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Donnerstag, 8. August 2024

Die Tesla-Verfolgungsfahrt

Seit drei Wochen haben wir einen Tesla aus Grünheide, Brandenburg. Es gab mehrere Gründe, die für den Tesla sprachen:

  1. Ich stoße im Tesla Model Y (und nur in dem, in allen anderen schon) nicht mit dem Kopf an die Decke. Dieses für mich wichtige Kriterium erfüllen nur ganz wenige Autos,, u.a. der VW Touran, den wir vorher hatten.
  2. Tesla ist keine Betrügerfirma wie VW. Der Betrugsskandal hat mein Vertrauen in VW immer noch erschüttert. Was aber nicht heißt, dass Elon Musk nicht auch ein bisschen irre ist, aber meiner Meinung nach trotzdem kein Betrüger.
  3. Das Auto wurde in Brandenburg produziert, keine Stunde von Teltow entfernt.
  4. Seit wir im letzten Jahr Solarzellen auf unserem Dach installiert haben, produzieren wir im Sommer Strom ohne Ende.
  5. Der letzte TÜV vom 13 Jahre alten VW hat uns über 2.500 € gekostet, soviel Reparaturen waren notwendig.
  6. Tesla verdirbt sich im Moment massiv die eigenen Preise. Die gesenkten Preise und die zusätzliche Tesla-Umweltprämie von 6.000 € machen das SUV-Model-Y jetzt sogar etwas günstiger wie das eigentliche Einstiegs-Model-3 und ca. 5.000 € günstiger wie das vergleichbare (aber meiner Meinung nach viel häßlichere) Modell Ioniq 5 von Hyundai. Unter anderen sind Hertz und Sixt nun sauer, denn mit der Preisschlacht sinken auch die Wiederverkaufswerte von Tesla-Mietwagen massiv, purer Verlust für die Mietwagenfirmen.

Unser kirschroter Tesla aus Grünheide

Nach dieser langen Einleitung möchte ich Euch von der Rückfahrt von einem Ausflug gestern berichten. Ich habe gerade noch Urlaub, den wir zuhause in Brandenburg verbringen, und gestern haben wir uns mal den Müggelsee und Friedrichshagen in Berlin angeschaut. Zurück nach Teltow geht es über die Nuthe-Schnellstraße südlich von Berlin. Dort kann man streckenweise 120 fahren und so habe ich gerade ein paar Autos auf der Überholspur überholt, als hinter mir ein Auto ziemlich dicht auffährt. Wahrscheinlich bin ich ihm trotz Tesla zu langsam, dachte ich mir und fahre bald wieder nach rechts rüber, um ihn vorbei zu lassen. Allerdings wurde die Geschwindigkeit auch schon auf 70 reduziert und der Abzweig Teltow kommt gleich. Der Wagen überholt nicht und ordnet sich ebenfalls hinter mir ein. Na gut. Ich biege also ab nach Teltow, er weiter hinter mir. Nach Teltow-Seehof geht es dann rechts weiter über Sigridshorst, eine ewig lange Tempo-30-Straße, die sich nur Seehofer antun, weil es halt etwas kürzer ist. Ich biege ab, das Auto bleibt hinter mir. Ich überlege, ob ich irgendwo auf der Strecke den Fahrer provoziert haben könnte, vielleicht habe ich ihm zu lange die Überholspur gesperrt und er will das jetzt mit mir klären, in dem er uns verfolgt. Der Fahrer hat kurze Haare und Dreitagebart, schaut schon ein bisschen grimmig. Durch ganz Seehof bleibt er hinter uns. Wir biegen in unsere Straße ab, jetzt müssten wir ihn loswerden, hier biegt außer uns sonst keiner ab. Er biegt auch ab. Langsam kriege ich ein bisschen Panik. Was will er von uns? Kurze Zeit später sind wir am Ziel, er wartet hinter uns, während wir in die Einfahrt abbiegen, dann fährt er weiter. Silvia schaut sich noch das Kennzeichen an, merkt sich die Buchstaben DLU.

Abends google ich DLU. Das ist kein deutsches Kennzeichen, sondern ein polnisches, Lubin, eine Stadt von Berlin aus gesehen kurz vor Breslau. Die Panik kommt wieder hoch. Warum verfolgt mich ein Pole bis zu meiner Haustür? Ist das eine Einbruchsbande, die denkt, Tesla-Fahrer haben bestimmt auch gute Einbruchsware zu Hause? Wird mein Tesla noch diese Nacht in den Ostblock verschoben? Am nächsten Morgen erzählen wir Melly von dem Ereignis, sie war am Vortag nicht mit dabei. Oh Gott, sagt sie, wie konntet ihr nach Hause fahren, wenn ihr verfolgt werdet, da wissen sie doch gleich, wo wir wohnen? Hättet ihr sie nicht in einem der Teltower Kreisverkehre abhängen können? Einfach mal eine Runde mehr fahren und schauen, ob er immer noch hinter euch ist? Oder eine wilde Rallye durch Teltow anfangen? Ja, sage ich, hinterher ist man immer schlauer, man hätte auch direkt zur Polizei auf den Parkplatz fahren können und mal sehen, ob er dann noch neben einem steht. Aber haben wir halt nicht gemacht. Und nun?

Es hilft nichts, wir müssen zur Polizei, sage ich. Vielleicht kennen die diese Masche schon und wissen genau, was nun zu tun ist. Ich hab ja noch Urlaub und eh nichts zu tun, ich fahr dann mal los, bis später! Auf dem Weg zur Polizei fahre ich die restlichen beiden Straßen lang, in denen noch jemand nach Hause hätte fahren können und meinen Weg von gestern genommen hätte. Plötzlich sehe ich rechts einen Lieferwagen mit polnischem Kennzeichen DLU vor einem Haus parken. Ich muss über mich selber lachen, drehe um und fahre wieder nach Hause.

Freitag, 5. Februar 2021

Alltag im Lockdown II

Das Zeitalter der Aufklärung

Angela Merkel ist Physikerin und damit Naturwissenschaftlerin. Unter den Präsidenten und Premierministern der G8-Staaten ist sie damit alleine, die anderen sind alle Geisteswissenschaftler: Jura (4x), Philosophie und Politik (Macron), Literatur (Trudeau) oder Klassisches Altertum (Johnson). 

Die Naturwissenschaften prägen unser Weltbild seit dem Ende des Mittelalters, eine bedeutende Rolle nahm im 16. und 17. Jahrhundert Galileo Galilei ein, der beobachtete und Experimente durchführte, diese mathematisch auswertete und die daraus gewonnenen Ergebnisse über theologisch oder philosophisch begründete Aussagen stellte. So entwarf er sein Weltbild mit der Sonne im Mittelpunkt aus den Sternbeobachtungen und war damit im Widerspruch zur Kirche, die die Erde in den Mittelpunkt stellte. Das Ende kennt jeder: die Kirche machte ihm den Prozess, er musste widerrufen, behielt aber Recht und wurde 350 Jahre nach seinem Tod 1992 von Papst Johannes Paul II rehabilitiert.

Mein letzter Friseurbesuch war im Oktober, Vergleich mit heute...

Ich bin selber Physiker und natürlich von dieser Geschichte begeistert. Es setzte das Zeitalter der Aufklärung ein und die Naturwissenschaften konnten nicht alles, aber doch immer mehr Phänomene erklären. 

