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Montag, 24. Mai 2010
Filmstar
Hier ein paar weitere Fotos ihrer letzten Entwicklungen:
Montag, 27. April 2009
Erster Tag beim Kunden
Unser Team in Haiphong vorm Hotel: (von oben links nach unten rechts) Mariano (I), Ida (My), ich (D), Sukanya (Ind), Shauna (Can), Jean-Michel (F) und Matt (USA)Seit Sonntag sind wir in unserem eigentlichen Einsatzort Haiphong angekommen. Wir haben von der Stadt zwar noch nicht so viel gesehen (unser Hotel liegt etwas außerhalb an einer Schnellstraße), dafür aber schon unsere Dolmetscher (gestern) und Kunden (heute) kennengelernt. Ja, wir arbeiten hier mit Dolmetschern (englisch-vietnamesisch), da die meisten unserer Kunden kein Englisch sprechen. Die Dolmetscher sind alle Studenten aus dem letzten Studienjahr eines vierjährigen Sprachstudiums und können nach der Prüfung entweder als Übersetzer/Dolmetscher oder als Lehrer arbeiten. Die Zuteilung der Studenten erfolgte wie beim "Speeddating": Jeder von uns unterhielt sich mit jedem der Studenten für ein paar Minuten und dabei haben wir herausgefunden, wer am besten zueinander passt. Wir Europäer haben dabei die erfahrenen Dolmetscher bekommen als die Englisch-Muttersprachler aus USA, Kanada, Indien und Malaysia. Meine Dolmetscherin heißt Dung (sprich etwa "Sum"), ist 23, jüngste von drei Schwestern und lebt wie fast alle Vietnamesen (selbst oft die Verheirateten) mit ihrer Familie zusammen.
Heute trafen wir zuerst alle Kunden gemeinsam in der Haiphonger Industrie- und Handelskammer und hatten dann einen ersten Besuch bei unseren Kunden. Mein Kunde ist Herr Mai Xuan Hien, 35, verheiratet, zwei Kinder (3 und 10 Jahre alt). Er hat lange in Japan gearbeitet, seit 10 Jahren jetzt in Vietnam in der Kunststofffabrik Van Long Ltd., die PET-Flaschen, Autobatteriegehäuse und Motorölflaschen herstellt. Die Rohstoffe dafür (ein Kunststoffgranulat) kommen unter anderem von BASF aus Deutschland ("Sehr gute Qualität, aber teuer!"). Er möchte als Geschäftsführer so viel wie möglich von mir wissen, über ERP-Systeme (z.B. SAP) bis hin zu Vorschlägen zu seinen Unternehmensbereichen Personal, Produktion, Buchhaltung und Marketing. Er hat einen 5-seitigen Fragenkatalog und Wochenplan für die 4 Wochen erstellt, den Dung jetzt als Erstes übersetzen wird. Ich bin gespannt. Ansonsten war es heute sehr kurz, er hat uns (Sum und mich) noch zum Mittagessen eingeladen und alles weitere wird dann morgen erfolgen. Ida aus Malaysia ist ebenfalls früh zurückgekommen, ihre Kundin hat sich kurz gehalten, da heute der dritte Tag des Mondkalenders ist, es bringt Unglück, wenn man da ein wichtiges Geschäft abschließt oder ein Projekt beginnt. Glücks- und Unglückstage (und -Zahlen) sowie Horoskope spielen wie in China auch in Vietnam eine große Rolle.
Ich möchte mich nicht immer wiederholen, aber auch in Vietnam hatte ich schon (wie in Ecuador und Uganda) die bekannten Filmstargefühle: In Hanoi waren die Kinder über meine und Marianos (Italien, 1,93m) Größe so erstaunt, dass sie lachend mit der Hand ihre und unsere Größen verglichen, in Ho Chi Minhs ehemaligem Wohnhaus wollten uns Frauen unbedingt berühren und heute früh joggten Matt, Shauna, Jean-Michel und ich um 6:30 die Straße (zwischen Mopeds, Autos und Fahrrädern) entlang und waren natürlich DIE Attraktion (auf welche verrückten Ideen die Ausländer auch immer kommen...).
Das Wort des Tages ist cá kho (sprich etwa kacho), mein Mittagessen heute, ein sehr leckerer und hier typischer Fisch, den mir Dung nicht auf Englisch übersetzen konnte. Meine Wikipedia-Recherche ergab, dass es wahrscheinlich Stockfisch (getrockneter Kabeljau) ist, oder einfach auch der Name für dieses typische Gericht.
