Translate

Sonntag, 14. November 2010

Kindergeburtstag

Melly pustet mit Mamas Hilfe die Kerze aus

Unsere meisten Bekannten sagen: "Oh, Melissa ist jetzt schon ein Jahr alt, die Zeit ist aber schnell vergangen!" Mir selbst erscheint die Zeit mit einem Leben ohne Melissa schon sehr lange her. Kein Wunder, rechnet man die Schwangerschaft mit ein, haben wir in der Zeit sehr viel erlebt: vom Geburtsvorbereitungskurs über die Renovierung und Umgestaltung der Wohnung, dem Auszug von Stephen und Amparo, meinem Vietnamaufenthalt, der Geburt, der Hochzeitsplanung und -durchführung bis hin zur Elternzeit in Ecuador und Melissas Taufe.

Melissa zeigt dem Nachbarsenkel Nick Omis Geschenk

Am 25. Oktober haben wir Melissas Geburtstag gefeiert. Es waren sieben Kinder (von 10,5 Monaten bis 4 Jahren) zu Besuch und 16 Erwachsene. Neben Luftballons, einer Girlande und vielen Papphüten haben wir auch eine Piñata bestellt. Dies ist ein lateinamerikanischer/spanischer Brauch, bei dem eine große Figur aus Pappmaché mit Süßigkeiten gefüllt und aufgehängt wird und eigentlich Kinder so lange mit einem Stock drauf schlagen, bis sie zerbricht und die Kinder dann die Süßigkeiten aufsammeln können. In unserem Fall gab es statt des Stocks Bänder zum Ziehen, wovon nur ein Band eine kleine Falltür geöffnet hat, so dass die Süßigkeiten auf den Boden fielen. Das Video zur Piñata seht ihr hier:



Das Öffnen der Piñata

Vorm Öffnen der Piñata

Sonntag, 26. September 2010

Paris

An der Seine vorm Eiffelturm

Es ist ja schon eine Weile her, aber in letzter Zeit komme ich kaum noch zum Bloggen... Ende Juli waren wir über Silvias Geburtstag zu dritt in Paris. Mit dem Auto hingefahren, da konnten wir öfter Pause machen und die Pausen ziehen sich mit Baby ganz schön in die Länge. Auf der Hinfahrt haben wir in Köln übernachtet, auf der Rückfahrt in Heidelberg. Ein Urlaub mit Kinderwagen ist zwar etwas anstrengend, aber wir haben doch erstaunlich viel gesehen. Sogar auf den Eiffelturm selbst konnte man den Kinderwagen mitnehmen, zusammen geklappt im Fahrstuhl, und in 115m Höhe gab es tatsächlich einen Wickelraum für Melissa! Sportlicher war es in Versailles, im Schloss waren Kinderwagen verboten, dafür draußen im weitläufigen Park gestattet.

Das Schloss Versailles

In der Stadt sind wir viel mit der Metro gefahren, um den Staus und der Parkplatzknappheit zu entfliehen. Das ist ein Abenteuer, da man mit dem Kinderwagen nicht durch die Drehkreuze kommt und immer jemanden finden muss, der einem die für diese Fälle gedachte Tür öffnet. Und danach gibt es oft sehr lange Gänge mit vielen Zwischentreppen. Rolltreppen oder gar Fahrstühle sind dabei ganz rar. Klar, dass man da kaum Kinderwagen bzw. Babys in der U-Bahn sieht, dafür waren aber die Fahrgäste umso freundlicher und haben Silvia immer sofort einen Sitzplatz angeboten. Die anderen Sehenswürdigkeiten haben wir im Schnelldurchgang und meist von außen gesehen: Triumphbogen, Champs-Élysées, Élysée-Palast, Place de la Concorde, Tuilerien, Louvre, Invalidendom, Centre Pompidou, Notre Dame, das Rathaus, Place des Vosges und natürlich die Kaufhäuser Galeries Lafayette und Printemps.

In Paris ist alles größer, sogar die Nutella-Gläser (in den Galeries Lafayette)

Womit vertreiben wir uns sonst die Zeit außer mit Melissa? Mit Kita-Besichtigungen, einer Goldenen Hochzeit, Steuererklärungen, der Nachbereitung unserer Hochzeit, in meinem Fall mit einem neuen Handy (Google Nexus One) und (diesmal ohne Zeitungsfoto) der zweiten IFA mit Melissa.

Neulich auf der Funkausstellung...

Sonntag, 4. Juli 2010

Fussball und Rückkehr nach Berlin

Inzwischen sind wir seit 10 Tagen wieder in Berlin und schon wieder voll zurück im deutschen Alltag, trotzdem möchte ich natürlich noch über eine Sache berichten:


An der Glienicker Brücke mit Melissa und Silvias Schwestern Alicia und Amparo
Fußball in Ecuador: Die ersten beiden deutschen WM-Spiele haben wir noch in Ecuador verfolgt. Wir (oder besser ich, Silvia interessiert sich nur mäßig für Fußball) hatten Glück, der einzige ecuadorianische Sender (Gama-TV), den man über Antenne (mit viel Schnee und Streifen) in San Francisco empfangen kann, war der offizielle WM-Sender in Ecuador. Die Kommentatoren entsprechen voll dem Klischee, sie reden ununterbrochen (wie in deutschen Radio-Übertragungen) und schreien lange GOOOOOOOOL, wenn ein Tor fällt. Ein krasser Gegensatz zu den deutschen Fernsehkommentatoren, die oft sekundenlang schweigen und im direkten Vergleich etwas unterkühlt wirken. Ungewohnt und etwas nervig sind die Werbeformen in Ecuador: neben den auch bei uns üblichen Einblendungen (im unteren Bildschirmdrittel, während das Spiel weiter läuft) wird die Werbung auch zusätzlich vom Reporter im Kommentar eingebaut: bei einem Angriff lautet der Kommentar z.B. "Und Deutschland greift an (span. "avanza"), Ecuador kommt voran (span. ebenfalls "avanza") mit Mavesa, weil Mavesa Hino ist und Hino ist Mavesa. Gehe in den Norden oder in den Süden von Ecuador, Mavesa ist die Kraft von Ecuador!". Mavesa = Hino ist ein Konzern, der Lastwagen und Busse herstellt. Die Eckbälle dagegen werden vom Mobilfunknetzbetreiber Porta gesponsert: "Ecke für Deutschland. Telefonieren Sie mit Porta, für nur einen Cent rufen Sie Ihre Freunde an. Laden Sie heute Ihr Guthaben auf und Sie erhalten für fünf Dollar zehn Dollar Guthaben!". Nach dem Australienspiel überschlug sich die Presse mit Lob für die deutsche Mannschaft, die erste "Goleada" (= Torreigen oder Kantersieg) der WM hatte stattgefunden. Nach der Serbien-Niederlage dagegen natürlich gleich der Dämpfer: "Deutschland verliert die Partie, seinen Protagonisten (Klose) und die Vorreiterrolle bei dieser WM".