Über Angela Merkel kann man denken, was man will, ihr naturwissenschaftlicher, pragmatischer Ansatz hat ihr über alle Parteigrenzen und -ideologien hinweg Sympathien gebracht. In Umfragen finden 84% der Befragten ihre Arbeit eher gut als schlecht und im Vergleich hat sie meist die beste Note für deutsche Spitzenpolitiker. Sie hat die Atomkraftwerke abgeschaltet, die Ehe für alle ermöglicht und als kein passender CDU-Kandidat in Sicht war, auch Gauck und Steinmeier als Bundespräsidenten unterstützt. Bei den beiden größten Herausforderungen Klimakatastrophe und Massensterben der Arten ist sie allerdings zu spät dran oder untätig geblieben.

Verlockung im Lockdown

Was mir derzeit beim Lockdown Sorge bereitet, ist die Abwendung von immer mehr Menschen weg vom naturwissenschaftlichen Ansatz und hinein in ein Paralleluniversum von "alternativen Fakten" und Verschwörungstheorien. Ein in keinster Weise belegter Wahlbetrug wird ja z.B. nicht dadurch wahr, dass man das immer wieder wiederholt, bis einem die Kommunikationskanäle abgedreht werden. Sondern nur durch Fakten und Beweise, die es offenbar nicht gab. Dass diese Lügen einen Mob aufhetzen, der schließlich das Parlament erstürmt, ist unfassbar, ebenso, dass die Chancen für eine Bestrafung dieser Tat eher schlecht stehen.

Als beim ersten Lockdown Christian Drosten die Politik beraten hat, fand ich das gut. Dass er nicht unfehlbar ist und seine Meinung mehrfach gewechselt hat, ist auch einleuchtend, denn es gab ja noch wenig Erkenntnisse zur Virusausbreitung. Im zweiten Lockdown hat sich eine ganze Gruppe von Wissenschaftlern gebildet und das Konzept NoCovid der Ministerpräsidentenkonferenz vorgeschlagen. Ich würde mir wünschen, dass auch bei der Klimakatastrophe die Wissenschaftler angehört werden.

Pflegeheime


Corona-Tote in Deutschland nach Alter, die Zahlen sprechen leider für sich

Der Umgang mit den alten Menschen im Lockdown ist im wahrsten Sinne des Wortes unerhört. Die Toten sind fast ausschließlich Alte (siehe Grafik oben), und es passiert einfach zu wenig. Im ersten Lockdown war es gar nicht möglich, ein Pflegeheim zu betreten, man konnte nur fensterln. Zum Glück hat mein Vater ein Zimmer im Erdgeschoss, wo man das problemlos durch die Balkontür tun konnte. Beim zweiten Lockdown waren ja dann die Schnelltests verfügbar, wurden aber nicht konsequent eingesetzt und angeboten. Erst eine Woche vor Weihnachten konnte ich meinen Vater nur noch mit Schnelltest besuchen, der auch zum Glück vor Ort im Pflegeheim durchgeführt wird. Bei anderen Pflegeheimen muss man sich den Test (kostenpflichtig) in der nächsten Apotheke besorgen oder auf regionale Angebote setzen wie in Berlin. Mein Vater ist schon zweimal geimpft, Losglück.

Mein Vater

Föderalismus

Deutschland ist ein Bundesstaat aus 16 Bundesländern. Das ist wohl selten so aufgefallen wie beim Lockdown. Man fühlt sich in die Kleinstaatlichkeit des 19. Jahrhunderts zurückversetzt, als in jedem deutschen Fürstentum andere Gesetze galten. Im Speckgürtel von Berlin muss man da ständig die Corona-Verordnungen von Berlin und von Brandenburg studieren und deren Unterschiede kennen, wenn man in Berlin arbeitet, dort ein Pflegeheim besucht oder die Tochter die Ballettschule besucht, sie aber in Brandenburg zur Schule geht, man in beiden Bundesländern Freunde trifft (in Berlin zählen aktuell Kinder bis 12 Jahre, aber nur bei bei Alleinerziehenden, nicht zur Kontaktbeschränkung, in Brandenburg Kinder unter 14 Jahren generell, ein Kindergeburtstag ist hier also möglich), joggen (war in Berlin über Weihnachten nachts möglich, in Brandenburg nicht, naja eher theoretisch zu sehen) oder spazieren gehen will, draußen einen Glühwein trinken möchte (was in Berlin möglich war, in Brandenburg nicht) oder zu Silvester wenigstens Wunderkerzen kaufen möchte (war in Brandenburg möglich, in Berlin nicht). 

Potsdam im Lockdown, darf ich da mit dem Fahrrad gerade hinfahren?

Manche sagen, die Corona-Regeln würden am Parlament vorbei im Hinterzimmer der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), einem inoffiziellen Organ, entschieden. Das kann man so nicht sagen, sie werden in 16 Landesparlamenten entschieden und die regionalen Besonderheiten dabei berücksichtigt. Damit es nicht zu sehr ausufert, ist die Vorabstimmung in der MPK sinnvoll. 

Mittwoch, 3. Februar 2021

Alltag im Lockdown I

Heute fragt mich ein Freund über Messenger, wie es mir persönlich geht und wie ich vom Lockdown beeinträchtigt bin. Eine einfache Frage, die man gar nicht so schnell beantworten kann. Warum also nicht in dieser Ausnahmesituation ein Blog schreiben, wie ich es in Ecuador immer getan habe?

Hobbys

Was soll man machen, wenn man sein Zuhause nur mit triftigem Grund verlassen darf? Ich habe Hobbys wieder aufleben lassen, die ich schon fast vergessen hatte. Dazu gehören Zauberwürfel und Klavierspielen. Beim Klavierspielen hatte ich mich ja früher schon auf Elton-John-Stücke spezialisiert, da gibt es jede Menge von und mir wird nicht langweilig. Hier ein paar der Liederbücher:

Elton John Songbooks

Und dann kam Melly kurz vor Ostern mit meinem alten Zauberwürfel (Original von 1980 mit abgenutzten Aufklebern) aus der Schule zurück und wollte ihn erklärt haben. In ihrer Klasse war der gerade in Mode unter einigen Schülern. Die ersten beiden Ebenen konnte Melly schon und ich zeigte ihr, wie man die letzte Ebene löst. Nach ca.35 Jahren Pause fiel mir doch noch einiges ein. Zu Ostern gab es dann den 2x2, 4x4 und 6x6 "für uns beide" geschenkt, im Oktober und zu Weihnachten noch den 9x9 und ein paar Varianten (s. Bilder). Dann erinnerte ich mich an einen Tweet von einem Freund, der kurz vor Weihnachten 2019 eine neue Schnelllösemethode für den 3x3 gemeinsam lernen wollte und ich tauschte mich mit ihm aus. Im Schnelllösen wurde ich schnell von Melly abgehängt, sie löst den Würfel in 1 Minute, mein Freund in unter 30 Sekunden (und das mit gebrochenem Finger!), während ich 2:30 Minuten benötige. Also habe ich mich auf Muster drehen spezialisiert. Nach den ersten Instagram- und Facebook-Posts von den Ergebnissen habe ich gemerkt, dass das normale Publikum davon schnell ermüdet, während ich über Hashtags ein auf Würfelmuster spezialisiertes, internationales Publikum zusammengesucht habe und dafür einen eigenen Instagram-Account eröffnet habe. Hier ein paar Ergebnisse:

