Translate

Dienstag, 28. November 2006

Alltag in Ecuador V

Ich will jetzt nicht jeden Tag einen neuen Artikel schreiben, aber heute habe ich mich so gefreut, dass ein langer Kampf gegen die Windmühlen sein glückliches Ende nahm:

Behörden

Über die Beantragung des Censos hatte ich ja schon berichtet. Der Censo entspricht in etwa der Meldebescheinigung, und mit ihm wird man in Ecuador bei vielen Touristenattraktionen wie ein Einheimischer behandelt. Es gibt da nämlich enorme Unterschiede bei den Eintrittspreisen. Beispiel Galapagos-Inseln:
  • Eintritt Ausländer: 100$
  • Eintritt für Bürger von Andengemeinschaft- oder Mercosur-Ländern: 50$
  • Eintritt für Einheimische oder hier gemeldete Ausländer: 6$

Das sind Unterschiede, oder? Für die Ruinen von Ingapirca haben wir 6$ gezahlt, Einheimische zahlen 1$. An der Costa dagegen gibt es kaum Touristen, deshalb auch keine zwei verschiedenen Preise. Somit haben wir den Censo ausser in Cuenca bisher noch nicht gebraucht. Am Wochenende wurde ich aber doch unruhig, da in zwei Wochen die Galapagosreise ansteht und ich im Gegensatz zu Annika noch nicht einmal eine Bescheinigung hatte, dass ich den Censo beantragt habe (und er im Moment nicht prozessiert werden kann, da keine Formulare vorhanden). Also habe ich heute eine Stunde eher im Zoo Schluss gemacht und mich zur Policia de Migracion, zur Ausländerbehörde aufgemacht. Ziel war, den Censo zu erhalten (obwohl ja telefonisch immer gesagt wird, es gibt keine Formulare), oder zumindest die Annika-Bescheinigung.

Im Gegensatz zum letzten Mal (ein Freitagnachmittag im August) war diesmal am Montag das Wartezimmer gerammelt voll und es fand ein Mischsystem aus Schlangestehen und Wartenummern ziehen statt: man stand eine halbe Stunde in der Schlange, um dann eine Wartenummer (die 65) zu bekommen. Das Schicksal meinte es mal wieder gut mit mir, und sandte mir ein paar Feen. Die erste Fee schenkte mir nach einer Stunde ihre Wartenummer (die 58, immerhin 7 Plätze vorher). Mit dieser Nummer kam ich nach 2,5 Stunden um Punkt 18:00 (Ende der Sprechzeit) in das Amtszimmer. Dort dann die grosse Enttäuschung: die aufgrund des Andrangs schon etwas genervte Beamtin fragte nach den KO-Kriterien: sobre und especie, beides konnte ich nicht vorweisen - und tschüs! Mit sobre hatte ich schon gerechnet, das sind grosse gelbe DIN-A4-Briefumschläge, die in der Schlange alle ausser mir hatten. Especie war schon schwieriger, das Wort kenne ich nur aus dem Zoo und heisst Tierart. Sollte es aber im Erdgeschoss geben. Dort habe ich mich durchgefragt und für 4$ eine Mischung aus Wertmarke und Plastikträger für den späteren Ausweis erstanden. Briefumschläge gab es bei der Behörde nicht. Also habe ich schon frustriert das Gebäude verlassen (es wurde nach 18:00 keiner mehr reingelassen) und mich mental darauf eingestellt, am nächsten Tag wieder 3 Stunden auf dem Amt verbringen zu müssen.

