegen mitten auf der Strasse, an uns rauscht ein Mofataxi vorbei und ich befuerchte schon, dass diesem die Beute weitergegeben wird. Aber so professionell arbeitet dieser Taschendieb nicht. Nachdem ich ueberpruefe, dass ich noch Handy, Geld und einen verschlossenen Rucksack habe, lasse ich ihn laufen. "What is the problem?" fragt er noch frech. Andere Passanten eilen mir zu Hilfe. Ausser ein paar Schrammen ist alles glimpflich verlaufen.
Freitag 18:00, im Sammeltaxi nach Masaka. Wie immer laeuft im Taxi ein Radiosender in lugandischer Sprache. Wir passieren gerade auf beiden Seiten Papyruswiesen, als der Radiosprecher die Woerter Energie Cottbus und Eintracht Frankfurt erwaehnt. Wie klein ist doch die Welt, und irgendwie verrueckt, denke ich. Da interessiert sich ein Bantu-Sender im afrikanischen Busch fuer den Fussballverein einer deutschen Kleinstadt. Als ich das Paul erzaehle, lacht er wie so oft als Antwort. Ja, die Ugander sind fussballverrueckt. Ansonsten interessieren sie sich nicht viel fuer andere Laender...
Freitag 21:00, im Pickup-Truck auf einem Waldweg. In Masaka treffen wir auf Pauls Verwandte, die sich einen Pickup-Truck mit offener Ladeflaeche fuer ca. 15 Personen gemietet haben. Sie nehmen uns die ca. 1,5 Stunden zum Geburtshaus von Pauls Mutter mit, wo die Zeremonie stattfinden wird. Ich darf vorne auf dem Mittelplatz in der Kabine sitzen, zwar werden meine Knie vom Steuerhebel am Lenkrad und der Konsole eingequetscht, dafuer bin ich nicht dem Staub und Wind auf der Ladeflaeche ausgesetzt. Nach einer halben Stunde biegen wir von der nicht asphaltierten, aber breiten Strasse auf einen einspurigen Waldweg ab. Ploetzlich muessen wir im Dunkeln stehen bleiben, vor uns steckt ein Toyota in einer grossen Schlammpfuetze, die Reifen drehen durch und bespritzen das weisse Auto und Helfer mit braunrotem Schlamm. Die Stelle erscheint unpassierbar, die Helfer versuchen notduerftig zwei Holzplanken in den Schlamm zu legen, aber der Toyota kommt nicht voran. Es werden verschiedene Wege, mal rechts, mal links, ausprobiert, er kommt nicht durch. Nach einer Stunde gelingt es dann doch endlich mit einem hohen Aufwand an (bezahlten) menschlichen Helfern, den Wagen durchzuschieben. Nun sind wir dran, unser Gelaende-Pickup hat nicht so grosse Probleme, aber auch er muss teilweise geschoben werden. Danach geht es noch endlos weiter bis zu unserem Ziel.
Freitag nacht, Successor Ceremony. Eine Successor Ceremony findet statt, wenn ein Familienoberhaupt gestorben ist, und ein Nachfolger gewaehlt wird, der seine Aufgaben uebernimmt. Begraben wird man in Uganda in seinem Heimatdorf auf dem Familienanwesen. Jeder Ugander hat sein "Dorf" wo seine Vorfahren begraben sind, selbst wenn er in der Grossstadt Kampala lebt. In diesem Fall sind im letzten Jahr einige Maenner aus der Familie von Pauls Mutter gestorben, fuer die nun ein Nachfolger ernannt wird. Also kommen wir im Heimatdorf von Pauls Mutter an, in der Naehe von Masaka am Viktoriasee. Die Feier ist am Samstag, aber alle reisen schon Freitag abend an. Ueberall auf dem Gelaende sieht man Zelte, teils mit Unicef-Zeltplanen, teils nur mit Bananenblaettern bedeckt. Uns, das sind ca. 6 Maenner, wird eines der besseren Zelte mit Unicef-Plane zugewiesen. Zum Nachtmahl gibt es gekochten Fisch direkt aus dem See, er wird traditionell mit allem ausser den Innereien, also mit Flossen, Kopf und Haut serviert, im Schein einer Parafinlampe versucht man dann, ihn so gut es geht mit den blossen Haenden zu essen. Danach wird traditionell und modern getanzt!
Samstag frueh, 5:30 im Zelt. Nach einer harten und kurzen Nacht auf einer Bastmatte, Schulter an Schulter mit den anderen Gaesten, werden wir zum Tee geweckt. Warum so frueh? Ich weiss es nicht, die meisten Ugander stehen taeglich um 5:00 auf und legen sich dafuer tagsueber irgenwann hin. Wir unternehmen einen Rundgang auf dem Grundstueck, einer Plantage fuer Bananen, Kaffee, Jackfruechte und vieles mehr, gelegen zwischen Wald und Seeufer. Vormittags spazieren wir dann zum See, wo die Menschen Wasser holen, Fische kaufen, ihre Schuhe vom Schlamm abwaschen. In einem Dorf werden Mukene auf dem Boden getrocknet, das sind winzige Silberfische, die kleinsten Fische, die hier gegessen werden. Sie sind sehr nahrhaft, und wie man sieht, schmecken sie auch den Huehnern:
Samstag 11:00, Zeremonie. Wehrend der Zeremonie bin ich etwas ueberrascht, ich hatte erwartet, dass als Nachfolger die Familienaeltesten bestimmt werden. Die drei Nachfolger sind aber sehr jung, einer ist sogar noch ein Kind. Die Eltern sind sehr jung gestorben, mit 35, und als Nachfolger wird jemand aus der direkten Linie gewaehlt, also kein Onkel oder so.