Mastermorphix, wechselt die Form

9x9 Würfel

Gigaminx, (Pentagon-)Dodekaeder mit 12 Seiten

Pyramide 4x4

Square1, ein auch ein Zauberwürfel, der die Form verändert

Je größer die Würfel werden, desto unübersichtlicher. Das Lösungsprinzip unterscheidet sich aber nicht sehr, im Prinzip kann man alle Würfel mit einer einzigen Methode lösen. Diese Methode ist mir in den Achtzigern einmal in einer Erleuchtung eingefallen. Es gab ja damals kein Internet wie heute, wo man sich die Lösung eines beliebigen Würfels googeln konnte. Legendär ist damals die Spiegellösung gewesen, so legendär, dass sie jemand nachträglich ein paar Jahrzehnte später hier beim Spiegel hochgeladen hat. Aber für die anderen Würfel (damals gab es u.a. die 3x3 Pyramide und den 4x4 und 5x5 Würfel) war man auf sich selbst angewiesen. Diese Lösungsmethode ist natürlich nicht nur mir alleine eingefallen, jemand anders hat sie hier recht anschaulich auf Englisch dargestellt. Im Wesentlichen beruht sie darauf, dass man zwei Steine in einer Ebene vertauscht (oder verdreht) ohne auf die restlichen Ebenen achten zu müssen, sich die Züge dabei merkt und danach nach einem Zwischenzug die Zugreihenfolge rückwärts wiederholt, die restlichen Ebenen stellen sich durch das Rückwärts wieder auf die Position vor der Zugreihenfolge zurück. Das trainiert das Gedächtnis (man muss sich was merken) und die Konzentration (bei großen Würfeln die Übersicht zu behalten, welche zwei Steine man gerade vertauscht und nicht in der Spalte oder Reihe durcheinander zu kommen). Die Krönung der Gedächtnisleistung wird übrigens erbracht, wenn gerade mitten im Zug der Paketbote klingelt. Auf den chinesischen Webseiten wird immer damit geworben, dass Zauberwürfel Alzheimer vorbeugen, ich glaube das gerne. Den 9x9 habe ich übrigens direkt in China bestellt während der Lieferschwierigkeiten durch die Lockdowns dort und hier. Nachdem ich das Geld schon abgeschrieben hatte und der Status der Trackingnummer nach zwei Monaten vom Radar verschwand, kam das Päckchen nach 2½ Monaten doch an, die Freude war groß. Angeblich hat der Würfel den größten Teil der Zeit beim Zoll am Frankfurter Flughafen verbracht, ob das wirklich stimmt werde ich nie erfahren.

Sport

Spaziergang von Teltow nach Heinersdorf

Eine besondere Form von Hobby ist natürlich der Sport, der durch mangelnde Bewegung im Homeoffice während des Lockdowns umso wichtiger wurde. Ich habe einfach mit meinem Triathlontraining weiter gemacht, obwohl 2020 beide gebuchten Triathlons (Krumme Lanke und Wannsee) auf 2021 verschoben wurden (und ich nicht sicher bin, ob es dabei bleibt). Auch der Firmenlauf mit Einlauf im Olympiastadion ist ausgefallen. Bei der Bahn gab es stattdessen eine Online-Lauf-Challenge über 5km, wo man den Screenshot seiner Lauf-App hochladen konnte und dann dafür wie jedes Jahr das Bahn-Laufshirt bekommen hat. Laufen und Radfahren ist ja zum Glück immer möglich (außer in der einen Winterwoche in Teltow mit Schnee und Temperaturen unter 0°C), das Schwimmen war dagegen (außer im See) oft eingeschränkt. Ich habe das Gefühl, dass mehr Menschen während des Lockdowns Sport und auch Spaziergänge machen. Der Körper dankt und braucht es und es entspannt die Situationen, wo durch Homeoffice und Homeschooling alle in der Familie am gleichen Fleck hocken. Mit Silvia gehe ich zeitweise jeden Abend spazieren.

Laufen über Feldwege um Teltow herum

Homeoffice, Homeschooling

In den vergangenen 11 Monaten war ich zweimal im Büro, einmal um Post abzuholen (die sich als Werbegeschenk entpuppte) und einmal, um die beim ersten Mal im Büro vergessene Webcam wieder abzuholen. Bei IBM hatten wir das Homeoffice schon vor 20 Jahren (das ist so lange, dass IBM vor Corona schon das Homeoffice wieder einschränken wollte, um seinem Ruf, der Zeit um mindestens zehn Jahre voraus zu sein, gerecht zu werden), bei der DB Systel wurde es vor sechs Jahren eingeführt. Ich genoss die Vorzüge (Arzt-, Handwerker- und Balletttermine) aber auch die 1-2 Tage pro Woche, die ich im Büro oder auf Dienstreisen verbrachte. Die eine Stunde Fahrt zur Arbeit empfand ich ebenfalls als Erholung (wenn sie nicht auf einer Dienstreise zwischen 5:00 und 6:00 morgens lag...), entweder mit Bewegung auf dem E-Bike (und dabei sehr Corona-konform) oder lesend in der S-Bahn. Dass diese "Wandertage" seit einem Jahr völlig weggefallen sind, ist mehr als schade. 

Früher hatte ich im Homeoffice unbewusst ein schlechtes Gewissen (weil ein Großteil der Büroarbeiter in Deutschland halt im Büro und nicht zu Hause arbeitet) und habe Webcams nicht gemocht, weil ich mit T-Shirt statt Hemd vor der privaten Schrankwand arbeite. Seit Corona ist das das neue Normal, jetzt gibt es neue Funktionen, die die private Schrankwand durch ein beliebiges Hintergrundbild ersetzen, keiner hat ein Hemd an, und manchmal (wenn auch selten) kommt es vor, dass ein Kollege die Hintergrundbildfunktion nicht kennt und seine Frau im Hintergrund die Wäsche aufhängt, weil sie die eingeschaltete Kamera nicht bemerkt. Durch das gleichzeitige Homeschooling kommen noch fragende Kinder dazwischen oder laute Druckergeräusche für Mellys neue Arbeitsblätter. 

Virtuelle Weihnachtsfeier der Jungs als Teams-Konferenz

Das Homeschooling ist für die Schulen gefühlt ein Quantensprung. Beim ersten Lockdown war das Hauptmedium noch E-Mail (natürlich die Adresse der Eltern) und der besagte Drucker zum Ausdrucken von Arbeitsblättern. Eine Schulcloud war erst im Aufbau (und jedes Bundesland hat da meines Wissens seine eigene Lösung), und einmal wurde eine Zoom-Konferenz angeboten. Die Deutsch-Lehrerin hat auch einmal ein Video selbst gedreht zu Satzteilen, das Weiterleiten und Aufrufen des Videos war nicht ganz einfach. Jetzt beim zweiten Lockdown ist die Schulcloud inkl. Konferenzsystem gesetzt, Zoom wegen Datenrechtsfragen an der Schule nicht mehr zugelassen und die Arbeitsblätter müssen nicht mehr zu Hause ausgedruckt, sondern können einmal wöchentlich in der Schule draußen auf dem Hof (oder durch ein Fenster) abgeholt werden. Die Konferenzen finden nun fast täglich statt und nicht mehr nur einmal in mehreren Wochen. Das hat aber auch zur Folge, dass Melly und Silvia, die denselben PC benutzen (Silvia zum Lernen im Home-Studium), sich gut abstimmen müssen. Aber zum Glück haben wir ein Haus mit drei Schreibtischen in drei getrennten Zimmern (wovon keines die Küche, das Ess- oder das Wohnzimmer ist). 