Mashicunas in Aktion

Zurück in Deutschland ging uns die ecuadorianische Kultur nicht verloren, letzten Sonntag gab es im Haus der Kulturen Lateinamerikas ein Hoffest, auf dem auch Amparos Tanzgruppe Mashicunas getanzt hat. Wer die Tanzgruppe einmal live erleben möchte: am 28. August tritt sie beim nächsten Fest, der Fiesta Ecuatoriana, im Haus der Kulturen Lateinamerikas wieder auf. Und seit gestern ist Silvias Schwester Alicia aus Lanzarote bei uns für zwei Wochen zu Besuch.

Montag, 14. Juni 2010

Die Erzaehlungen von Gabriel García Márquez


Auf den langen Busfahrten nach Guayaquil und zurueck habe ich auch die Erzaehlungen von Gabriel García Márquez gelesen. 26 Geschichten, zwischen vielleicht 5 und 50 Seiten lang, erzaehlen teils phantastisch und grotesk ueber Gewalt, Tod und Einsamkeit, aber auch die alltaeglichen Dinge in Kolumbien. Die Geschichten sind 50 Jahre alt, geben aber erstaunlich viele Eindruecke wieder, die auch fuer das Nachbarland Ecuador zutreffen koennten:
  • Das typische Mittagessen besteht aus Yuca-Suppe (in Uganda als Kassava bekannt, in Deutschland auch als Maniok) und dann Reis mit Fleisch und Bohnen.
  • Als Waescheleine wird ein Draht verwendet.
  • Verrostete Wellblechdaecher.
  • Riesige Bananenplantagen (an der Costa Ecuadors), bzw. Haziendas.
  • Der Winter beginnt im Mai mit starken Regenfaellen, Feuchtigkeit und Kaelte (das erleben wir gerade in San Francisco, wobei Kaelte 20º bedeutet im Vergleich zu 27º im Sommer...).
  • Im Sommer herrscht drueckende Hitze (habe ich in Guayaquil erlebt).
  • Bei Begraebnissen sieht man den Leichnam im Sarg.
  • Eine Geschichte erzaehlt vom Señor Herbert, dem schwerreichen Gringo, der mit seinen zwei grossen Truhen voller Geld die Probleme der armen Dorfbevoelkerung loesen will.
  • Der eitle und sich in Szene setzende Praesident (der ecuadorianische Praesident Rafael Correa Delgado hat gerade im Fernsehen verkuendet, dass er seinen woechentlichen Samstags-Bericht waehrend der Fussball-WM zweimal aussetzen wird, da auch er Fussball gucken moechte...).
  • Mehrere Geschichten handeln von (vermeintlichen) Dieben, die ein ganzes Dorf zum Aufruhr bringen (siehe Fangen von Dieben).
Nicht gemeinsam mit (dem heutigen) Ecuador sind mir bisher nur zwei Dinge aufgefallen:
  • Es wird oft von Eisenbahnstrecken berichtet, sowohl fuer den Guetertransport (ein nicht enden wollender Zug mit 142 Waggons voller Bananen) als auch fuer den Personenverkehr (Ankunft auf einem verlassenen Dorfbahnhof in sengender Mittagshitze, dessen Pflastersteine vom Unkraut aufgebrochen werden). In Ecuador gibt es zwar die beruehmte Eisenbahnstrecke von Quito bis fast nach Guayaquil (Duran auf der anderen Flussseite), die aber nur noch auf einem kleinen Teilstueck touristisch benutzt wird. Den Transport uebernehmen Lastwagen und Busse.
  • Der kolumbianische Dorfbuergermeister ist gleichzeitig auch oberster Polizist, Richter und Staatsanwalt, was in Ecuador nicht der Fall ist. Dafuer werden Dorfbuergermeister in Ecuador meist Praesident genannt, San Francisco hat so einen Praesidenten.

Trauer

In der Nacht zum vergangenen Donnerstag ist mein Gastvater aus Guayaquil von 2006 Richard Concha verstorben. Er war wohl zwei Tage vorher mit Atembeschwerden ins Krankenhaus gekommen, die dann bis zum Atemstillstand eskaliert haben. Das war wie ein Schock, Richard war gerade mal zwei Jahre aelter als ich. Vor einem Monat hatten wir noch zu meiner Hochzeit telefoniert.

Richard 2006 an seinem Geburtstag

Dann ging alles ganz schnell: Am Freitag nachmittag war die Beerdigung. Wir waren gerade in Ambato, als ich ueber Internet davon erfahren hatte, und so stieg ich am Freitag frueh alleine in den Bus von Ambato nach Guayaquil, um die sechsstuendige Fahrt von der regenkuehlen Sierra in die tropisch heisse Costa zu unternehmen. Silvia und Melissa blieben in der Sierra, da Melissa das heisse Klima nicht vertraegt.

Auf Richards Bett versammelte sich die Familie (2006).

In Guayaquil kuemmerte sich Felix (Annikas Freund) und seine Familie (bei der ich uebernachten durfte) ganz ruehrend um mich, holte mich vom Busbahnhof ab, fuhr mit mir zum grossen Trauersaal, den ich schon von der Beerdigung von Richards Vater 2006 kannte. Richard lag vorne im aufgeklappten Sarg unter einer Glasscheibe. Viele Angehoerige und Freunde hielten Reden, in denen sie sich erinnerten, wie sie Richard erlebt und wie er ihnen immer geholfen hatte. Die Mitarbeiter seiner Firma Mash zeigten eine Multimedia-Diashow, ausserdem wurden grosse Fotos von ihm gezeigt. Nach einem Gottesdienst erfolgte dann die Kremation.

Richard 2008

Vor meiner Rueckfahrt am Samstag mittag schaute ich noch in Richards Haus vorbei. Sein Bruder, seine Schwester und Teresa kamen gerade mit der Urne vom Krematorium und fuhren spaeter gemeinsam zum Strand, wo dem letzten Willen gemaess Richards Asche im Meer verstreut werden sollte. Mash wird zukuenftig von Richards Bruder geleitet werden, der seit zwei Jahren auch im Haus wohnt.

Richard 2006

Mittwoch, 9. Juni 2010

Alltag in Ecuador

Wir geniessen noch die letzten knapp zwei Wochen in Ecuador, Zeit mal wieder ueber einige Dinge des Alltags hier zu berichten:

Die Jugendlichen haemmern Obstkisten vor dem Haus von Silvias Eltern zusammen.

Wirtschaft in San Francisco: Wovon leben die Leute in San Francisco, einem kleinen Dorf am Rande einer Landstrasse? Die Gegend um San Francisco ist beruehmt fuer ihre Obstsorten, vor allem Mandarinen. Wenn man durch das Dorf faehrt, sieht man mindestens zehn Obststaende, die die Fruechte direkt an der Strasse verkaufen. Will man das Obst weiter, z.B. zum grossen Montagsmarkt in Ambato transportieren, benoetigt man Holzkisten. Silvias Vater betreibt zusammen mit seinem Bruder ein kleines Saegewerk und eine Holzkisten-Manufaktur und verschafft so seinem Bruder ein kleines Einkommen. Gesaegt werden Bretter fuer Mandarinen-, Baumtomaten- und Lulo-Kisten (Lulo, auf spanisch Naranjilla, ist eine in Ecuador sehr verbreitete Frucht), die Kistenmasse unterscheiden sich je nur um einen Zentimeter. Die Kisten werden manuell zusammengenagelt, von Schuelern die sich damit ein Taschengeld verdienen (7 Centavos pro Kiste, ein Schueler schafft etwa 100-150 Kisten am Tag). Per Lastwagen werden dann bis zu 500 Kisten (Kaufpreis 50 Centavos pro Kiste) abgeholt, oder von vielen auch nur die Bretter zum Selberzusammenbauen. Silvias Eltern verkaufen auch die vielen Mandarinen aus ihrem Garten und bekommen pro Kiste dann 3-5 Dollar.