Samstag, 27. September 2008
Noch ein Interview, noch ein Triathlon
Inzwischen habe ich mir auch Gedanken über ein Buchprojekt zu meinem Sabbatjahr gemacht und versuche nun, einen Verlag zu finden. Das ist spannend, da ich auf dem Gebiet ja überhaupt keine Erfahrung habe. Aber es macht Spaß, sich die Verlage seiner Lieblings-Reiseberichtsbücher herauszusuchen, ihnen Exposés des Projektes zu schicken und davon zu träumen, einmal die Chance einer Veröffentlichung zu bekommen. Träumen darf man ja...
Im August war der Berlinman, der Triathlon am Berliner Wannsee. Wie immer zu diesem Wettbewerb goss es wie aus Kübeln. Steve hatte sich ja in seinem Trainingscamp auf Island vor allem aufs Schwimmen vorbereitet (gecoacht hat ihn ein isländischer Olympiateilnehmer), aber gegen die Sturmwellen am Wannsee und vor allem die kalten Wassertemperaturen kam er nicht an. Ein Krampf musste ihn das Schwimmen abbrechen lassen. Aber es wäre nicht Steve, wenn er sich von so etwas abhalten lassen würde. Nach einer kurzen Pause trat er wieder zum Radfahren an, fuhr die doppelte Strecke (44 statt 24 km) und lief locker verspielt (siehe Bild) die 5 km.
Wir anderen (Kai, Dieter, ich und zum ersten Mal auch Stefan) hatten trotz des schlechten Wetters unseren Spaß, auch wenn ich diesmal vor allem beim Laufen ganz schön kämpfen musste.
Im Juli hatte Silvia Geburtstag, und da sie da immer gerne verreist, waren wir spontan für ein verlängertes Wochenende an der polnischen Ostsee in Rügenwalde und Umgebung. Es war sehr schön dort, ähnlich wie an der deutschen Ostsee ist immer ein kleiner Wald zwischen Strand und Häusern. Der Fisch hier war sehr lecker, obwohl er selbst in den Fischrestaurants immer auf Papptellern und mit Plastikbesteck serviert wurde.
Freitag, 27. Juli 2007
Filmstar: The story continues...
Ich bin bald selber Gastvater, Stephen zieht im August bei mir ein. Er wird in meinem Ecuador/Uganda-Zimmer wohnen, in dem meine Andenken wie z.B. die Hängematte oder eine ugandische Bananenfasermatte, eine Trommel und die ecuadorianische Fahne untergebracht sind. Das schlichte Schlafzimmer (Bett, Schrank, Kommode) habe ich vorletzte Woche bei Ikea gekauft. Stephen hat schon einmal hier Probe geschlafen. Mit der Hängematte hat er Probleme, da fällt er immer heraus...
Ärzte: bei meiner Routine-Tropen-Nachsorge hatte das Berliner Labor Bilharziose im Blut nachgewiesen, mit einem Wert von 2.000 bei Normwert 16. Also wurde ich ans Tropeninstitut überwiesen, die einen ausführlicheren Bluttest sowie mehrere Dopingproben bei mir wiederholten. Die Bilharziose-Würmer befallen nämlich meist Harnblase und Darm. Was beim Radsport selten vorkommt, hat sich bei mir dann nach einer Woche erfüllt: die B-Probe war negativ! Komisch, na ja, ich soll in drei Monaten noch mal wiederkommen, die Erreger sind manchmal erst sehr spät nachweisbar. Auslöser war, dass ich in Uganda dreimal im See und Nil gebadet habe ("Aber das macht man doch nicht, das weiß doch jeder, dass das Wasser dort Bilharziose-verseucht ist!" meinte der erste Tropenarzt. Trotzdem haben dort eigentlich alle gebadet, Weiße wie Schwarze).
Die neuen Volontäre für Uganda: Am Dienstag war die Afrika-Vorbereitung für die neuen ICJA-Volontäre. Zur Einstimmung haben wir afrikanisch gekocht, Stephen und ich haben uns dafür mein ugandisches Lieblings-Fastfood Rolex und Chapati ausgesucht. Wir haben zwar ewig gebraucht, bis wir die Fladen ausgerollt und gebraten hatten, aber alle fanden es dafür sehr lecker. Und ich konnte meinen Entzug etwas besänftigen. Danach haben uns die vier Uganda-Reisenden Löcher in den Bauch gefragt: ob man dort mit Mastercard an Geld komme (ja, aber schwieriger als mit Visa), ob man dort einen elektrischen Bass kaufen könne und was man dann damit im Dorf ohne Strom mache, welche Kleidung man mitnehmen solle und ob man die Wäsche wegen der Mangofliege nicht draußen aufhänge solle. Von der Fliege habe ich noch nie gehört, zuerst dachte ich, da hat sich da jemand einen Scherz mit der Volontärin erlaubt. Doch es gibt sie wirklich, nämlich in Ghana: hier die Warnung der Deutschen Botschaft. Gegen Mitternacht sind wir dann von den Fragen erschöpft nach Hause gefahren.