Mittwoch, 24. Juli 2019

Alltag in Ecuador 2

Banken, Geldtransfer
Die Affen von Misahualli laufen nicht mehr auf dem Dorfplatz herum, aber im Wald sieht man sie noch auf den Bäumen
Es war nicht einfach, den Galápagos-Urlaub hier in Ecuador zu bezahlen. Gebucht hatten wir in einem Reisebüro in Ambato, das von außen durch ein verriegeltes Tor wie ein Privathaus wirkte, beim ersten Besuch war auch keiner da. Beim zweiten Mal hat es dann geklappt, die Reise war gebucht. Bezahlung war nur bar (beim Reisebüro oder Bareinzahlung bei der Hausbank) oder per Überweisung von einem inländischen Konto möglich, Kreditkarten wurden nicht akzeptiert. 600 $ waren am gleichen Tag als Anzahlung fällig, der Restbetrag fünf Tage später. Am Geldautomaten der Hausbank würde die Maestro-Karte nicht akzeptiert und das tägliche Limit für Kreditkarten Abhebungen liegt in Ecuador anscheinend bei 200 $, das wird einem aber nicht angezeigt, das kann man nur mit Trial and Error erforschen. Also zur nächsten Bank, die Maestro akzeptiert, da ist das Limit immerhin bei 500$ pro Tag. Dann mit vollen Taschen wieder zur Hausbank, Einzahlbeleg ausfüllen (ich habe nur zwei Formulare gesehen: Bareinzahlung und Barauszahlung, Überweisungen sind hier offenbar weiterhin die Ausnahme), an der Schlange von ca. 20 Leuten anstellen und nach zwanzig Minuten war die Anzahlung erledigt. Achso, per WhatsApp noch kurz das Reisebüro informieren und den Eingang bestätigen lassen. Für die Restzahlung mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen, wir konnten schließlich nicht jeden Tag 30 Minuten nach Baños fahren, um Teilbeträge abzuheben und einzuzahlen. Also probierten wir Western Union online, einen Transfer vom eigenen Kontobach hier an Silvias Bruder oder Schwester. Hier ist für Transfers über 1.000 $ jedoch eine Online-Videochat-Zertifizierung notwendig. Der Chat baute sich immer auf, aber fror dann nach einigen Minuten wieder ein wegen der langsamen Verbindung hier. Er konnte nie zu Ende geführt werden. Als letzte Rettung half uns Silvias Schwester auf Lanzarote aus, sie schickte uns das Geld über Western Union, wir fuhren zwei Tage später nochmal  nach Ambato, Silvias Bruder hob das Geld ab und wir konnten nun erleichtert die Einzahlung in der Hausbank tätigen. Hier gibt es für alles eine Lösung!
Strand von Misahualli, Napo
Metro in Quito
Anflug auf Quito
Quito liegt zwischen zwei Anden-Bergzügen und kann sich deshalb nur in Nord-Süd-Richtung ausdehnen. So ist Quito 45km lang und nur maximal 5km breit. Der Verkehr wird über Busse und Autos abgewickelt und ist dementsprechend stets überlastet. Die beiden bisherigen Programme dagegen, Trolebus (Schnellbusse mit eigenen Fahrspuren und straßenbahnähnlichen Haltestellen, eingeführt 1995) und Pico y Placa (von der letzten Ziffer des Nummernschilds abhängiges Fahrverbot zu Stoßzeiten für einen bestimmten Werktag, eingeführt 2011) konnten wenig ändern, eine Trolefahrt vom Süden in den Norden dauert im Berufsverkehr 1,5 Stunden. Das soll sich ab Dezember 2019 (andere Quellen sprechen von März 2020) ändern, wenn die Metro von Quito eröffnet wird. Dann wird die Strecke mit 15 Stationen in 35 Minuten passierbar sein. 18 Züge mit je sechs Wagen sind dafür in Spanien bestellt worden, mindestens drei sind schon ausgeliefert worden.
Wassertaxis (gelb) auf Galápagos, Schiffe dürfen nicht direkt am Steg an!egen.
Freilaufende Hunde

Man sieht hier auf dem Land öfters freilaufende Hunde, was auch daran liegt, dass es wenig Zäune gibt. So ist der Nachbarhund manchmal in unserem Garten und die Autofahrer müssen immer achtsam sein. Einmal müsste ich beim morgendlichen Joggen meine erste Runde vorzeitig beenden, da zwei heftig bellende Hunde den Weg versperrten. Zum Glück waren sie nach der zweiten Runde nicht mehr da, ich wäre sonst gefangen gewesen.
Fritada (Schweinepfanne) und weiße Maiskolben

Donnerstag, 18. Juli 2019

Alltag in Ecuador

WhatsApp, Mobiles Internet

Bei meinem ersten Besuch 2006, das Smartphone wurde gerade erst erfunden, waren Blackberry-Handys hier am beliebtesten, wegen der Tastatur zum SMS Schreiben. Inzwischen gibt es hier einen WhatsApp-Boom. Taxifahrer chatten während einer Ampelpause, unser Hotel in Quito haben wir per WhatsApp gebucht, im Reisebüro wurden uns alle Vertragsunterlagen per WhatsApp zugeschickt, und auf der Taxifahrt zum Flughafen hat die Taxifahrerin uns gleich als Kontakt für die Rückfahrt mit Stammkundenrabatt aufgenommen ("Internationale Handyummer? Mit WhatsApp doch gar kein Problem..."). Mobiles Internet, vor ein paar Jahren hier noch unbezahlbar und ein Exot, kann man hier bei aufgeladenen Guthaben mit ein paar Eingaben in wenigen Sekunden tageweise dazubuchen. Auf unserer geliehenen SIM-Karte von Claro kostet eine Flatrate für Anrufe und SMS (die ja keiner mehr nutzt...) inkl. 1 GB Datenvolumen und WhatsApp unbegrenzt 3$ für drei Tage.
Halsenback, Abdichtband aus Deutschland wird hier gerne für Wasserhähne verwendet.
Richard Carapaz

Ecuador hat mit dem Radrennfahrer Richard Carapaz einen neuen Nationalhelden, nachdem dieser dieses Jahr als erster Ecuadorianer das Giro d'Italia gewonnen hat. Aufgewachsen in einem kleinen Andenbergdorf nahe Kolumbien in 2.900 m Höhe ist er nun Spezialist für Bergstrecken. Sein Bild wirbt für Movistar, den zweitgrößten Mobilfunkanbieter (nach Claro) in Ecuador. Silvias Onkel Daniel erzählt mir, dass er alle Etappen vom Giro d'Italia und nun von der Tour der France im Fernsehen verfolgt. Nur bei Marathon, dem Adidas Ecuadors, ist man darauf noch nicht eingestellt, Fahrradtrikots gibt es da noch nicht zu kaufen.
Richard Carapaz beim Giro d'Italia
Smalltalk

Wenn Silvias Tanten Mercedes (Miche) und Rosa zu Besuch kommen, ist für mich immer Smalltalk mit Onkel Don Daniel angesagt. Als ehemaliger Lehrer ist er einer der wenigen Ecuadorianer, die auch an internationalen Themen interessiert sind. So haben wir uns über Gelbwesten, Fridays for Future, Brexit und die nordirische Grenze, Radrennen, die Neue Seidenstraße Chinas und die Lage in Venezuela unterhalten. Auch wollte er wissen, was sich für mich seit dem letzten Besuch in Ecuador vor zwei Jahren verändert habe. Ich antwortete, dass es nun auch Pizza im Bus gäbe und im Zentrum von Puyo die oberirdischen Kabel jetzt unterirdisch verlegt würden.
Besuch der Tanten (3. Und 4. von links) in San Francisco, Don Daniel 6. von links
Die ecuadorianische Lösung für das Problem der in der Mitte ausgefranzten Kuchenstücke: das runde Mittelstück 
Venezulaner