Silvias Vater verschliesst die Mandarinenkisten fuer den Verkauf.

Schuhgroessen: In Ecuador haette ich es auf Dauer schwer mit Kleidung und Schuhen. Herrenschuhe werden nur bis Groesse 42/43 angeboten. Der Italiener aus dem Nachbardorf, in dessen Pizzeria wir unsere Hochzeit gefeiert haben, lebt seit acht Jahren in Ecuador, vorher hat er in New York gelebt. Er hat wie ich Schuhgroesse 46 und kauft seine Schuhe immer im Urlaub in New York oder Italien.

Frisch gefangene Forelle gebraten mit Reis, Patacones (aus Kochbananen) und Salat.

Kartenspiel Cuarenta: Das ecuadorianische Nationalkartenspiel heisst Cuarenta (wie die Zahl 40). Es wird mit 52 normalen Karten (wie Rommé oder Canasta) gespielt, wobei die 8,9 und 10er aussortiert werden. Man spielt zu viert in zwei Paaren gegeneinander, legt der Reihe nach seine Handkarten ab und bekommt Punkte, wenn man die Karte seines Vorgaengers mit der gleichen Karte (also z.B. Koenig mit Koenig, egal welche Farbe) sticht. Man kann auch Strassen stechen (also z.B. ein As, 2, 3 mit einem As) oder Karten zum Stechen addieren (z.B. eine 2 und eine 4 mit einer 6 stechen). Das Paar, das zuerst 40 Punkte erreicht hat, hat gewonnen, daher der Name Cuarenta.

Im Supermarkt gibt es mitunter Babyschalen auf dem Einkaufswagen (hier in Quito).

Auslaender in Baños: Im nahen Baños gibt es viele Touristen (aus Ecuador und auslaendische) und wir haben letzte Woche auch zwei dauerhaft dort lebende Auslaender kennengelernt: Der erste ist ein Deutscher, gross geworden in Bayern, der in Baños schon seit Jahren (Jahrzehnten?) ein Hotel und Tourbuero betreibt. Er hat uns neulich, wir auf einen Bus wartend, in seinem Jeep nach Baños mitgenommen. Er hat alle Vulkanausbrueche des Tungurahuas (seit seinem Wiederausbruch 1999) miterlebt und beurteilt die augenblicklich stattfindenden Evakuierungsuebungen als zwar gut, aber auch ueberfluessig: "Im Ernstfall reagieren die Ecuadorianer hier sehr chaotisch, ganz anders als in den Uebungen.". Der zweite Gringo (Auslaender) kommt aus Michigan, USA, und lebt seit 14 Jahren in Baños mit seiner Frau aus Guayaquil. Sie betreiben ein nettes Café mit Buecherausleih- und -tauschecke und kostenlosem Nachmittagskino. Unser gemeinsamer Ansprechpunkt waren u.a. unsere fast gleichaltrigen Toechter.

Forellenangeln: Kusinchen Rosa zeigt ihren grossen Fang

Muttertag, Vatertag und Kindertag: Diese Tage werden in Ecuador sehr gefeiert, aehnlich wie der Muttertag in Uganda. Waehrend der Muttertag und der Kindertag wie in Deutschland am zweiten Sonntag im Mai und am 1. Juni gefeiert werden (und der ganze Mai, vor allem von der Werbung) als "Monat der Mutter" bezeichnet wird, ist der genaue Vatertag etwas strittig: Silivas Schwestern Amparo und Alicia riefen am 1. Sonntag im Juni zum Glueckwuenschen an (wie es in der Schweiz seit 2007 gehandhabt wird), Silvias dritte Schwester Irma ist vom zweiten Sonntag im Juni ueberzeugt (so machen es die Oesterreicher) und Wikipedia Español spricht fuer Lateinamerika allgemein und Ecuador speziell vom dritten Sonntag im Juni (so machen es die Amis und Kanadier). Aber mit den Daten (z.B. auch von Geburtstagen) nehmen es viele Ecuadorianer sowieso nicht so genau, wir haben (auch wegen der Hochzeit am Muttertagswochenende) hier Muttertag und Vatertag zusammen am letzten Maisonntag gefeiert, Silvias Eltern jeweils ein Paar Hausschuhe und grosse Handtuecher geschenkt und zur Feier des Tages Cuy (also Meerschweinchen) gegessen...

Samstag, 29. Mai 2010

Ecuadors Vulkane

Der Antisana (5.753m) in der Provinz Napo

Der Tungurahua (5.023m), unser Hausvulkan bei Baños

In den letzten Tagen war sehr gute Sicht in Ecuador und so haben wir ein paar Vulkane gesehen, die sonst fast immer hinter Wolken verschwinden. In Ecuador gibt es 55 Vulkane, von denen 18 als aktiv gelten. Unser "Hausvulkan" Tungurahua war auch die letzten Tage wieder aktiv, so dass in Baños (das am Fusse des Vulkans liegt) zeitweise Alarmstufe rot war, die Strasse gesperrt war und die Menschen nach Hause bzw. in die sichere Zone mussten. In San Francisco hat das nachts einen Sturm ausgeloest, der einige Daecher beschaedigt hat. Ab und zu hoert man ein lautes Grollen wie vom Donner, und die Autos von San Francisco bis nach Ambato sind von einer leichten Ascheschicht bedeckt. Selbst der Flughafen von Guayaquil war zeitweise gesperrt, wir haben also auch unseren kleinen islaendischen Vulkan hier... Inzwischen ist die Situation aber wieder normal.

Der Illiniza (Sur, 5.248m) suedlich von Quito

Der Cotopaxi (5.897m), im Vordergrund Quito (2.850m)

Montag, 24. Mai 2010

Filmstar

Waehrend die Erwachsenen Forellen fischen, liege ich lieber im Schatten in der Haengematte

Dieses Mal habe ich noch nichts ueber das Filmstar-Gefuehl geschrieben, das mich bei bisher allen Auslandsaufenthalten begleitet hat. Das hat einen sehr einfachen Grund: Mit Melissa gibt es einen neuen Star, hinter dem alles andere unwichtig erscheint. So werde ich morgens von Silvias Mutter mit einem "Buenos dias!" (Guten Morgen) begruesst, auf das sofort besorgt folgt "Y la bebé?" (Und das Baby?). Nur wenn ich gleich mit dem Baby auf dem Arm herunterkomme, ist die Welt in Ordnung und es folgen Ausrufe des Entzueckens. Wenn Melissa mal etwas laenger schreit, kommt gleich jemand mit vorwurfsvollem Blick und fragt "Was macht ihr mit meinem Baby, warum schreit sie?". Melissa gehoert hier allen, jeder (zumindest jede Frau) sagt hier mi guagua (Inka/Indio-Sprache Kichwa: Baby), mi bebé, mi princesita (Prinzessinchen), mi preciosa (Schoene) aber auch mi gordita (mein Dickerchen) zu ihr. Neulich sassen wir abends beim Kartenspielen, als ein schwarzer Nachtfalter durch die offene Tuer geflogen kam. Ploetzlich hatte Melissa ihn gefangen, mit ihrer rechten Hand, und zeigte ihn stolz dem belustigten Publikum. Uns Erwachsenen war es vorher nicht gelungen, den Falter zu fangen...