Liebe Grüße an meine Familie, die sich beschwert hat, dass meine Berichte jetzt langsam weniger werden. Aus Ecuador und Uganda haben sie öfter von mir gehört als aus Berlin...
Sonntag, 27. Mai 2007
Alltag in Uganda V
Steigerung des Filmstars
Ich haette nicht gedacht, dass eine Steigerung des Filmstargefuehls noch moeglich ist, aber es geht! Gestern war ich mal wieder eingeladen zu einer Introduction Ceremony, bei der der zukuenftige Schwiegersohn der Familie der Braut vorgestellt wird. Die Maenner ziehen bei so einer Zeremonie ein weisses Gewand, den traditionellen Kanzu an, also habe ich mir von Steves Familie auch wieder einen ausgeliehen. Die Feier war in einem Dorf ca. 2 Stunden von Entebbe entfernt, das letzte Stueck fuhren wir auf einem Sandweg auf Boda-Bodas. Als die Landbevoelkerung mich auf dem Boda sitzend vorbeifahren sah, in traditioneller Kleidung, wurde mir zugejubelt, als ob die Queen persoenlich vorfaehrt: Kinder winken ja sowieso und rufen "Bye Muzungu!", aber diesmal winkten auch die Frauen kichernd, sogar die Maenner von der Ladeflaeche vorbeifahrender Lastwagen, oder sie blieben wie angewurzelt mit offenem Mund am Wegesrand stehen...
Die Feier selbst war aehnlich wie die beiden anderen Introduction Ceremonies, die ich hier schon erlebt habe, diesmal gab es aber auch zwei Ziegen und einen Hahn fuer die Braut (komischerweise keine Kuh) sowie eine komplette Wohnzimmereinrichtung mit Couchgarnitur, grossem Esstisch und 6 Stuehlen. Die ganzen Moebel wurden von der Braeutigamsfamilie in einer Prozession herangetragen und praesentiert.
Schuluniformen
In Uganda haben alle Schueler Uniformen, hier die von Maria und Paul Mukisa, sowie einer nahe dem Institut gelegenen Schule bei einem Projektbesuch.
Geburtstagsfeier
Maria feiert ihren siebten Geburtstag, wie ueblich mit einer Geburtstagstorte und Limonade. Sie ist meine grosse Liebe, also hat Uncle Tim ihr dieses Trimester die Schulgebuehren gesponsert.
Sammeltaxi
Wie in Ecuador der Bus ist das Sammeltaxi hier meine Lieblingsrubrik. Neulich war ich mit meiner Freundin Tina Rose auf dem Weg zum Botanischen Garten, als sich neben mir eine Frau auf den Sitz quetscht. Gut, das ist ja normal, aber diese Frau lehnte sich so komisch zu mir herueber, lag halb im Taxi und stoehnte. Schwanger - war Tinas Kommentar. Die Wehen hatten offensichtlich schon eingesetzt, bis zum Krankenhaus Entebbe war es noch eine halbe Stunde. Die Frau hatte auch keine Begleitung, das Kinderkriegen wird hier wohl den Frauen alleine ueberlassen. Nach fuenf Minuten und dem naechsten Stopp konnte das Taxi nicht mehr anfahren, kein Sprit. Diesmal ging die knappe Kalkulation beim Tanken daneben. Also stiegen wir alle aus, zum Glueck stand schon das naechste Taxi bereit zur Uebernahme der Fahrgaeste. Wir waehlten aber ein drittes Taxi, eine Geburt im Auto wollten wir nicht erleben. In Entebbe angekommen sahen wir das andere Taxi wieder, die Schwangere stieg gerade aus und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus...
An einem anderen Tag sah ich morgens aus dem Taxi am Viktoriasee einen grossen Menschenauflauf. Ein weisser Toyota stand ca. 5 Meter vom Ufer entfernt im Wasser, und es sah nicht nach einem Schwimmauto aus. Die Menschen muessen mit vereinten Kraeften eine Loesung gefunden haben, das Auto wieder an Land zu schaffen, am naechsten Tag war es jedenfalls nicht mehr da.