Zur Zeit kommen viele venezulanische Flüchtlinge nach Ecuador. Viele reisten noch weiter nach Peru, das seit dem 15. Juni alle Venezulaner nur noch mit Reisepass und humanitären Visum (erhältlich in den peruanischen Konsulaten in Venezuela, Kolumbien und Ecuador) einreisen lässt. Flüchtlingsorganisationen organisierten dafür Bustransfers von der kolumbianisch-ecuadorianischen Grenze zur ecuadorianisch-peruanischen Grenze. Seit der peruanischen Entscheidung ist der Flüchtlingsstrom in Ecuador von 1.500 täglich auf über 4.000 angestiegen. Vorher hatte Peru zwei Jahre lang großzügig ca. 800.000 Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen an Migranten ausgegeben. Nach Schätzungen sind seit 2015 vier Millionen Venezulaner geflüchtet, 15% der Bevölkerung, 1,5 Millionen davon nach/über Ecuador, 300.000 leben in Ecuador. Im Januar 2019 kam es zu landesweiten Protesten gegen Venezolaner, nachdem eine junge, schwangere Ecuadorianerin von ihrem venezolanischen Freund erstochen wurde. Präsident Lenin Moreno führte daraufhin eine neue Spezialgrenzbrigade ein und fordert nun polizeiliche Führungszeugnisse für alle Einwanderer. In Quito haben wir Venezolaner im Busbahnhof gesehen, die Taxifahrerin erzählte, dass sie dort bis fünf Uhr morgens zum Schlafen geduldet werden.

"Wir schaffen das!", Chemnitz und bayerische Grenzpolizei: gibt es alles ähnlich in Peru und Ecuador.

Freitag, 25. August 2017

Alltag in Ecuador 2

Unser Urlaub neigt sich dem Ende zu, am Samstag geht es über San Francisco - Quito - Panama - Frankfurt - Berlin wieder zurück nach Teltow. Zeit, ein letztes Mal über den Alltag zu berichten.
Franciscos Geburtstagstorte

Geburtstag
Francisco hatte heute Geburtstag. Angestoßen wird hier mit champán (Sekt, es gibt in Baños nur die gängigste Marke Grand Duval), der mit Champagner sehr wenig gemein hat und übersüß schmeckt. Dazu wird ein Löffelbiskuit gereicht. Der Kuchen wird anschließend mit schwarzem Tee, nicht mit Kaffee gegessen.
Pilsener, Hauptsponsor vieler Fußballmannschaften, hier Emelec

Bier
Bier kauft man hier nicht am einfachsten im Supermarkt,  sondern im Tante-Emma-Laden gegenüber. In unserem Fall ist das bei Rosita. Rosita hat immer mindestens 15 Bierflaschen im Kühlschrank, 0,5l Pilsener für 1,50$, im Supermarkt kosten die mit 1,35$ warm nur unbedeutend weniger. Da Rosita immer auf hat, kann man just in time kaufen und bei Bedarf später noch nachkaufen. Ein super Service!
Natürlich gab es auch diesmal wieder Humitas: gemahlener Maisbrei mit Käse in Maisblättern gekocht

Müllabfuhr
Silvias Eltern haben jetzt auch eine Müllabfuhr, die mittwochs und samstags vorbei kommt. Früher wurde viel im Garten verbrannt oder verbuddelt, das ist nun nicht mehr nötig. In Puyo kommt die Müllabfuhr sogar jeden Tag vorbei.
Starkregen hinter dem Abzweig zum Wasserkraftwerk

Postadresse
Auch Post kommt nun in San Francisco an, Rubén hat es ausprobiert und sich zum Test selbst einen Brief geschickt. Anschrift: San Francisco, Kanton Baños de Agua Santa, Straße nach Puyo hinter dem Abzweig zum Wasserkraftwerk. Hausnummern gibt es hier auf dem Land weiterhin nicht.
Ecuador first: "Kauft ecuadorianische Produkte", gesehen im Mega-Supermarkt von Ambato

Politik
Ecuador wurde zehn Jahre lang von Raffael Correa regiert, einem sozialdemokratisch populistischen Politiker, der dem Land Stabilität gegeben hat. Seine sieben Vorgänger seit 1996 sind alle nur zwischen 0,5 und 3 Jahren im Amt gewesen und durch Amtsenthebung wegen "geistiger Unfähigkeit, das Amt auszuführen" (Klasse, endlich eine Lösung für die USA...), Putsch, vorgezogene Neuwahlen oder Absetzung abgelöst worden oder waren selber nur Teil einer Übergangsregierung. Die Meinungen über Correa gehen trotzdem stark auseinander, neben vielem Guten (Ausbau der Straßen, Bildung) hat er auch die Pressefreiheit stark eingeschränkt und die Importsteuern erhöht (analog Trumps Idee "America first"). Nach zwei Amtsperioden trat er nicht mehr an, sein Nachfolger Lenín Moreno gewann die Wahl in diesem Jahr. Unser Taxifahrer aus Baños ist überzeugt, dass die Wahlen gefälscht wurden und Ecuador nun vor einem Scherbenhaufen steht, da die korrupten Politiker dem Volk das Kapital geraubt hätten.
Eingang zum Friedhof Puyo, hinten sieht man die oberste Reihen von Schiebegräbern. Spruch über dem Eingang: "Hier endet der Stolz und beginnt die Gleichheit"

Friedhöfe
Wir haben diesmal zwei Friedhöfe in Mera und Puyo besucht, wo eine Cousine und eine Tante von Silvia beerdigt sind. Beide sind wie hier üblich oberirdisch in Schiebegräbern begraben, die Gräber ähneln einer Schließfachanlage aus Stein. Das "Schließfach", in dem der Sarg steht, hat vorne eine Wand und eine individuell gestaltbare Nische: Grabstein, Foto oder die Wand nur mit Farbe beschrieben, davor Blumen, optional eine Scheibe und/oder ein schmiedeeisernes Gitter. Das Grab von Silvias Cousine ist in der obersten Etage, wo man nur mit Leiter oder einem Tritt herankommt. Eine Erklärung, warum in Lateinamerika hauptsächlich Schiebegräber benutzt werden, habe ich nicht gefunden. Es gibt Mythen wie sumpfige oder felsige Untergründe (trifft hier nicht unbedingt zu), Platzersparnis (das ist ein Argument) oder halt einfach Tradition. Verwesungsgeruch ist nicht zu bemerken, die Gräber sind also gut abgedichtet.
Don Daniel (links), hier mit Francisco und Don Edmundo, genießt seit drei Jahren seine Rente mit 60.

Rente
In Ecuador geht man mit 60 in die Rente, wenn man vorher mindestens 30 Jahre gearbeitet hat, ein Traum! Das hat uns Onkel Daniel erzählt, er und seine Frau waren Lehrer und sind seit drei Jahren Rentner. Bis 2035 wird das Renteneintrittsalter allerdings auf 65 Jahre angehoben. Correa hat 2015 die Rente auch auf Hausfrauen ausgedehnt.