Hier ein paar weitere Fotos ihrer letzten Entwicklungen:

Auf meiner Zahlenmatte kann ich mich besser drehen, als auf dem weichen Bett von Mami und Papi. Bald fange ich an zu krabbeln!

Ich mag keinen Brei, lieber saftige Melone!

Ich bin viel gelenkiger als Papi und kann meinen Fuss locker in den Mund stecken!

Donnerstag, 20. Mai 2010

Kurzer Nachtrag zur Puyo-Spezialitaet

Die im letzten Artikel gezeigte Puyo-Spezialitaet hat eine lustige Geschichte. Die Speise heisst Volquetero (Lastwagenfahrer) und wurde erfunden, als ein Lastwagenfahrer in Puyo grossen Hunger hatte und an einem Imbiss vorbei kam. Dort wurde eigentlich nur Chocho (kein Mais, wie irrtuemlich im letzten Artikel geschrieben, sondern ein Lupinengewaechs) verkauft, also die weissen Huelsenfruechte mit Zwiebeln und Aji (scharfe Tabasco-aehnliche Sausse). Da der Fahrer aber mehr Hunger hatte, hat er gesagt, der Teller solle doch mit einer Dose Thunfisch, Tostados (gebratenem Mais) und vielen Bananenchips aufgefuellt werden. Gesagt, getan, dieses Gericht wurde daraufhin sehr populaer in dieser Strasse von Puyo und wird dort jetzt in mehreren Lokalen angeboten.

Volquetero: u.a. Bananen-Chips, Lupine, Mais und Thunfisch

Dienstag, 18. Mai 2010

Hochzeit, Taufe, Flitterwochen

Nach der Hochzeit und Taufe vor der Kirche: Silvias Vater, Trauzeugin Irma, wir, Padre Patricio, Tante Rosa, Silvias Mutter, Trauzeuge Dirk, Tante Mercedes "Miche"

Die letzten Wochen waren turbulent: kirchliche Hochzeit, Taufe, Besuch aus Deutschland, Flitterwochen. Jetzt ist wieder etwas Ruhe eingekehrt. Aber der Reihe nach:

Melissas Taufe mit Patentante Birgitta und Padre Patricio

Die Hochzeit und Taufe ist trotz kleinerer Pannen gut verlaufen. In Berlin hatten wir ja den Brautstrauss zu Hause vergessen, diesmal haben wir daran gedacht, aber nicht an die Taufkerze fuer Melissa. Padre Patricio ueberspielte das galant und nahm eine rote Kerze vom Altar: "Die nehmen wir stattdessen". Er selbst hatte am Ende des Gottesdienstes schon fast die Taufe vergessen gehabt. Silvia erschien spaeter zur Kirche, da sie auf das vereinbarte Glockenlaeuten wartete, das der Kuester vergass. Und auf unserer Hochzeitstorte war keine Figur angebracht. Aber diese Kleinigkeiten haben wahrscheinlich nur wir selber gemerkt... Zur Statistik: wir waren ca. 50 Personen, etwas weniger als vorher geschaetzt, haben bis nach Mitternacht zur Musik des genialen DJs Hector Lopez (Silvias Cousin) getanzt, die deutsch-ecuadorianischen Beziehungen wurden ausgebaut, Miss-Rio-Negro-der-Herzen Cris hat den Brautstrauss gefangen, und Dauertaenzerin Cris 2, die Tochter des DJs, hat Silvias Strumpfband von Marvin angezogen bekommen, eine ecuadorianische Hochzeitstradition. Die letzten Gaeste haben sich als Aufraeumer betaetigt und bis 4 Uhr frueh die Rumreste mit Cola entsorgt...

Tanzen bis zum Abwinken, hier u.a. mit meinem Neffen Robin und Nichte Ronja

Mit Dirk, Robin und Ronja haben wir dann am Tag nach der Hochzeit einen Ausflug zu den Sehenswuerdigkeiten der Umgebung gemacht. Trotz oder gerade wegen des Regens war der Wasserfall "Pailon del Diablo" ein Erlebnis, im Gegensatz zum letzten Besuch vor zwei Jahren war er viel wuchtiger, da blieb kein Kleidungsstueck trocken. Die anschliessende Seilbahnfahrt ueber den zweiten Wasserfall "Manto de la Novia" (Brautschleier) war etwas getruebt von herabspritzendem Schmieroel, das unsere Kleidung verschmutzte.

Die neue Kathedrale von Cuenca

Unsere Flitterwochen gingen nach Cuenca und Macas. Anfaenglich war noch Birgitta dabei und wir nahmen uns einen Mietwagen von Ambato aus. Cuenca ist eine sehr schoene und wahrscheinlich die reichste ecuadorianische Stadt. Die Architektur erinnert an Andalusien (und steht unter Weltkulturerbe), die Eisdielen und Cappuccinos an die Toskana, die Torten an Wien. Hier hatten wir ein paar schoene Tage und haben auch wieder einen Ausflug in den Nationalpark Cajas auf 4.200m Hoehe gemacht. Birgitta flog dann von hier zurueck nach Quito und Berlin.