Die zweite Fee sagte mir nun: nicht so schnell aufgeben! Gegenüber der Behörde ist der Zentrale Busbahnhof, und davor in den Geschäften gibt es eigentlich alles zu kaufen (z.B. Zahnbürsten), warum nicht auch Briefumschläge? Der erste Laden hatte tatsächlich das Gewünschte, schnell zurück gespurtet, dem verdutzten Einlassaufpasser bei der Behörde meine zweite Wartenummer (die 65, die erste wurde beim ersten Mal gleich einbehalten) gezeigt und ihn überredet, mich doch noch einmal reinzulassen. Oben stand noch fast die gleiche Schlange, ein Mann erkannte mich wieder und gestikulierte mir freundlicherweise, dass ich doch gleich ins Zimmer reingehen könne, ich wäre ja schonmal dagewesen. Dann ging alles ganz schnell, ich legte alles vor, meine ganzen Papiere wurden gar nicht mehr auf Vollständigkeit geprüft, sondern nur schnell in den Umschlag gesteckt, ein Digitalfoto von mir gemacht (was alle amüsiert hat, weil das Stativ nicht auf meine Grösse ausrichtbar war und ich in die Hocke gehen musste), der Ausweis mit Foto ausgedruckt, verschweisst, die Beamtin sagte, nach mir bearbeite sie nur noch zwei, die restliche Schlange könne morgen wieder kommen. Die 65 wäre nicht mehr herangekommen...

Was ich mich frage ist, warum man telefonisch immer vertröstet wird, wenn dann doch vor Ort alles vorhanden ist und der Ausweis ausgestellt werden kann. Oder ich hatte Glück, und die Formulare (oder die especies?) gibt es erst seit heute wieder, am Tag nach den Präsidentschaftswahlen.

Filmstar III

Ich habe in Filmstar I und II ja schon beschrieben, wie man hier auffällt, wenn man weiss, gross, blond und blauäugig ist. Bei meiner letzten Führung am Freitag haben z.B. die Schulmädchen gefragt, ob meine Augen echt seien, sie seien so schön blau. Sie haben dann selber eingesehen, dass die Frage unsinnig war, aber schmeicheln tut das schon und zum Abschied haben sie alle aus dem Schulbus herausgewunken und "Chao Tim!" gerufen.

Am Wahlsonntag war ich mit einer Freundin Yuli hier am Malecon und durch die Innenstadt bummeln. Nach einer Weile bekommt sie eine SMS von einer Freundin Tanya, die uns beide gesehen hat. Heute werde ich von Jenifer im Zoo angesprochen, was ich gestern gemacht hätte. Ihre Schwester Leo (die ich nur zweimal kurz im Zoo vorbeigehen gesehen habe) hätte uns gesehen. So klein ist Guayaquil, trotz der 4 Millionen Einwohner. Das erste Mal war mir dieser Paparazzi-Effekt in Esmeraldas aufgefallen, wo alle möglichen Leute (z.B. Verwandte von den Gastfamilien) immer genau wussten, wo wir waren oder gerade hingingen, die Gruppe von uns Weissen fiel halt auf...

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung in Guayaquil ist im Gegensatz zu Esmeraldas, wo das Wasser wohl öfters ausfällt, ganz gut. Trotzdem wird hier manchmal in ganzen Bezirken das Wasser abgestellt, wegen irgendwelcher Bauarbeiten. Als Ankündigung steht meist in der Zeitung, in welchen Bezirken und wann es gerade kein Wasser gibt. Da ich die aber nicht regelmässig lese, ist es immer eine böse Überraschung, wenn man wie heute verschwitzt von der Arbeit und dem Amt zurückkommt und dann auf dem Trockenen sitzt. Das passiert etwa 1-2 mal im Monat. Mal sehen, in Afrika werde ich mich bestimmt noch sehnen nach dem guten südamerikanischen Standard...