PS: Dieses Bild und den dazugehoerigen Zeitungsartikel habe ich zu dem Auto im See gefunden:
Samstag, 10. Februar 2007
Alltag in Uganda II
Schokolade
Ich hatte vorher immer gehoert, in Afrika gaebe es weder Milch noch Schokolade. Inzwischen habe ich gelernt, es gibt nicht EIN Afrika (sondern ueber 50 afrikanische Staaten mit ein paar tausend verschiedenen Voelkern und Sprachen). Und in Uganda gibt es Schokolade. Das britische Empire hat hier natuerlich Cadbury etabliert, die zwar nicht so gut wie die kontinentaleuropaeische Schokolade schmeckt, aber immerhin. Die Typen Vollmilch, Crunch und Nuss werden in Kenia produziert (80g fuer 90 Eurocent), der Twix-aehnliche Riegel U&Me sowie der Mars-Klon Moro in Aegypten (fuer rund 35 Eurocent). Und Milch und Joghurt gibt es auch. Die Milch wird uns immer taeglich frisch geliefert (da man sich wegen der haeufigen Stromausfaelle nicht auf den Kuehlschrank verlassen kann), sie ist ja wichtigster Bestandteil des Tees, der zum Fruehstueck und zur Teezeit serviert wird.
Hausarbeit = Handarbeit
Als Mann habe ich in der Gastfamilie ein super Leben. Ich werde bekocht, jeden Morgen gefragt, ob ich schmutzige Waesche habe, und wenn ich nicht schnell genug selber putze, werden mir auch noch taeglich die Schuhe geputzt. Der Haushalt wird von den Frauen und den kleinen Kindern der Familie gemanaged (die Toechter, das Dienstmaedchen, zum Teil die Mutter). Dabei faellt auf, mit welchem Aufwand an Handarbeit alles gemacht wird, oder wie maschiniert im Gegensatz unser mitteleuropaeischer Haushalt ist:
- Fast den ganzen Tag ueber brennt neben dem Haus ein offenes Feuer, auf dem gekocht wird. Das Feuer muss in Gang gehalten werden, Brennholz organisiert und angeschleppt werden, die Toepfe zwischen dem Feuer und der Kueche hin- und hergetragen werden.
- Es gibt keinen Staubsauger, nur 50cm lange Reisigbesen ohne Stiel. Das Haus wird jeden Tag gefegt und dann gewischt.
- Waschmaschine, Geschirrspueler? Die Antwort kann man sich denken, alles wird von den Frauen per Hand gewaschen, die Waesche taeglich.
- Die kleinen Kinder, wie der 8-jaehrige Paul Mukisa, decken den Tisch auf und wieder ab, oder beaufsichtigen den Shop, der sich vorne im Gartenhaus an der Strasse befindet.
- Zusaetzlich muss immer noch einer auf den 8 Monate alten Sam aufpassen, dessen berufstaetige Mutter Florence (Steves Schwester) ihn taeglich morgens bei der Oma abgibt und spaetabends wieder abholt.
Was machen die Maenner in der Zeit? Sie arbeiten tagsueber und hoeren abends nach dem Nachhausekommen Radio, lesen Zeitung oder ein Buch...
Filmstar
Ja, auch in Afrika ist man als Muzungu ein Superstar, allerdings wird man von vielen auch als wandelnde Geldboerse angesehen.
Superstar: Vor allem die Kinder, aber auch manche Frauen fassen einen an, die Haut und in die Haare. Wildfremde Menschen sagen mir beim ersten Treffen, dass sie mich schon vor ein paar Tagen mal gesehen haben. Der grosse Weisse faellt halt auf.
Wandelnde Geldboerse: Viele Verkaeufer, Busschaffner oder Mofataxifahrer nennen einem erstmal einen fuer hier total ueberhoehten Preis, der in Europa aber immer noch recht guenstig waere. Beste Reaktion: Ich lache dann erstmal gemeinsam mit dem Verkaeufer ueber diesen Scherz und sage, das sei ja ein Muzungu-Preis. Danach einigen wir uns ueber einen angemessenen Preis (oft nur die Haelfte). Zur Orientierung habe ich jetzt Kollegen gefragt, was die gaengigen Dinge des Lebens hier gewoehnlich so kosten.