24 Meerchweinchen ueber dem Grill, zur Misswahl in Macas

Die Strecke Cuenca - Macas war die Bewaehrungsprobe fuer unsere Ehe. Autofahren in Ecuador ist ja schon so nicht einfach, und Dirks Goldene Regel "Lieber ein ecuadorianischer Bus vor einem als hinter einem!" habe ich immer beherzigt. Und dass gut ausgebaute Strassen schlagartig in loecherige Schotterwege uebergehen koennen, war auch keine Ueberraschung mehr. Ein einspuriger, pechschwarzer Tunnel war dann die erste, noch einfache Mutprobe. Schwieriger war das Durchqueren eines kleinen Flusses direkt neben einem Wasserfall. Die Vierradjeeps fuhren da locker durch das steinige Flussbett, aber unser Kia-Mietwagen? Beim ersten Versuch setzte der Wagen im Wasser laut auf die Steine auf, zum Glueck kamen wir rueckwaerts wieder heraus. Beim zweiten Versuch an einer flacheren Stelle hat es dann geklappt. Ein paar Stunden spaeter, wir waren jetzt schon sieben Stunden unterwegs, endete die Strasse in einem riesigen Erdrutsch. Baggerfahrer arbeiteten schon daran, aber diese Menge an Erde und Baeumen war nicht schnell weg zu bekommen. Behelfsmaessig war aber eine Schlammrampe mit gefuehlten 45º Steigung ueber den Erdrutsch angelegt worden. Beim ersten zaghaften Versuch den Berg hoch drehten die Raeder irgendwann durch und die Arbeiter empfahlen, einen zweiten Anlauf mit ordentlichem Schwung zu nehmen. Beim Rueckwaertsrunterfahren bleiben wir aber stecken, und die Arbeiter schoben uns freundlicherweise aus dem Schlamm. Mit Schwung ging es dann beim zweiten Mal gut hoch, aber auch hier schlug der Unterboden dabei staendig auf im Schlamm steckende Steine. Gut, einen Tod muss man halt sterben, und ich sah die 1.200$ Selbstbeteiligung fuer Mietwagenschaeden schon entschwinden. Nach neun Stunden Fahrt sind wir dann voellig erschoepft und mit schlackernden Knien in Macas angekommen und haben das erstbeste Hotel genommen.

In Macas mit neuer Kopfbedeckung.

Macas hat ausser einer atemberaubenden Dschungel-Umgebung nichts zu bieten. Aber wir hatten Glueck, es war gerade die Fiesta von Macas - und natuerlich gab es eine Misswahl. Was waere auch ein Ecuador-Aufenthalt ohne eine Misswahl? Gewinnerin war diesmal die erst 14-jaehrige Thalia, die das Publikum mit einer herzzerreissende Ansprache an ihre Heimatstadt zu einem Beifallsausbruch brachte. Kulinarisch gab es wieder im Ofen gebratenes Schwein (Portion 3$, meine Praeferenz) oder gegrillte Meerschweinchen (Haelfte fuer 10$, Silvias Wahl).

Die 14-jaehrige Thalia, Miss Macas (Macabenia Bonita) 2010

Zum Abschluss der Flitterwoche haben wir Rosa in Puyo besucht, einen schoenen Flussspaziergang gemacht, und hinterher folgende Puyo-Spezialitaet gegessen:

u.a. Bananen-Chips, Mais und Thunfisch

Und der Mietwagen? Den haben wir heute frueh nach einer behelfsmaessigen Wagenwaesche ohne Beanstandungen wieder abgegeben...

Montag, 3. Mai 2010

Verschiedene Eindruecke aus Ecuador

Die letzte Woche sind Birgitta und Rosa aus Deutschland gerade rechtzeitig nach der Flugfreigabe in Europa hier eingetroffen, so dass wir viel unterwegs waren. Anbei ein paar Eindruecke, auch allgemein zu Ecuador.

Strassenkuenstler in Quito

Korrektur Kinderwagen: Rosa hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass man an vielen Orten in Ecuador doch ganz gut mit Kinderwagen zurecht kommt, z.B. in Puyo, wo sie Ihre Tochter Shirley mit Kinderwagen gross gezogen hat.

Am Aequatordenkmal Richtung Otavalo: je ein Bein auf der Sued-, eins auf der Nordhalbkugel

Autofahren in Quito - Altstadt: In Quito haben wir uns einen Mietwagen genommen, um ein paar Tage nach Otavalo im Norden zu fahren. Die erste Nacht haben wir aber in Quito verbracht. Den Wagen haben wir vor der Hotelsuche in ein Parkhaus gestellt, dann das Hotel ausgesucht und dort erfahren, dass das Hotel eine Garage hat. Also bin ich das Auto "mal schnell" aus dem Parkhaus holen gegangen, das Parkhaus war nur 2 Bloecke vom Hotel entfernt. Die Fahrt gestaltete sich aber schwierig, durch die vielen Einbahnstrassen und Strassensperrungen am Sonntag fuhr ich staendig im Kreis und es war kein direktes Durchkommen zur Hotelstrasse moeglich. Meine Kreise wurden immer groesser, trotzdem landete ich immer wieder am selben Punkt eine Strasse zu weit suedlich. Nach einer Stunde und einer Odysee durch die ganze Altstadt von Quito hatte ich schliesslich doch eine Moeglichkeit gefunden, fand vorm Hotel die verzweifelt wartende Silvia wieder, die sich natuerlich schon Sorgen gemacht hatte, und stellte das Auto mitten in einer stark abschuessigen Fussgaengerzone vor das Hotel - die Hotelgarage war verschlossen und von aussen so eng, dass das Einfahren in Schraeglage ein Abenteuer versprach. Da die Frau mit dem Garagenschluessel nicht aufzutreiben war, haben wir das Auto dann schliesslich wieder im urspruenglichen Parkhaus abgestellt, der Weg in diese Richtung hat noch nicht einmal fuenf Minuten gedauert...

Kirche in Otavalo

Biertrinken und Stromausfall: Abends wollten wir mit Birgitta an ihrem ersten Tag noch schoen ein Bierchen trinken gehen, ebenfalls ein aussichtsloses Unterfangen. Kneipen wie bei uns gibt es nicht, in (ecuadorianischen) Restaurants gibt es oft kein Bier, und eine Hotelbar gab es auch nicht. Empfehlung vom Hotel: Kauft Euch doch im nahen Supermarkt die Flaschen und trinkt sie im Hotel. Also bin ich um 18:30 los, zwei Bierflaschen, einen Trinkjoghurt fuer Silvia und etwas Schokolade zu kaufen. Gerade als ich die Tuer vom Supermarkt-Kuehlschrank oeffne, geht das Licht aus. Stromausfall und ziemliche Dunkelheit im ganzen Bezirk! Nach einer Minute geht das Notstromaggregat im Supermarkt wieder an, so dass wenigstens hier keine Panik ausbricht. Im selben Moment faengt Silvia gerade an, Melissa zu wickeln und Birgitta sitzt auf der Toilette. Der Stromausfall dauerte eine Stunde und wir konnten die Taschenlampenfunktion von meinem Handy mal gut nutzen...

Birgitta, Rosa und Silvia in San Francisco zu Rosas Geburtstag

Fangen von Dieben: Am Freitag abend sehen wir in den Nachrichten, wie zwei Verbrecher in Riobamba von der Menschenmenge gefasst und vor Eintreffen der Polizei blutig geschlagen wurden. Solche Selbstjustiz findet man hier oft, laut Silvias Eltern auch deshalb, weil die Polizei die Straftaeter oft nach ein paar Tagen schon wieder laufen laesst. Am Samstag morgen in San Francisco werden wir von Tumult geweckt. In unserem kleinen Dorf sind zwei Einbrecher gefasst worden, die ein Haus ausgeraumt haben. Die Buerger haben sich ueber Handy schnell zusammengerufen und die Diebe gefasst. Auf dem Dorfplatz wurden sie bis zum Erscheinen der Polizei in Verwahrung genommen und von den wuetenden Buergern wohl auch mit einem dicken Stahlseil geschlagen.