Samstag, 5. August 2017

Alltag in Ecuador

Das sechste Mal bin ich nun schon in Ecuador, da kann man nicht mehr viel Neues schreiben. Einige Updates aus dem Alltag gibt es aber schon:
Baños

Busse
Beim Einsteigen in einen Bus herrscht immer noch große Eile und er fährt oft schon wieder an, bevor der Letzte eingestiegen ist. Selbst Melly ist das schon aufgefallen. Um das Rasen zu vermindern, gibt es nun in allen Fernbussen eine Laufschriftanzeige mit aktueller (GPS-) Geschwindigkeit und Nummernschild, falls man sich beschweren möchte. Auf der kurvenreichen Strecke Baños - Puyo waren das bis zu 77 km/h. Die meisten Busse haben jetzt Anschnallgurte, was aber kaum jemand weiß, geschweige denn sie benutzt. Als ich es getan habe, hat ein anderer Fahrgast das ganz verwundert auch ausprobiert.
Die Preise sind moderat angestiegen, die 11 Jahre alte Regel pro Stunde ein Dollar gilt jetzt nur noch ansatzweise, es kommt ein Aufschlag von 10-50% darauf:
San Francisco - Baños, 30 Minuten, 75 Centavos
San Francisco - Puyo, 1 Stunde, 1,25 Dollar
Baños - Ambato, 1 Stunde, 1,10 Dollar
Wieder in Ecuador

Indigene Völker
Beim Spaziergdang am Uferweg in Puyo hat ein Indianerpärchen Naturmittel und Schmuck verkauft. Sie gehören zu den Achuar-Indianern, einem von insgesamt 10 in Ecuador lebenden Naturvölkern. Sie leben an der Grenze zu Peru, wo es keine Landstraßen gibt. Daher können sie nach Puyo nur laufen (etliche Tagesmärsche) oder für 60 Dollar mit dem Flugzeug nach Shell fliegen. Das Gepäck wird dabei nach Gewicht berechnet, weshalb sie nur wenige und leichte, kleine Sachen zum Verkauf anbieten. Sie kann gut spanisch und erzählt uns, dass die verfeindeten Shuar-Indianer ihrer Großmutter den Kopf abgehauen haben, laut Spiegel waren Schrumpfköpfe bei beiden Völkern noch vor 30 Jahren üblich. Ihr Mann neben ihr ist ihr Cousin. Da es nicht so viele Achuar gibt und zudem noch mehr Frauen, ist die Auswahl an Männern beschränkt. Er kann kaum spanisch, dafür aber sehr gut Mathematik, er macht die Abrechnung. Inzwischen gibt es bei den Achuar auch Schulen und eine Hochschule für Völkerkunde.
Achuar-Indianer in Puyo

Klopapier

In Ecuador muss man sich als Europäer immer erst daran gewöhnen, dass man das Klopapier nicht ins Becken, sondern in einen Papierkorb neben dem Klo wirft. Jetzt gibt es erste Anzeichen für die europäische Variante. Am neuen Flughafen von Quito hängen auf der Toilette Schilder, dass man das Papier ins Becken werfen kann, den Papierkorb sucht man vergebens. Auch bei meinen Schwiegereltern hat der argentinische Schwiegersohn den Korb abgeschafft, nachdem er die Rohrdicke begutachtet hat. Bisher gab es auch keine Verstopfung.
Melly am Wasserfall

Thermen
In Baños waren wir abends in den Thermen. Man muss eine Badekappe tragen, die man gleich am Eingang für einen Dollar kaufen kann. Dann nimmt man sich einen Wäschekorb in die Umkleide (keine Trennung nach Geschlechtern), packt dort seine Sachen rein und gibt den bei der bewachten Garderobe gegen Marke ab. Mit einem Gummiband bindet man sich die Marke dann um den Arm. Es gibt drei warme Becken, ein kleines mit vielen Leuten drin (man kann nicht schwimmen, ist froh wenn man einen Stehplatz bekommt), ein rundes Becken mit so heißem Wasser, dass Kinder nicht rein dürfen und ein großes Becken, das gerade erst voll läuft und an der tiefsten Stelle gerade 30 cm Wasser hat. Da legen wir uns rein, wechseln ab und zu ins Kaltwasserbecken (das ist als einziges ganz leer und hier kann man auch schwimmen). Trotz der Fülle ein total entspannter Abend! Nebenan wird schon gebaut, es entsteht hier ein neues, modernes und großes Bad. Davon berichten wir dann in zwei Jahren...
In der Therme

Geschirrspüler
sind hier immer noch exotisch und kosten zwischen 800 und 1.400 Dollar.
Erfrischung in Puyo mit Amparo und Rubèn

Freitag, 27. Juni 2014

Bei der Bahn

Seit vier Wochen arbeite ich bei der Bahn. Melissa findet das toll und denkt, ich sei jetzt Lokführer oder Schaffner. In Wirklichkeit leite ich IT-Projekte, bei denen die über 300.000 Konzern-Mitarbeiter z.B. neue Laptops, Telefone oder Drucker bekommen. Also eigentlich nicht groß was anderes wie bei der IBM damals.
Burger-Grill am Ostkreuz
Das Büro ist in Rummelsburg direkt am Ostkreuz und hat keine Kantine. Also schwärmen wir mittags immer aus und erkunden die Restaurants in der Gegend, hauptsächlich rings um die Boxhagener Straße in Friedrichshain. Und davon gibt es reichlich, in den bisherigen vier Wochen hatte ich nur zweimal eine Wiederholung. Zwei Burger-Grills, drei Pizzerien, ein Inder, ein Thailänder, ein Fleischer, ein Franzose, ein Spanier, eine Ausbildungsgaststätte, zwei Bahnkantinen in Mahlsdorf und am Ostbahnhof, eine Kneipe, ein Café standen auf dem Programm, und das war noch längst nicht alles...
Aktenberge im Müll
Die Bahn ist erst seit einem Jahr in dem Bürogebäude am Ostkreuz, unser Vormieter war das Architekturbüro JSK. Das inzwischen insolvente Büro war an der Planung des neuen Berliner Großflughafens beteiligt. Am Montag kurz vor Feierabend klingelte und klopfte es laut an der Tür. Ein Kripo-Beamter mit kugelsicherer Weste und zwei Zivilpolizisten stellten Fragen zu eventuell noch vorhandenen Unterlagen der Vormieter. Hintergrund waren zwei Müllcontainer mit Unterlagen zum Flughafen, die gerade auf der Straße von Passanten entdeckt worden waren:

Berliner Abendschau

Im Video sieht man auch unsere Eingangstür.

Sonntag, 29. Dezember 2013

Alltag in der Cloud: Bücher und Zeitschriften

"Papi, gehen wir heute in die Stadtbücherei?" fragte mich meine vierjährige Tochter, als ich sie kurz vor Weihnachten aus dem Kindergarten abholte. Ich war seit ca. 25 Jahren nicht mehr in einer Stadtbücherei gewesen. Damals gab es hinten Lochkarten mit dem Rückgabedatum im Buch, eine Strichliste zeigte an, wie oft das Buch schon ausgeliehen war und jede Ausleihe wurde auf Mikrofilm dokumentiert. Natürlich gab es Bibliothekare, die die Bücher ausgeliehen und zurückgenommen hatten. Mal sehen, was sich inzwischen verändert hat, dachte ich und ging also mit meiner Tochter in die Bücherei Steglitz im Einkaufszentrum "Das Schloss" um die Ecke.