AIDS-Geschichten
Im Institut treffen sich regelmaessig die Mothers of Hope, ein Verein HIV-positiver Muetter. Harriet hatte mich mal zu sich nach Hause nach Busega (ein Dorf suedlich von Kampala) eingeladen und mir ihre Geschichte erzaehlt: Vor 8 Jahren starb ihr Mann an AIDS, er wollte sich nicht behandeln lassen, da er die Aerzte und Medizin als witchcraft, Hexerei, verachtete. Harriet blieb mit 5 Kindern zurueck und erfuhr nach einem HIV-Test, dass sie ebenfalls positiv ist. Dann hat die Familie ihres Mannes sie aus dem Haus geworfen. Schliesslich waere sie daran Schuld gewesen, dass ihr Mann an AIDS gestorben ist (das ist in Uganda kein Einzelfall, dass die Ehefrauen dafuer verantwortlich gemacht werden). So ist sie nun wieder in das Haus ihres Vaters gezogen und muss sehen, wie sie die 5 Kinder ueber die Runden bekommt (und alleine das Schulgeld fuer sie zahlt). Gesundheitlich geht es ihr den Umstaenden entsprechend gut. Sie laesst sich im Mildway Centre behandeln und bekommt dort eine gute Betreuung.
Literaturtipp
Da ich als Mann ja abends immer lesen darf, kann ich ein Buch ueber Afrika sehr empfehlen, was ich gerade durchgelesen habe. Es heisst Afrikanisches Fieber und ist von einem polnischen Afrika-Korrespondenten geschrieben, der ueber 40 Jahre lang aus Uganda, Kenia, Tansania, Nigeria, Aethopien, Somalia, Ruanda usw. berichtet hat. Wer schon immer wissen wollte, was es mit Idi Amin in Uganda, dem Genozid in Ruanda, der Insel Sansibar, dem Hunger in Aethopien, dem Buergerkrieg im Sudan usw. auf sich hat, aber auch die afrikanischen Alltaeglichkeiten vom Wasserholen, dem Sammeltaxi-Verkehr, den Maerkten, wie sich eine Malaria-Atacke anfuehlt, wie man eine Bueffelherde in der Serengeti mit dem Auto durchfaehrt usw., dem sei das Buch waermstens empfohlen!
Dienstag, 28. November 2006
Alltag in Ecuador V
Behörden
Über die Beantragung des Censos hatte ich ja schon berichtet. Der Censo entspricht in etwa der Meldebescheinigung, und mit ihm wird man in Ecuador bei vielen Touristenattraktionen wie ein Einheimischer behandelt. Es gibt da nämlich enorme Unterschiede bei den Eintrittspreisen. Beispiel Galapagos-Inseln:
- Eintritt Ausländer: 100$
- Eintritt für Bürger von Andengemeinschaft- oder Mercosur-Ländern: 50$
- Eintritt für Einheimische oder hier gemeldete Ausländer: 6$
Das sind Unterschiede, oder? Für die Ruinen von Ingapirca haben wir 6$ gezahlt, Einheimische zahlen 1$. An der Costa dagegen gibt es kaum Touristen, deshalb auch keine zwei verschiedenen Preise. Somit haben wir den Censo ausser in Cuenca bisher noch nicht gebraucht. Am Wochenende wurde ich aber doch unruhig, da in zwei Wochen die Galapagosreise ansteht und ich im Gegensatz zu Annika noch nicht einmal eine Bescheinigung hatte, dass ich den Censo beantragt habe (und er im Moment nicht prozessiert werden kann, da keine Formulare vorhanden). Also habe ich heute eine Stunde eher im Zoo Schluss gemacht und mich zur Policia de Migracion, zur Ausländerbehörde aufgemacht. Ziel war, den Censo zu erhalten (obwohl ja telefonisch immer gesagt wird, es gibt keine Formulare), oder zumindest die Annika-Bescheinigung.
