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Mittwoch, 3. Februar 2021

Alltag im Lockdown I

Heute fragt mich ein Freund über Messenger, wie es mir persönlich geht und wie ich vom Lockdown beeinträchtigt bin. Eine einfache Frage, die man gar nicht so schnell beantworten kann. Warum also nicht in dieser Ausnahmesituation ein Blog schreiben, wie ich es in Ecuador immer getan habe?

Hobbys

Was soll man machen, wenn man sein Zuhause nur mit triftigem Grund verlassen darf? Ich habe Hobbys wieder aufleben lassen, die ich schon fast vergessen hatte. Dazu gehören Zauberwürfel und Klavierspielen. Beim Klavierspielen hatte ich mich ja früher schon auf Elton-John-Stücke spezialisiert, da gibt es jede Menge von und mir wird nicht langweilig. Hier ein paar der Liederbücher:

Elton John Songbooks

Und dann kam Melly kurz vor Ostern mit meinem alten Zauberwürfel (Original von 1980 mit abgenutzten Aufklebern) aus der Schule zurück und wollte ihn erklärt haben. In ihrer Klasse war der gerade in Mode unter einigen Schülern. Die ersten beiden Ebenen konnte Melly schon und ich zeigte ihr, wie man die letzte Ebene löst. Nach ca.35 Jahren Pause fiel mir doch noch einiges ein. Zu Ostern gab es dann den 2x2, 4x4 und 6x6 "für uns beide" geschenkt, im Oktober und zu Weihnachten noch den 9x9 und ein paar Varianten (s. Bilder). Dann erinnerte ich mich an einen Tweet von einem Freund, der kurz vor Weihnachten 2019 eine neue Schnelllösemethode für den 3x3 gemeinsam lernen wollte und ich tauschte mich mit ihm aus. Im Schnelllösen wurde ich schnell von Melly abgehängt, sie löst den Würfel in 1 Minute, mein Freund in unter 30 Sekunden (und das mit gebrochenem Finger!), während ich 2:30 Minuten benötige. Also habe ich mich auf Muster drehen spezialisiert. Nach den ersten Instagram- und Facebook-Posts von den Ergebnissen habe ich gemerkt, dass das normale Publikum davon schnell ermüdet, während ich über Hashtags ein auf Würfelmuster spezialisiertes, internationales Publikum zusammengesucht habe und dafür einen eigenen Instagram-Account eröffnet habe. Hier ein paar Ergebnisse:

Mastermorphix, wechselt die Form

9x9 Würfel

Gigaminx, (Pentagon-)Dodekaeder mit 12 Seiten

Pyramide 4x4

Square1, ein auch ein Zauberwürfel, der die Form verändert

Je größer die Würfel werden, desto unübersichtlicher. Das Lösungsprinzip unterscheidet sich aber nicht sehr, im Prinzip kann man alle Würfel mit einer einzigen Methode lösen. Diese Methode ist mir in den Achtzigern einmal in einer Erleuchtung eingefallen. Es gab ja damals kein Internet wie heute, wo man sich die Lösung eines beliebigen Würfels googeln konnte. Legendär ist damals die Spiegellösung gewesen, so legendär, dass sie jemand nachträglich ein paar Jahrzehnte später hier beim Spiegel hochgeladen hat. Aber für die anderen Würfel (damals gab es u.a. die 3x3 Pyramide und den 4x4 und 5x5 Würfel) war man auf sich selbst angewiesen. Diese Lösungsmethode ist natürlich nicht nur mir alleine eingefallen, jemand anders hat sie hier recht anschaulich auf Englisch dargestellt. Im Wesentlichen beruht sie darauf, dass man zwei Steine in einer Ebene vertauscht (oder verdreht) ohne auf die restlichen Ebenen achten zu müssen, sich die Züge dabei merkt und danach nach einem Zwischenzug die Zugreihenfolge rückwärts wiederholt, die restlichen Ebenen stellen sich durch das Rückwärts wieder auf die Position vor der Zugreihenfolge zurück. Das trainiert das Gedächtnis (man muss sich was merken) und die Konzentration (bei großen Würfeln die Übersicht zu behalten, welche zwei Steine man gerade vertauscht und nicht in der Spalte oder Reihe durcheinander zu kommen). Die Krönung der Gedächtnisleistung wird übrigens erbracht, wenn gerade mitten im Zug der Paketbote klingelt. Auf den chinesischen Webseiten wird immer damit geworben, dass Zauberwürfel Alzheimer vorbeugen, ich glaube das gerne. Den 9x9 habe ich übrigens direkt in China bestellt während der Lieferschwierigkeiten durch die Lockdowns dort und hier. Nachdem ich das Geld schon abgeschrieben hatte und der Status der Trackingnummer nach zwei Monaten vom Radar verschwand, kam das Päckchen nach 2½ Monaten doch an, die Freude war groß. Angeblich hat der Würfel den größten Teil der Zeit beim Zoll am Frankfurter Flughafen verbracht, ob das wirklich stimmt werde ich nie erfahren.