Ich war positiv überrascht, die Bibliotheken sind wirklich im neuen (Cloud-)Zeitalter angekommen! Für 10€ Jahresgebühr (Kinder umsonst) bekommt man viel geboten: Bücher, Zeitschriften, Noten, DVDs, BluRays, CDs, um nur eine Auswahl an Medien zu nennen. Waren die Bücherkataloge früher Karteikästen, ist heute alles online in der Bücherei an den vielen Internetarbeitsplätzen oder von zu Hause aus recherchierbar, ebenso sind Verlängerungen und Vorbestellungen online möglich. (Spiegel-) Bestseller und neue DVDs/CDs werden einem an einem speziellen Ort attraktiv präsentiert, will man sie ausleihen muss man einen Bestseller-Zuschlag von 2€ pro Medium bezahlen. Es gibt viel Platz zum Lesen und Arbeiten in der Bücherei und sogar ein Café. Alle Medien und der Ausweis enthalten RFIDs (elektronische Etiketten, ähnlich den Diebstahlsicherungen im Kaufhaus), so dass Ausleihe und Rückgabe unbemannt am Automaten erfolgen können. Man legt die Bücher einfach übereinander auf einen Tisch und schon erkennt das System, was man ausleihen möchte. Mit dem Ausweis kann man auch die Schließfächer oder die Tür zur Toilette öffnen.
Onleihe: elektronische Bücher für viele verschiedene Systeme
Wer den Weg in die Bücherei nicht auf sich nehmen will, kann online im e-Book-Katalog nachschauen und immerhin schon auf ca. 15.000 Titeln in den unterschiedlichsten Formaten zugreifen. Hier kann man z.B. auch taz, Spiegel oder Zeit als rechtegeschütztes pdf mit Verfallsdatum (1h, 4h) herunterladen. Nach Ende der Ausleihdauer sind die Dateien nicht mehr lesbar.

Wow, ich war begeistert und werde mit meiner Tochter jetzt öfter mal in die Bücherei gehen...
Kindle-App für Android-Tablet
Nach diesem Exkurs ist wahrscheinlich klar, wofür mein Herz schlägt. Aber natürlich gibt es auch bei Büchern und Zeitschriften einige Cloud-Anbieter wie Google Books, Amazon Kindle oder Apples iBooks. Bei vielen Anbietern kann man sich außer den dort gekauften Büchern und Zeitschriften auch fremde Bücher im pdf- oder EPUB-Format in die Cloud hochladen. Und wie immer geht Google hier am weitesten und hat ganze Bibliotheken mit Millionen von Büchern eingescannt (dabei viele Prozesse führen müssen) und über Volltextsuche der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Bücher ohne Copyright kann man dann kostenlos lesen, die anderen kaufen.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Alltag in der Cloud: Fotos

Ist man bei der Auswahl für einen geeigneten Foto-Cloud-Anbieter, stößt man schnell an die Grenzen der Gratis-Angebote. Ich habe z.B. Fotos und Kurzvideos von 75 GB. Das Telekom Mediencenter bietet 25 GB Speicherplatz kostenlos an, Google und Dropbox bis zu 15 GB. Nur ein Angebot speziell für Fotos sticht da heraus: Flickr bietet 1.000 GB (1 TB) kostenlosen Speicher an. Also habe ich mir dort einen Account eingerichtet. Doch schon beim Hochladen/Synchronisieren stieß ich bei Flickr auf Grenzen. Eine Ordnerstruktur ist hier nicht vorgesehen, es gibt nur Alben. Das Hochladen geht über Web-Interface, Synchronisierung mit dem Rechner ist nur über Software von Drittanbietern möglich. Alles sehr umständlich.
Google Foto-App auf dem Tablett: Suche nach "Cuenca" ergibt Treffer nach Geokoordinaten und Sehenswürdigkeiten (es gibt keinen Ordner namens Cuenca)
Dann habe ich mich wieder bei Google umgeschaut. Für knapp 5€ monatlich bekommt man bei Google Drive 100 GB Online-Speicher. Das reicht für meine bisherige Sammlung. Auf meinem PC synchronisiert sich die Fotosammlung nun automatisch mit der Cloud und ich kann mir meine Fotos online mit der Foto-App oder Google Drive anschauen:
  • über die in Google Drive abgebildete Ordner Struktur wie auf dem Rechner
  • über die Foto-App in Alben (Ordnername = Albumname),
aber am genialsten (klar, ist ja von Google) über die Such-Optionen:
  • alle Bilder werden automatisch nach Inhalten indiziert, bekannte Bauwerke wie der Eiffelturm oder das Brandenburger Tor werden erkannt, ebenfalls auf dem Bild auftauchende Schrift oder ca. 1.000 Standardobjekte wie Hund, Katze, Auto, zusätzlich werden Geo-Koordinaten ausgewertet. Bei Flickr kann man dagegen nur nach Tags und Datei- oder Albumnamen suchen.
Zusätzlich bietet die Foto-App ein Online-Fotoprogramm an, mit dem man einfache Bildverbesserungen und -bearbeitungen machen kann. Das Originalfoto geht dabei nie verloren. Über die Funktion Autoeffekte werden einem automatisch Vorschläge für bestimmte Effekte wie Schneefall, Filmserien aus Fotos oder Portrait-Zusammenstellungen gemacht.
Vergleich von Foto-Cloud-Anbietern (ohne Gewähr)
Fazit: Bei Foto-Speicher sollte man nicht nur den Preis pro Gigabyte, sondern auch die Komfort-Funktionen wie Suchoptionen und Fotosoftware vergleichen.

Mittwoch, 20. November 2013

Alltag in der Cloud: Musik

Vor fünf Jahren habe ich mir einen Plattenspieler gekauft. Ich fand es cool, ich liebe meine Platten und ja, es kommen immer noch manche neue Alben als LP heraus (mein letztes Album war "auch" von den Ärzten). Ich mag es, die (heutzutage) schweren Scheiben in der Hand zu halten und die teils aufwändigen Alben anzuschauen. Aber ich bin auch fasziniert von den Änderungen, die sich durch die Digitalisierung der Musik ergeben haben. Heute habe ich meine Musiksammlung (außer den Schallplatten) online bei Google Music, habe beim Autoradio den CD-Spieler noch nie benutzt und stattdessen ausschließlich mein Smartphone mit Bluetooth-Anbindung.

Google Music im Browser

Google Music bietet kostenlos Speicherplatz für bis zu 20.000 Lieder. Das sind mindestens 1.300 CDs oder 40 Tage ununterbrochene Musik. Meine Sammlung besteht aus 4800 Liedern, es gibt also noch genügend Luft. Musik höre ich auf folgende Arten:

  • Von einem beliebigen PC mit Lautsprechern und Internetanschluss über den Browser und Streaming
  • Vom Smartphone oder Tablet aus über Klinkenstecker- oder Bluetooth-Verbindung (zum Küchenradio, zur Stereoanlage, im Auto) mit Streaming (bei WLAN) oder lokal gespeicherte Musik.

Die Vorteile der Cloud sind hier:

  • Keine Sorgen mehr über kaputte CDs oder defekte Festplatten, die Sammlung kann man sich jederzeit wieder online herunterladen. Natürlich hat man nun aber die neue Sorge, dass man seinen Google-Account und Passwort nicht vergessen darf :-)
  • Die Browserlösung ist universell und unabhängig von allen PC- oder Smartphonebetriebssystemen.
  • Google analysiert (natürlich!) deine Musik auf dem Server. Bei einer Funktion namens Schnellmix suchst du dir ein Lied passend zu deiner Stimmung aus und Google erstellt eine Playlist mit ähnlichen Liedern. Funktioniert erstaunlich gut und ist eine Alternative zum gewohnten Zufallsgenerator.
Amazon (cloud player), Apple (iTunes Match), Microsoft (Xbox Music) und Ubuntu One bieten ähnliche Dienste an und kosten zwischen 25 Euro und 120 Euro im Jahr, teilweise mit kostenlosen Schnupperangeboten mit Werbung oder eingeschränkter Funktionalität.

Google Play Music App auf dem Smartphone

Wer noch einen Schritt weitergehen will, kauft sich seine Musik nicht mehr, sondern schließt ein Flatrate-Abo für meist 10€ im Monat ab. Dies gibt es bei unzähligen Anbietern wie Spotify oder Napster, bei Apple und Google allerdings derzeit nur in den USA.