Verkehrsicherheit: Hier gibt es viel Positives im Vergleich zu 2006 und 2008 zu berichten, man sieht jetzt z.B. deutlich weniger Menschen ohne Gurt Autofahren und die Windschutzscheiben haben fast kaum noch Spruenge. Grund dafuer ist ein Punktesystem, das letztes Jahr eingefuehrt wurde: aehnlich wie bei uns gibt es fuer jedes Vergehen Punkte (z.B. 1,5 Punkte fuer Fahren ohne Gurt, Risse in der Scheibe oder auch schwarz getoente Seitenscheiben), bei 30 Punkten wird einem der Fuehrerschein abgenommen.

Power-Tourismus in Puyo: Unsere Berliner Trauzeugin Rosa ist eine echte Powerfrau. Letzten Freitag hat sie mit ihrem Sohn Diego Birgitta und mich nach Puyo zu einer Rundfahrt eingeladen. Wir hatten Zeit von 09:00 bis 16:00, da um vier Silvias und mein Hochzeitskurs begann. In diesen sieben Stunden haben wir fuenf Highlights besichtigt, von Aufzuchtstationen fuer Tapire, Schlangen und Affen ueber exotische Voegel bis hin zu einem Wunderschoenen und hohen Baumhaus mit Blick ueber den Dschungel und einer Urwald-Wanderung zu einem 30m hohen Wasserfall. Wir haben alles prima geschafft, waren abends selber geschafft, aber haben Eindruecke bekommen, die noch lange anhalten werden!

Hochzeitskurs: Unser Priester aus Puyo war wie erwartet deutlich entspannter mit unserem Hochzeitskurs. Um vier Uhr begruesste er uns freundlich mit kurzer Jeans und Poloshirt in seinem Buero ueber der Kirche - und schaltete den DVD-Spieler und Fernseher ein. Wir sahen dann 1,5 Stunden ein Video eines begnadeten kolumbianischen Predigers mit dem doppeldeutigen Titel "Die Ehe ist kein Kreuz". Er hat sehr unterhaltsam und gut geschildert, auf welchen Prinzipien eine ideale Ehe aufbauen sollte, zusammengefasst sind das Solidaritaet, Augenhoehe aber auch Autonomie der beiden Partner. Danach hat er uns gefragt, ob wir noch Fragen haben und wir haben noch die letzten Details der kirchlichen Zeremonie geklaert. Na bitte, es geht doch auch anders!

Fernsehmania in Ecuador: Ecuadorianer sind anscheinend begeisterte Ferngucker, jedenfalls laeuft der Fernseher ziemlich oft: in Bussen (mit DVDs), im Restaurant (was manchmal ziemlich nervig ist) oder zu Hause. Den Hoehepunkt haben wir bei einer Cousine von Silvia erlebt: das Haus hat vier Zimmer und fuenf Fernseher (einer naemlich noch in der Kueche), nur im Bad gab es keinen Fernseher. Und alle Fernseher liefen, hingeguckt hat aber keiner. Zukuenftig wird der Fernseher vielleicht durch ein anderes Medium abgeloest: im gleichen Haus lief naemlich auch staendig ein Internet-Computer, bei dem sich die beiden Kinder (4 und 16 Jahre alt) um ihre Zugriffszeiten gestritten haben. Der Kleine konnte noch nicht lesen, aber die Spiele im Internet konnte er problemlos bedienen. Sie hat dagegen mit ihren Freundinnen gechattet und sich beschwert, wenn die Mutter die Chats lesen wollte.

Mittwoch, 21. April 2010

Warten und Spontaneitaet

Mit Silvias Verwandten Cristina, Wilma (Cousine) und Irma im Garten der ehemaligen Villa von Juan Léon Mera, dem Dichter der ecuadorianischen Nationalhymne, Ambato

Annikas "Klassiker"-Blog-Eintrag "Warten und Spontaneitaet" von 2006 ueber zwei typisch ecuadorianische Eigenschaften findet heute seine Fortsetzung. Fangen wir an mit der Spontaneitaet, oder auch mit der Sorglosigkeit, die damit eng zusammenhaengt. Das letzte Mal habe ich ueber die Hochzeitsvorbereitungen berichtet, eigentlich war alles von uns fertig geplant, bis auf ein entscheidendes Detail: wir haben kein Zelt fuer den Hof vor Silvias Elternhaus bekommen, Schuld war nicht der Muttertag am Sonntag, sondern die Kommunionsfeiern, die hier Anfang Mai stattfinden. Auch hatten wir fuer einige andere Dinge noch keine richtige Loesung, der Vorhof ist z.B. mit Kies ausgelegt, was sich nicht gut zum Tanzen eignet. Dann das Geschirr: sollen/koennen wir hier Geschirr mieten, oder Pappteller kaufen, worueber dann hinterher aber gerne geredet wird? Diese Fragen im Kopf kamen wir am Montag aus Ambato wieder zurueck nach San Francisco, als uns Silvias Eltern verkuendeten, sie haetten gute Nachrichten fuer uns, aber wir sollten erst einmal Mittag essen. Die Nachrichten waren, dass bei einem Besuch von Tante Rosa und Tante Mercedes am Wochenende die Hochzeitsplanung mal eben komplett umgestellt wurde: die Hochzeitsfeier findet nicht bei Silvias Eltern statt, sondern in einer Pizzeria im Nachbardorf Victoria. Die Familie hatte am Sonntag alles klar gemacht, und da sie uns als Eltern fuer das Hochzeitsessen einladen, haetten sie natuerlich auch das Recht dazu. Erst einmal waren wir geschockt ueber diese Fremdbestimmung, aber nach und nach wurden uns die positiven Effekte dieser gluecklichen Wendung immer mehr bewusst: die Zeltfrage war ueberfluessig, ebenso die Geschirrfrage und die anschliessende Besichtigung der Pizzeria ergab, dass nicht nur ein grosser Raum mit Tanzflaeche und Diskobeleuchtung zur Verfuegung steht, sondern auch zwoelf Zimmer im gleichen Haus, besser ausgestattet und um einiges guenstiger als der angedachte Ferienpark (in dem ich uebrigens noch nie Gaeste gesehen habe, und ich jogge fast taeglich an ihm vorbei). Die Sorglosigkeit hier geht also weiter, man muss nur warten und es findet sich eine Loesung. Und das Pata-Negra-Schwein? Das wird zumindest fuer den Samstag nicht geschlachtet, vielleicht fuer den Sonntag, an dem sich nach Silvias Prognose die ganze Familie ein zweites Mal versammeln wird...