Sport

Spaziergang von Teltow nach Heinersdorf

Eine besondere Form von Hobby ist natürlich der Sport, der durch mangelnde Bewegung im Homeoffice während des Lockdowns umso wichtiger wurde. Ich habe einfach mit meinem Triathlontraining weiter gemacht, obwohl 2020 beide gebuchten Triathlons (Krumme Lanke und Wannsee) auf 2021 verschoben wurden (und ich nicht sicher bin, ob es dabei bleibt). Auch der Firmenlauf mit Einlauf im Olympiastadion ist ausgefallen. Bei der Bahn gab es stattdessen eine Online-Lauf-Challenge über 5km, wo man den Screenshot seiner Lauf-App hochladen konnte und dann dafür wie jedes Jahr das Bahn-Laufshirt bekommen hat. Laufen und Radfahren ist ja zum Glück immer möglich (außer in der einen Winterwoche in Teltow mit Schnee und Temperaturen unter 0°C), das Schwimmen war dagegen (außer im See) oft eingeschränkt. Ich habe das Gefühl, dass mehr Menschen während des Lockdowns Sport und auch Spaziergänge machen. Der Körper dankt und braucht es und es entspannt die Situationen, wo durch Homeoffice und Homeschooling alle in der Familie am gleichen Fleck hocken. Mit Silvia gehe ich zeitweise jeden Abend spazieren.

Laufen über Feldwege um Teltow herum

Homeoffice, Homeschooling

In den vergangenen 11 Monaten war ich zweimal im Büro, einmal um Post abzuholen (die sich als Werbegeschenk entpuppte) und einmal, um die beim ersten Mal im Büro vergessene Webcam wieder abzuholen. Bei IBM hatten wir das Homeoffice schon vor 20 Jahren (das ist so lange, dass IBM vor Corona schon das Homeoffice wieder einschränken wollte, um seinem Ruf, der Zeit um mindestens zehn Jahre voraus zu sein, gerecht zu werden), bei der DB Systel wurde es vor sechs Jahren eingeführt. Ich genoss die Vorzüge (Arzt-, Handwerker- und Balletttermine) aber auch die 1-2 Tage pro Woche, die ich im Büro oder auf Dienstreisen verbrachte. Die eine Stunde Fahrt zur Arbeit empfand ich ebenfalls als Erholung (wenn sie nicht auf einer Dienstreise zwischen 5:00 und 6:00 morgens lag...), entweder mit Bewegung auf dem E-Bike (und dabei sehr Corona-konform) oder lesend in der S-Bahn. Dass diese "Wandertage" seit einem Jahr völlig weggefallen sind, ist mehr als schade. 

Früher hatte ich im Homeoffice unbewusst ein schlechtes Gewissen (weil ein Großteil der Büroarbeiter in Deutschland halt im Büro und nicht zu Hause arbeitet) und habe Webcams nicht gemocht, weil ich mit T-Shirt statt Hemd vor der privaten Schrankwand arbeite. Seit Corona ist das das neue Normal, jetzt gibt es neue Funktionen, die die private Schrankwand durch ein beliebiges Hintergrundbild ersetzen, keiner hat ein Hemd an, und manchmal (wenn auch selten) kommt es vor, dass ein Kollege die Hintergrundbildfunktion nicht kennt und seine Frau im Hintergrund die Wäsche aufhängt, weil sie die eingeschaltete Kamera nicht bemerkt. Durch das gleichzeitige Homeschooling kommen noch fragende Kinder dazwischen oder laute Druckergeräusche für Mellys neue Arbeitsblätter. 

Virtuelle Weihnachtsfeier der Jungs als Teams-Konferenz

Das Homeschooling ist für die Schulen gefühlt ein Quantensprung. Beim ersten Lockdown war das Hauptmedium noch E-Mail (natürlich die Adresse der Eltern) und der besagte Drucker zum Ausdrucken von Arbeitsblättern. Eine Schulcloud war erst im Aufbau (und jedes Bundesland hat da meines Wissens seine eigene Lösung), und einmal wurde eine Zoom-Konferenz angeboten. Die Deutsch-Lehrerin hat auch einmal ein Video selbst gedreht zu Satzteilen, das Weiterleiten und Aufrufen des Videos war nicht ganz einfach. Jetzt beim zweiten Lockdown ist die Schulcloud inkl. Konferenzsystem gesetzt, Zoom wegen Datenrechtsfragen an der Schule nicht mehr zugelassen und die Arbeitsblätter müssen nicht mehr zu Hause ausgedruckt, sondern können einmal wöchentlich in der Schule draußen auf dem Hof (oder durch ein Fenster) abgeholt werden. Die Konferenzen finden nun fast täglich statt und nicht mehr nur einmal in mehreren Wochen. Das hat aber auch zur Folge, dass Melly und Silvia, die denselben PC benutzen (Silvia zum Lernen im Home-Studium), sich gut abstimmen müssen. Aber zum Glück haben wir ein Haus mit drei Schreibtischen in drei getrennten Zimmern (wovon keines die Küche, das Ess- oder das Wohnzimmer ist). 

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