Im Gegensatz zum letzten Mal (ein Freitagnachmittag im August) war diesmal am Montag das Wartezimmer gerammelt voll und es fand ein Mischsystem aus Schlangestehen und Wartenummern ziehen statt: man stand eine halbe Stunde in der Schlange, um dann eine Wartenummer (die 65) zu bekommen. Das Schicksal meinte es mal wieder gut mit mir, und sandte mir ein paar Feen. Die erste Fee schenkte mir nach einer Stunde ihre Wartenummer (die 58, immerhin 7 Plätze vorher). Mit dieser Nummer kam ich nach 2,5 Stunden um Punkt 18:00 (Ende der Sprechzeit) in das Amtszimmer. Dort dann die grosse Enttäuschung: die aufgrund des Andrangs schon etwas genervte Beamtin fragte nach den KO-Kriterien: sobre und especie, beides konnte ich nicht vorweisen - und tschüs! Mit sobre hatte ich schon gerechnet, das sind grosse gelbe DIN-A4-Briefumschläge, die in der Schlange alle ausser mir hatten. Especie war schon schwieriger, das Wort kenne ich nur aus dem Zoo und heisst Tierart. Sollte es aber im Erdgeschoss geben. Dort habe ich mich durchgefragt und für 4$ eine Mischung aus Wertmarke und Plastikträger für den späteren Ausweis erstanden. Briefumschläge gab es bei der Behörde nicht. Also habe ich schon frustriert das Gebäude verlassen (es wurde nach 18:00 keiner mehr reingelassen) und mich mental darauf eingestellt, am nächsten Tag wieder 3 Stunden auf dem Amt verbringen zu müssen.
Die zweite Fee sagte mir nun: nicht so schnell aufgeben! Gegenüber der Behörde ist der Zentrale Busbahnhof, und davor in den Geschäften gibt es eigentlich alles zu kaufen (z.B. Zahnbürsten), warum nicht auch Briefumschläge? Der erste Laden hatte tatsächlich das Gewünschte, schnell zurück gespurtet, dem verdutzten Einlassaufpasser bei der Behörde meine zweite Wartenummer (die 65, die erste wurde beim ersten Mal gleich einbehalten) gezeigt und ihn überredet, mich doch noch einmal reinzulassen. Oben stand noch fast die gleiche Schlange, ein Mann erkannte mich wieder und gestikulierte mir freundlicherweise, dass ich doch gleich ins Zimmer reingehen könne, ich wäre ja schonmal dagewesen. Dann ging alles ganz schnell, ich legte alles vor, meine ganzen Papiere wurden gar nicht mehr auf Vollständigkeit geprüft, sondern nur schnell in den Umschlag gesteckt, ein Digitalfoto von mir gemacht (was alle amüsiert hat, weil das Stativ nicht auf meine Grösse ausrichtbar war und ich in die Hocke gehen musste), der Ausweis mit Foto ausgedruckt, verschweisst, die Beamtin sagte, nach mir bearbeite sie nur noch zwei, die restliche Schlange könne morgen wieder kommen. Die 65 wäre nicht mehr herangekommen...
Was ich mich frage ist, warum man telefonisch immer vertröstet wird, wenn dann doch vor Ort alles vorhanden ist und der Ausweis ausgestellt werden kann. Oder ich hatte Glück, und die Formulare (oder die especies?) gibt es erst seit heute wieder, am Tag nach den Präsidentschaftswahlen.
Filmstar III
Ich habe in Filmstar I und II ja schon beschrieben, wie man hier auffällt, wenn man weiss, gross, blond und blauäugig ist. Bei meiner letzten Führung am Freitag haben z.B. die Schulmädchen gefragt, ob meine Augen echt seien, sie seien so schön blau. Sie haben dann selber eingesehen, dass die Frage unsinnig war, aber schmeicheln tut das schon und zum Abschied haben sie alle aus dem Schulbus herausgewunken und "Chao Tim!" gerufen.
Am Wahlsonntag war ich mit einer Freundin Yuli hier am Malecon und durch die Innenstadt bummeln. Nach einer Weile bekommt sie eine SMS von einer Freundin Tanya, die uns beide gesehen hat. Heute werde ich von Jenifer im Zoo angesprochen, was ich gestern gemacht hätte. Ihre Schwester Leo (die ich nur zweimal kurz im Zoo vorbeigehen gesehen habe) hätte uns gesehen. So klein ist Guayaquil, trotz der 4 Millionen Einwohner. Das erste Mal war mir dieser Paparazzi-Effekt in Esmeraldas aufgefallen, wo alle möglichen Leute (z.B. Verwandte von den Gastfamilien) immer genau wussten, wo wir waren oder gerade hingingen, die Gruppe von uns Weissen fiel halt auf...
Wasserversorgung
Die Wasserversorgung in Guayaquil ist im Gegensatz zu Esmeraldas, wo das Wasser wohl öfters ausfällt, ganz gut. Trotzdem wird hier manchmal in ganzen Bezirken das Wasser abgestellt, wegen irgendwelcher Bauarbeiten. Als Ankündigung steht meist in der Zeitung, in welchen Bezirken und wann es gerade kein Wasser gibt. Da ich die aber nicht regelmässig lese, ist es immer eine böse Überraschung, wenn man wie heute verschwitzt von der Arbeit und dem Amt zurückkommt und dann auf dem Trockenen sitzt. Das passiert etwa 1-2 mal im Monat. Mal sehen, in Afrika werde ich mich bestimmt noch sehnen nach dem guten südamerikanischen Standard...