Hier eine Kurzübersicht von bekannten Musik-Cloud-Anbietern aus einer Zeit, wo Google Music noch Beta war:

Original-Artikel dazu


Donnerstag, 20. Dezember 2012

Alltag in Ecuador

Churasco, Kartoffelsuppe und Avocado
Nach zwei Wochen in Ecuador ist es Zeit, mal wieder über den Alltag zu berichten:

Banken: Hier hat sich seit meinem ersten Besuch 2006 wenig verändert. Überweisungen und Internet-Banking soll es zwar geben, aber wenn man die Schlangen in den Banken sieht, wird das offenbar von den wenigsten Menschen angenommen. Die Beträge für Strom, Wasser, Telefon, Fernsehen, Internet werden weiterhin bar eingezahlt. In jeder Bank befindet sich bewaffneter Wachschutz und man sieht die Zeichen für: Nicht telefonieren, keine Schirmmütze, keine Sonnenbrille und keine Waffen. Wer eine der Bedingungen nicht erfüllt, wird vom Wachschutz freundlich darauf hingewiesen. Silvia stand neulich in der Schlange ganz vorne, als ihr Handy klingelte. Blöde Situation, da sie wusste, dass Amparo anrief und wissen wollte, ob sie sie schon abholen könne. Also nahm sie das Telefon nur kurz heraus  um zu antworten, dass sie gleich fertig sei. Der Wachschutz wollte sie dafür aus der Bank verweisen, was Silvia ebenso resolut natürlich verweigerte. Beim letzten Verbot, keine Waffen, weiß ich nicht richtig, ob mich das beruhigt oder eher beunruhigt. Heißt das, dass Waffen sonst überall (wo diese Schilder nicht hängen) erlaubt sind? Die Schirmmütze darf man übrigens mit dem Schirm nach hinten tragen, nach vorne nicht.

Kunsthandwerksmarkt in Quito
Auch die Schlangen bei Western Union sind immer sehr lang. Das ist nicht verwunderlich, laut Wikipedia leben 3 von 14 Millionen Ecuadorianern im Ausland (hauptsächlich USA, Spanien und Italien) und die Rücküberweisungen an die in Ecuador verbliebenen Familien bilden mit 2 Milliarden US-$ pro Jahr (letzte Messung 2005) einen erheblichen Anteil am Bruttoinlandsprodukt.

Nicht alltäglich: Crepes-Essen mit Kusinchen in Quito
Preise in Ecuador: Ebenfalls laut Wikipedia (s. Link oben) benutzen nur 4% der Ecuadorianer Internet, was ich bezweifle, da es in den Städten an jeder Ecke Internet-Cafés gibt. Ein eigener Anschluss zu Hause kostet etwa so viel wie bei uns, 30 $ im Monat. Bei einem Durchschnittsmonatseinkommen von 400-500 $ ist das allerdings für die meisten ein ziemlicher Luxus. Festnetz-Telefon kommt noch mit ca. 6 $ im Monat dazu, Flatrates wie bei uns gibt es nicht. Bei Handys benutzen die meisten weiterhin Prepaid-Karten. Smartphones gibt es ganz selten, und wenn dann Blackberry statt Android oder i-Phone. Mobiles Internet kostet 1 $ am Tag. Silvias Eltern haben seit kurzem Satelliten-Fernsehen, für 15 Tage zahlt man 10 $ ein, natürlich nicht per Dauerauftrag oder Einzugsermächtigung, sondern in den Geschäften der Drogerie-Kette Sana-Sana. Vergisst man die Einzahlung, wird das Programm sofort gesperrt, nach Zahlung wieder sofort freigeschaltet. Kredite werden hier mit monatlichem Zins (z. B. 2%) angeboten, nicht mit Jahreszins wie bei uns. Die Zinsen berechnen sich nur für die Restsumme, die monatliche Rate sinkt damit stetig. Beispiel: Bei 1.200 $ Kredit auf 12 Monate zu 2% zahlt man im ersten Monat 100 $ + 24 $ (2% auf 1.200 $), im zweiten Monat 100 $ + 22 $ (2% auf 1.100 $) usw. Wer Lust hat, kann ja mal für dieses Modell den effektiven Jahreszins ausrechnen... Fließend Wasser ist recht günstig, Silvias Eltern bezahlen ca. 1 $ pro Monat. Aber es ist auch kein Trinkwasser. Richtig günstig für deutsche verhältnisse ist Taxifahren. In Ambato z.B. fahren wir mehrmals täglich Taxi zu Preisen zwischen 1,00 $ und 1,50 $. In Quito zahlt man für längere Strecken auch schon mal 12 $, man muss aber dabei in Betracht ziehen, dass Quito mit einer Nord-Süd-Länge von 50 km (liegt zwischen zwei Bergrücken) auch extrem große Entfernungen bietet. Für Überlandfahrten kann man neben normalen Taxen auch Tür-zu-Tür-Services mit festen Preisen und Abfahrtzeiten in Anspruch nehmen, so sind wir letzte Woche von Ambato nach Quito gefahren. Man zahlt dann pro Person (12 $, Melissa frei) und wird zu Hause abgeholt. Unterwegs können noch andere Fahrgäste oder auch Kurierpakete (10 $) dazu kommen.

In Quito werden echte (aber meiner Meinung nach zu Kegelform beschnittene) Weihnachtsbäume verkauft
Der Verkehr in Ecuador wird wie beschrieben durch neue Gesetze und Bußgelder langsam besser, der Unterschied zu Deutschland ist aber noch enorm. Die Gurtpflicht gilt offenbar nur für den Fahrer, viele Taxifahrer fahren inzwischen mit Gurt, manche legen ihn sich aber immer noch nur kurz vor einer Kontrolle an. Beifahrer benutzen ihn nicht und auf den Rücksitzen gibt es oft Gurte, aber manchmal keine dazugehörigen Schnallen. Zebrastreifen dienen nur der Dekoration, selbst bei Grün werden Fußgänger von rechts abbiegenden Autos einfach weg gehupt. Überhaupt ist die Hupe im Gegensatz zu uns das meist benutzte Zubehör. Taxifahrer der alten Schule fahren weiterhin in geschlossenen Ortschaften 90 km/h, und bremsen in Tempo-30-Zonen dann immerhin auf 80 herunter. In Quito fuhr uns ein Taxifahrer im Stau zuerst auf die Metro-Bus-Spur (mögliches Bußgeld 80 $), dann bog er auf voller dreispuriger Straße von der ganz linken Spur mit quietschenden Reifen vor zwei Bussen nach rechts ab. Es wird gerne mit Vollgas beschleunigt, selbst wenn die Staulücke nur 10 m beträgt.

Weihnachtskonzert in Ambato mit den hier weit verbreiteten Mützen
Weihnachten werden wir in der Großfamilie (mit Silvias Tanten) schon am 23.12. feiern, in der Familie dann am 24. oder 25. Im Supermarkt haben wir schon für 25 $ einen künstlichen Weihnachtsbaum gekauft und aufgebaut. Echte Weihnachtsbäume gibt es auch, aber ganz selten zu finden (nur einmal in Quito in einem Park gesehen) zu Preisen zwischen 20 und 35 $. Das geht eigentlich, aber die kann man natürlich nur einmal verwenden. Julklapp/Wichteln heißt hier "amigos secretos", also heimliche Freunde und funktioniert wie bei uns: per Los zieht man einen Namen, dem man für 10 $ ein Geschenk kauft (bitte keine Kuscheltiere!). Das machen wir am 24./25.

Melly schmückt den künstlichen Weihnachtsbaum