Bei der Zeremonie wird dem Nachfolger feierlich ein Gewand aus Baumrindenstoff (Bark Cloth) umgehaengt, das sich anfuehlt wie duennes Leder. Dann wird ihm eine Kalebasse mit Hirsebier ueberreicht. Da er noch unverheiratet ist, uebernimmt eine Schwester die Rolle seiner Frau. Ihr wird symbolisch ein Schaelmesser fuer Kochbananen ueberreicht, damit sie allen Gaesten jederzeit Essen zubereiten kann. Ansonsten hat die Zeremonie die Form eines katholischen Gottesdienstes, der Pfarrer ist dafuer extra aus Kampala angereist. Danach geht es die 10 Schritte zum Familienfriedhof.
Samstag nachmittag, 14:00. Bevor wir aufbrechen, gibt es natuerlich wieder etwas zu essen, in diesem Fall Flughuehner mit Kochbananen, Erdnusssauce, Yamswurzel, Reis und Kuerbis. Verpackt und gekocht in Bananenblaettern.
Samstag abend 21:00, Entebbe. Ich komme wieder zuhause an, habe Kopfschmerzen, leichtes Fieber, keinen Appetit und lege mich nur noch ins Bett.
Sonntag frueh, 9:30. Steves Mutter erkundigt sich nach meiner Gesundheit und sagt, das sind die typischen Malaria-Symptome, das hatte sie auch vor ein paar Wochen. Ich blaettere in meinem Gesundheitsbuch Afrika und tatsaechlich: Fieber, Magenschmerzen, Kopfschmerzen. Also lasse ich mir einen Arzt empfehlen und denke, je eher den Test, desto besser. Ich hoffe nur, dass mir kein Medizinmann (witch doctor) empfohlen wird und nehme vorsichtshalber zwei sterile Einwegspritzen mit, will ja kein AIDS bekommen. In der Klinik werde ich von Steves Vater vorgestellt, es warten ca. 15 Afrikaner, ich komme aber gleich ran. Manchmal hat man hier halt auch Vorteile als Muzungu... Beim Test selbst wird einem in die Fingerkuppe gepiekt, der Assistent nimmt dazu eine versiegelte Einwegspritze, ok. Nach 10 Minuten das Ergebnis: keine Malaria, also doch nur Magendarm-Grippe, wie ich sie schon zwei Wochen nach meiner Ankunft hatte. Mir werden 2.000 Schilling berechnet, das sind 90 Cent. Ich beschliesse, das nicht ueber meine Auslands-Krankenversicherung abzurechnen...
Sonntag frueh, 10:30, Muttertagsgottesdienst. Muttertag ist hier eine grosse Nummer, viel groesser als in Deutschland. Der Gottesdienst hat an diesem Tag praktisch keine Predigt, sondern nur Gesang, Tanz, Ehrungen an die Muetter von Stellvertretern der Toechter, Soehne und Vaeter. Die Geschenke werden im Gottesdienst ueberreicht. Ein grosser Chor von 66 Muettern, alle in roten traditionellen Kleidern, steht auf der Buehne. Aber die groesste Inszenierung kommt vom Pastor Mutebi. Er ist jedes Jahr Anfang Mai fuer drei Wochen in Kalifornien und hat diesmal seine Reise extra fuer seine Mutter vorzeitig abgebrochen. So erfahren wir, das Pastor Mutebi gerade am nahegelegenen Flughafen eingetroffen ist, also bald erscheinen wird. Spaeter faehrt ein dunkler Van am Eingang vor. Die Menge springt auf und ein Geraune entsteht. Dann steigt zuerst seine Frau, ebenfalls im roten Kleid, aus. Schliesslich der Pastor selbst. Mit spiegelnder Sonnenbrille und weinrotem Anzug wird er empfangen und bejubelt wie ein Rockstar. Alle Muetter laufen zu seiner Begruessung nach vorne. Dann steigt er, weiterhin mit Sonnenbrille, auf die Buehne, ergreift ein Mikrophon, und legt los: "Let's give a handclap to the Lord! God is great! GOD-IS-GREAT!!!" Die Menge ist nicht mehr zu halten, donnernder Applaus, Gejohle, Gehuepfe.
Anschliessend bekommen die Muetter eine grosse Torte geschenkt, die an alle Besucher verteilt wird und der Pastor laedt alle Muetter (und nur diese!) zum Lunch ein.
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