Donnerstag, 31. August 2006
Alter - Frischzellenkur - Filmstar II
Also der Filmstar-Artikel kam gut an, so viel Feedback habe ich selten bekommen. Dann muss ich wohl auch erzaehlen, ob ich meine Handy-Nummer der Latino-Schoenheit herausgegeben habe.
Ja, habe ich. Dazu muss ich sagen, dass ich ihr Alter noch nicht wusste und sie wie Anfang 20 wirkte. Ihr richtiges Alter habe ich erst nach den ersten SMSen herausbekommen. Sie studiert Tourismus, wie 60% aller Studenten, die ich hier kenne (ausser in meinem Haus, da studiert das keiner). Allerdings war der Austausch der Nummern gar nicht noetig: Am Samstag zwei Tage spaeter bin ich mit den anderen Voluntaeren in die Disko Mr. Sam gegangen. Auf dem Weg ruft es auf einmal "Hola Tim!" Ich brauch nicht zu erwaehnen, wer da zufaellig mit zwei Freundinnen stand. Zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit: Guayaquil hat 2-3 Millionen Einwohner und bestimmt 50-100 Diskotheken. Die drei waren von einem Freund versetzt worden, schlossen sich uns an und es wurde ein sehr netter Abend. Die Ausgeherlaubis der Minderjaehrigen endete um 1, wir Voluntaere blieben noch bis kurz nach 3. Als ich hinterher den anderen das Alter erzaehlte, waren die sprachlos, sie haetten sie auch fuer viel aelter gehalten (und die anderen Voluntaere hier sind alle um die 18/19).
Damit sind wir auch schon beim Thema: das Alter in Ecuador. Ein Freund hat frueher immer erzaehlt, das ideale Alter einer deutschen Frau muss 23 sein. Wer juenger ist, fuehlt sich geschmeichelt, wenn sie aelter geschaetzt wird. Wer aelter ist, fuer die gilt das Gegenteil. Hier ist das etwas anders. Die Dame oben links neben mir (oranges Top) musste ich am Donnerstag Abend schaetzen, eine undankbare Aufgabe, mann verliert dabei immer (typische lose-lose-Situation). Die 23-Regel im Kopf und schon etwas auf Lateinamerika heruntergerechnet sage ich also: 21.
Pustekuchen! Ich ernte einen entruesteten, fassungslosen Blick, ein Kopfschuetteln und den Ausschrei: 19! Fuer meine Begriffe war ich doch eigentlich sehr nah dran. Das ideale Alter muss hier also 19, vielleicht noch 20 sein, danach gehoert man zum alten Eisen. Ich habe das meinen Gastbruedern erzaehlt, nachdem sie in etwa verstanden hatten, was ich meinte, haben sie mir das bestaetigt. Auch die Kandidatinnen fuer die Miss Guayaquil, heute alle einzeln in der Tageszeitung "El Universo" vorgestellt, sind alle 19 oder 20, eine (wahrscheinlich chancenlos...) ist 24.
Filmstar II: Eine Schulklasse von vielleicht 15-jaehrigen Maedchen tuschelte neulich mal wieder ueber mich, und als wir dann ins Gespraech kamen, hoerte ich "Mister Venezuela" heraus. Ich wusste nicht, wen sie meinten, auf Nachfrage meinten sie wirklich mich. Sie wollten auch unbedingt, dass ich die Gruppe im Zoo begleite, was ich dann ja tun musste. Natuerlich habe ich hinterher im Internet recherchiert, wie Mister Venezuela denn aussieht. Keine grosse Aehnlichkeit, ausser vielleicht der Groesse und der hellen Hautfarbe...
Mister Venezuela Frischzellenkur: Ein angenehmer Nebeneffekt des unterschiedlichen Altersgefuehls ist, dass ich hier von allen viel juenger geschaetzt werde, auf Anfang 30 vielleicht. Eine Verwandte der Familie hier hat einmal scherzhaft gesagt, das liege am kalten Klima in Deutschland (oder umgekehrt ausgedrueckt: unter der Aequatorsonne altert man schneller). Und da ich die meiste Zeit mit sehr viel Juengeren zusammen bin, kommt es mir vor, als ob ich meine Jugend nachhole und/oder noch einmal erlebe. Dazu die total stressfreie suedamerikanische Einstellung: Wenn das keine Frischzellenkur ist!