Aufnahmen fuer einen Modekatalog in Ambato

Kommen wir nun zum Warten: Gestern war der dritte Tag unseres Hochzeitskurses, haette zumindest sein sollen. Wir hatten uns erst lose fuer vier Uhr nachmittags verabredet, das dann am Vormittag nochmal telefonisch bestaetigt. Der Kurs dauert immer zwei Stunden und da wir Melissa nicht viel laenger als drei Stunden ohne Silvia lassen koennen (sie wird noch gestillt), haben wir alles geplant: Silvias Schwester Irma kam als Babysitterin extra aus Ambato angereist, Melissa wurde um kurz vor vier noch einmal in Baños gestillt und dann Irma mit nach Hause (San Francisco) mitgegeben. Um vier erfahren wir dann im Hotel des Kursehepaares von der kleinen Tochter, dass wir um fuenf wiederkommen sollen, der Vater haette noch was zu erledigen. Nun war das nicht das erste Mal, beim letzten Kurs schon kam Ivan (so heisst er) eine halbe Stunde zu spaet, und das andere junge Hochzeitspaar erzaehlte uns, sie haetten mitunter zwei Stunden auf den Kursbeginn warten muessen. Das geht natuerlich nicht, wenn Melissa auf Mamis Milch wartet, und das wusste Ivan auch. Also ist uns ein bisschen der Kragen geplatzt und wir haben uns ueber diese Unzuverlaessigkeit beschwert, worauf gleich Ivans Frau aus einem Nebenzimmer herbeigelaufen kam, aber trotz zwei eigener Kinder nichts Schlimmes an dieser Situation sah. Im Gegenteil wurde sie noch frech. Eigentlich wollten wir jetzt gleich wieder nach San Francisco fahren und nicht eine Stunde auf den Beginn warten. Aber Silvia hatte eine bessere Idee: wir sind zur Kirche in Baños gegangen, haben uns beschwert und gefragt, ob wir den Kurs wechseln koennen, da das Ehepaar offenbar keine Zeit fuer den Kurs haette. Ein Wechsel waere nur moeglich gewesen, wenn wir bei einem anderen Paar wieder bei Null anfangen, also haben wir (bzw. Silvia) uns weiter bis zum obersten Kirchenrat von Baños beschwert. Schliesslich wurde uns erlaubt, den Kurs nicht in Baños, sondern bei dem Pastor aus der Nachbargemeinde Puyo, der uns auch traut (weil der Pastor von Baños zwar unheimlich nett ist, aber nie Zeit hat), durchfuehren zu duerfen. Dieser Pastor scheint uns sehr viel entspannter in Bezug auf den Hochzeitskurs, er sprach z.B. gar nicht von einem Kurs, sondern nur von einer "conferencia", also einem einmaligen, kurzen Treffen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.

Statt Kinderwagen macht sich ein Tragesack in Ecuador ganz gut.

Melissa schlaeft tagsueber gut zwei Stunden trotz Autolaerms von der etwa 15m entfernten Landstrasse

Wie steht es eigentlich mit der Beziehung von Maennern und Frauen zu Babys hier in Ecuador? Zuerst einmal ist mir aufgefallen, dass Frauen hier ein sehr viel innigeres Verhaeltnis zu Babys haben als Maenner. Melissa wird von fast jeder Frau aus der Familie erst einmal in/auf den Arm genommen, und Silvias Schwestern Irma und Amparo in Berlin wickeln Melissa wie selbstverstaendlich. Maenner geben Melissa meist ihren Zeigefinger zum Spielen und wenden sich bald wieder ab. Beim Wickeln bin ich der einzige Mann bisher. Auch auf den Strassen sieht man hier selten Maenner, die ein Kind auf dem Arm haben. Aehnlich bei den Indios: die Frauen sind fuer die Kinder zustaendig und tragen selbst groessere Kinder (2 Jahre) in einem Tuch quer auf dem Ruecken. Durch diese Aufgabentrennung wird verstaendlich, dass Frauen hier immer nur "mi hijo/a" (mein Sohn/Tochter) sagen, aber nie "nuestro hijo" (unser Sohn), selbst wenn der Mann direkt daneben steht. Kinderwagen sieht man kaum, die Buergersteige und Staedte sind auch nicht darauf ausgerichtet: oft sehr eng, versperren Geschaefte oder Strommasten noch zusaetzlich den Weg.

Fuer Kinderwagen ist hier kein Durchkommen

Samstag, 17. April 2010

Der Hochzeitskurs und Handwerker

Silvia und ich werden ja hier katholisch heiraten. Dass es eine "Mischehe" wird (ich evangelisch, sie katholisch), stoert den Pastor nicht, und zum Glueck besteht er auch nicht mehr auf einem Nachweis, dass wir in Berlin regelmaessig zur Kirche gehen. Dafuer kommen wir aber um einen Hochzeitskurs nicht herum, den wir gerade absolvieren. Es sind 4 Abende oder ein kompletter Samstag (wegen Melissa haben wir uns fuer die Abende entschieden), und wird von einem Ehepaar durchgefuehrt, sollte zumindest. Am ersten Abend war das Paar naemlich gar nicht da, und dafuer sassen wir mit acht Frauen, davon eine Nonne, zusammen, haben gebetet und das Osterfest aus Sicht des Dominikanischen Ordens (der in Baños die Kirche leitet) betrachtet. Am zweiten Abend war nur der Mann anwesend und immerhin ein anderes Paar, das morgen kirchlich heiratet. Sie ist 16 Jahre und kommt von der Kueste Ecuadors, er sah auch nicht viel aelter aus und kommt aus den Bergen. Hier wurden nun ganz praktische Dinge besprochen: Werte, Kindererziehung, gemeinsame Haushaltskasse (Guetergemeinschaft) und wieviel noch fuer´s Sparen uebrig bleibt (bei 400$ Einkommen fuer zwei Personen in Ecuador 110$ im Monat), aber auch das Zusammenbringen der beiden Familien. Am Schluss wurde uns dann noch gezeigt, was wir bei der Trauung wann sagen muessen. Der Pastor wird uns z.B. fragen, ob wir auch wirklich freiwillig vor den Altar treten, und wir muessen dann geschlossen und mit lauter Stimme antworten. Ich bin gespannt auf die restlichen beiden Abende.

Melissa isst das erste Mal Brei, aus Kartoffeln und Moehren. Den Anistee spuckt sie wieder aus...

Ansonsten gehen die restlichen Vorbereitungen voran, wir haben schon 200m von Silvias Eltern entfernt ein Touristenareal mit drei Huetten, Sauna und Swimmingpool fuer die Gaeste angemietet, die ueber Nacht bleiben wollen, wobei wir wahrscheinlich bis zum Schluss nicht wissen werden, wie viele Gaeste wirklich kommen. Bisher haben wir noch kaum eine Zusage, obwohl in der Einladung darum gebeten wurde. Meine Freunde aus Guayaquil (Kueste), die hier in den Bergen so beliebt sind wie die Bayern in Preussen (die Kuestenbewohner werden "monos" - Affen genannt), werden dort wegen der langen Anfahrt schlafen, waehrend viele von Silvias Verwandten wohl am gleichen Abend wieder nach Hause (San Francisco, Puyo, Baños, Mera) fahren werden. Die Torte ist bestellt (kostet etwa ein Drittel so viel wie in Berlin), Tische und Stuehle gemietet, ein DJ (Silvias Cousin) gebucht, ein Fotograf ist auch in Silvias Verwandtschaft, und das schwarze Schwein wird nach Baños gebracht, geschlachtet und in einem speziellen Ofen im Ganzen gebraten. Nur ein Zelt fuer den Vorgarten haben wir noch nicht bekommen, anscheinend sind die fuer den Muttertag am 9. Mai schon alle ausgebucht.