Samstag, 26. August 2006
Leben wie ein Filmstar
1. Gestern gehe ich an dem Zoo-Imbiss vorbei, wo alle Besuchergruppen Pause machen. Eine der Guides stellt mich kurz ihrer Gruppe, etwa 10 jungen Studenten, vor: Esto es Tim de Alemania - Das ist Tim aus Deutschland. Schon geht es los von allen Seiten mit den üblichen Fragen: Wie lange bin ich hier, wie gefällt mir Ecuador, wie war die Fussball-WM, aber auch: wie alt bin ich, habe ich eine Freundin, wie gross bin ich (einen 2 Meter-Menschen hat hier noch keiner gesehen...), wie gefallen mir die Latino-Frauen. Ich beantworte alles brav in meinem besten Spanisch. Nach der Familienstandsfrage steht eine junge, schlanke Latino-Schönheit auf, verrät mir ihre Grösse (1,71, für hiesige Verhältnisse sehr gross) und fragt mich kurz vorm Weitergehen der Gruppe nach meiner Handynummer, man könnte ja mal Bowling-Spielen gehen in San Marino, einer grossen Mall hier. Das Mädchen ist 17, ich könnte gut ihr Vater sein, aber irgendwie fühle ich mich doch sehr geschmeichelt...
2. Freitag vormittag sind im Zoo immer besonders viele Schulklassen, also passe ich heute bei einem Absperrgitter auf, dass eine auf die Rückfahrt zur Schule wartende Klasse nicht zu viel Unfug treibt. Die Kinder sind im Grundschulalter. Auf einmal kriegen sie mit, dass ich Deutscher bin und ein paar Brocken Spanisch spreche und sofort drückt sich eine grosse Traube an das Gitter (Filmstargefühl...) und alle fragen gleichzeitig, wie es bei Kindern üblich ist: Como se dice profesore en aleman - Was heisst Lehrer auf deutsch? Wobei "Lehrer" bei jedem Kind durch ein anderes Wort im Satz ersetzt wird: Schlange, Affe, dick, schön, Blatt, Direktorin, Schwein, Ecuador, und "deutsch" auch manchmal durch "englisch" oder "italienisch", weil die Kinder so aufgeregt sind oder es bis zu ihnen noch nicht durchgedrungen ist, woher ich komme. Das Ganze geht ununterbrochen für ca. 15 Minuten. Die Lehrerin ist froh, dass die Klasse eine Weile beschäftigt ist und ich bin froh, dass die Schulklassen hier nur Freitag Vormittag so gehäuft auftreten, und nicht jeden Tag.
Aber das Leben als Filmstar hat auch seine Schattenseiten: Eine sehr schöne blonde Voluntärin fährt wieder vorzeitig zurück, unter anderem, weil sie überall auf der Strasse, im Bus usw. nur noch von Männern angesprochen wird, die sich nicht unbedingt für ihre geistigen Fähigkeiten interessieren.
Meist wird so eine Anmache als typisch latinischer Machismo abgetan. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass in den meisten Fällen die Anmache nicht im Vordergrund steht, sondern a) das ehrliche Interesse der Ecuadorianer an fremden Kulturen und b) die offene Art der Latinos, schnell und ohne Umschweife mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Und das nach meiner Erfahrung noch mehr an der tropischen Küste Ecuadors als in der schroffen Sierra. Hier gibt es auf Partys keine peinlichen Schweigepausen, und im Bus sitzt man bei Salsamusik mit wildfremden Menschen in engem Körperkontakt zusammen, die einen fragen, ob sie einen Teil der Zeitung lesen dürfen. Ausser Religion (und selbst da hatte ich schon interessante Diskussionen...) gibt es keine Tabuthemen oder -fragen, man spricht hier offen über sein Alter, Einkommen, Familienstand (manchmal wird hier auch etwas geprahlt: "Ich habe 4 Frauen"), Vorlieben, und alles gleich beim ersten Gespräch. Man reicht (z.B. in der Disko) die Bierflasche herum, aus der alle gemeinsam nacheinander trinken, das gleiche passiert mit Colabechern in der Arbeitspause und zuhause ist sowieso alles Gemeineigentum: das Bett wird von anderen als Sofa oder zum Bügeln benutzt (wobei das Laken schon mal angesengt wird) und im Badezimmer wird alles, was herumsteht von allen benutzt (ich hoffe, ausser den Zahnbürsten und den Handtüchern...).