Arbeitsschutz wird in Ecuador nicht gross geschrieben, hier eine verstaerkte Klappleiter fuer Dacharbeiten

Am Haus der Eltern wurden noch einige handwerkliche Arbeiten ausgefuehrt, und es ist interessant hier den Unterschied zwischen Deutschland und Ecuador zu sehen. Der Handwerker ist der Maestro, und er ist nicht wie bei uns spezialisiert, sondern macht fast alles von Rohrverlegung bis zur Einebnung und Kiesverteilung auf dem Vorplatz des Hauses. Er hat einen Tagessatz von ca. 25$ und nimmt sich manchmal noch ungelernte Helfer dazu. Leider steht die Arbeitssicherheit hier nicht im Vordergrund. Der Maestro war mal ein halbes Jahr im Krankenhaus, weil er mit der Trennscheibe in sein Gesicht gekommen war, dort ziert ihn nun eine lange Narbe und er hat nur knapp ueberlebt. Trotzdem arbeitet er weiter ohne jede Schutzmaske. Als Verlaengerungsschnur benutzt er normale Kabel ohne Stecker, der Kupferdraht wird direkt in die Steckdose gesteckt. Auch sieht man in vielen Badezimmern Kabel ueber der Dusche haengen, da die Duschen elektrisch beheizt werden, direkt am Duschkopf. Nicht immer sind die Kabelverbindungen mit Isolierband abgeklebt...

Samstag, 10. April 2010

Alltag in San Francisco

Die Fanesca in Nahaufnahme

Zur Ehrenrettung der Latino-Maenner muss ich mich korrigieren, sie haben doch bei der dicken Fischsuppe geholfen. Der stinkende, grosse Trockenfisch musste naemlich entschuppt und gewaschen werden, keine angenehme Aufgabe. Dafuer hat sich Cousin Marvin sogar sein Hemd ausgezogen, um den Geruch nicht anzunehmen. John und ich haben beim Pellen der Maiskoerner und Bohnen geholfen. Und wer am Rezept der Fanesca interessiert war: es kommt doch kein Ei hinein, und Linsen kann man reinmachen, hatten wir aber nicht.

Und jetzt wieder ein paar Dinge des Alltags in San Francisco. Es gibt hier keine Postzustellung, wie auch in anderen Teilen von Ecuador. Persoenlich schreiben sich die Leute keine Briefe mehr, seit es Internet gibt, also wie bei uns. Und die Rechnungen fuer Wasser, Strom und Telefon? Die muss man einmal monatlich persoenlich bei den drei Gesellschaften einzahlen und erfaehrt dabei die genaue Summe des letzten Monats. In den groesseren Staedten wie Ambato bekommt man seit kurzem die Rechnungen auch zugeschickt, hier gibt es Briefpost. Interessanterweise wird ueber die Stromrechnung auch die Muellabfuhr und die Feuerwehr bezahlt. Die Polizei dagegen wird aus den Steuern finanziert, wie bei uns. Wenn man doch jemand einen Brief zustellen moechte (wie wir im Moment mit den Einladungen zur Hochzeit), kann man es einem Bus mitgeben. Den Empfaenger ruft man dann ueber Handy an, dass er den Brief im Buero der Busgesellschaft abholen kann...

Versorgung in San Francisco: Regelmaessig halten Transporter vor dem Haus von Silvias Eltern, und verkaufen direkt vom Wagen: Trinkwasser (in ca. 10l-grossen Plastikbehaeltern fuer 1,50$, die man bei uns oft als Wasserspender bei Aerzten oder Behoerden sieht), Gasflaschen (zum Kochen), Milch (unbehandelt und frisch von der Kuh), Broetchen (kommt jeden Abend und ist durch sein Hupen nicht zu ueberhoeren) und Gemuese. Bezahlt wird direkt in bar, ein sehr praktischer Service - solange immer jemand zu Hause ist.

Hochzeitsvorbereitungen: dieses arme, aber edle Schwein (pata negra) im Garten von Silvias Eltern wird der kulinarische Hoehepunkt der Hochzeit werden...

Busfahren: hier hat sich zu meinen frueheren Berichten nichts veraendert. Enricos Goldene Regel (pro Stunde Fahrzeit 1$) gilt immer noch. Neulich waren durch starke Regenfaelle (die uebrigens in ganz Suedamerika waren) einige Erdrutsche auf der Verbindungstrasse von San Francisco Richtung Urwald (Puyo), und teilweise war sogar ein Stueck der Fahrbahn weggebrochen in die ca. 50 m tiefer liegende Schlucht vom Rio Pastaza. Zeitweise war die Autoverbindung nach Puyo dadurch ganz unterbrochen. Als wir dann wieder fahren konnten (in Puyo haben wir die Einladungen fuer die Hochzeit drucken lassen), waren die Aufraeumarbeiten noch in vollem Gange, man hatte ein bisschen das Gefuehl von Weltuntergang. Sehr passend dazu wurde im Bus der Untergang der Titanic auf DVD gezeigt...

Melissa kurz nach einem riesigen Entwicklungssprung: Ihre erste selbstaendige Drehung vom Ruecken auf den Bauch!

Rituale: Schamanentum und Rituale sind in Ecuador weit verbreitet. Bekannt ist einigen sicherlich noch, dass vor der Fussball-WM 2006 ein ecuadorianischer Schamane alle Stadien, in denen die ecuadorianische Mannschaft spielen wuerde, geweiht hatte. Andere Braeuche, die uns im Zusammenhang mit Melissa angetragen wurden:
  • Das Einreiben des Babys mit einem rohen Ei (also nicht dem Inneren, sondern dem intakten Ei) verhindert Krankheiten.
  • Die Eltern sollen immer Zuendhoelzer dabei haben, wenn sie mit dem Kind unterwegs sind.
  • Das Baby soll ein rotes Armband tragen.
  • Man darf das Baby nicht auf den Mund kuessen, sonst sabbert es.

Die schoene Cris mit ihrer Kusine Melissa

Miss-Wahlen: Die sind hier ja sehr beliebt, Melissas Kusine Cristina hat sich 2008 an der Wahl von Miss Rio Negro beteiligt. Das bedeutet einigen finanziellen Aufwand, da sich die Kandidatinnen 3 verschiedene Kleidersets kaufen muessen, und sie vom Veranstalter nur 200$ erstattet bekommen. Deshalb haben sich nur 3 Kandidatinnen beworben und Cris war eindeutig die Schoenste der drei. Gewonnen hat dann ein etwas dickeres Maedchen, die zwar nicht huebsch, deren Familie aber dafuer nicht nachvollziehbar reich ist ("Wir haben dreimal hintereinander im Lotto gewonnen...").

Ansonsten geht es uns allen prima hier, das Leben auf dem Dorf und die langen Regenfaelle geben einem viel Zeit fuer Melissa aber auch fuer ein anderes Hobby, das ich im letzten halben Jahr praktisch nicht mehr ausgeuebt habe: Lesen. Und Melissa hat alle Zeit-, Klima-, Windel-, Bett- und Essensumstellungen wie ein Profi vertragen und ueberstanden!