Montag, 27. November 2006

Präsidentenstichwahl

Die beiden Kandidaten in der Stichwahl: Rafael Correa (57%) und Alvaro Noboa (43%)
Ecuador hat heute in der Stichwahl einen neuen Präsidenten gewählt. Noch gibt es zwar nur Hochrechnungen, aber alle 3 grossen Institute sind sich einig, dass Rafael Correa gewonnen hat und am 15. Januar sein Amt antreten kann. Nur der Grossunternehmer und Bananenkönig Noboa, der Kandidat mit dem grössten Wahlkampfetat, zweifelt seine 3. Wahlniederlage in Folge an und kündigte rechtliche Schritte und eine Einzelstimmenauszählung an. Nach einer von ihm finanzierten Wahlumfrage führe er nämlich mit 6 Prozentpunkten Vorsprung...
Inzwischen fahren im Zentrum von Guayaquil Autokorsos mit den neongrünen Fahnen von Correa herum, das erinnert an die Fussball-WM, hat man das in Deutschland nach einer Wahl schon mal gesehen? Ansonsten wurden seit Freitag bis Sonntag nachmittag 768 Personen festgenommen, weil sie die ley seca, das Alkoholausschankverbot in den 48h vor den Präsidentschaftswahlen, gebrochen haben.

Sonntag, 26. November 2006

Alltag in Ecuador IV

Es gibt noch einiges zu schreiben über die kleinen Dinge des Alltags hier, wie stehen die Ecuadorianer z.B. zu

Handys?

Im Zoo arbeite ich ja mit vielen Leuten um die 20 zusammen, und jeder von ihnen hat ein Handy, einige sogar zwei. Das liegt daran, dass es hier zwei grosse Mobilfunknetzanbieter gibt, nämlich Porta und Movistar. Die meisten haben ein Handy mit Prepaid-Karte, die Gespräche innerhalb eines Netzes sind wesentlich billiger, als von einem Netz zum anderen, und viele kaufen sich für z.B. 2$ ein SMS-Paket für 120 SMSen dazu, die nur innerhalb des Netzes benutzt werden können. Eine SMS von Netz zu Netz kostet dagegen 7 Centavos. Die Handys kosten von 30$ in einfachster Ausführung bis zu 200$ in aktuell gängiger deutscher Ausführung mit Farbkamera, Video und grossem Display. Meine Familie hat mir eins für 30$ geliehen, fast alle anderen haben das Standardmodell für 200$! Ich frage mich, wie das bei den hier üblichen Arbeitslöhnen von 1$ die Stunde finanziert werden kann, ein Student muss hierfür alleine ca. 2 Monate lang arbeiten (hat mir Viviana erzählt, die im Moment für 2 Monate nicht mehr erreichbar ist, da ihr Handy im Reisebus gestohlen wurde. Schlimmer für sie ist noch, dass sie nun auch kein Adressbuch mehr hat, da alle Daten im Handy gespeichert waren). Von einem Netz ins andere wird hier grundsätzlich nicht telefoniert, und auch praktisch keine SMSen geschrieben. Dafür leiht man sich dann das Handy eines Freundes, der das gewünschte Zielnetz hat. Oder man hat halt zwei Handys, ein Porta und ein Movistar. Telefoniert wird auf dem Handy übrigens eher selten, meist ist nämlich kein Saldo mehr vorhanden, nur noch das SMS-Paket.

Mein Leihhandy hat Movistar, und damit bin ich ganz schön ausgeschlossen. Alle Movistar-Besitzer schwören zwar darauf, dass Movistar viel besser und billiger ist. Aber das ist wie bei Windows und Macintosh (obwohl Macintosh nicht billiger ist, der Vergleich hinkt also etwas): Porta hat sich trotzdem durchgesetzt und ist Marktführer. Somit schreibe ich zwar immer brav und fleissig viele SMSen an meine vielen Kontakte im Telefonspeicher, bekomme aber fast nie eine Antwort (ausser von Annika und Enrico, den deutschen Voluntären). Aber für den restlichen Monat lohnt sich jetzt der Umstieg von Movistar auf Porta auch nicht mehr...

Pünktlichkeit und Uhren

Das wird ja oft erwähnt, dass Südamerikaner immer zu spät kommen und keine Uhren tragen. Da muss ich mal eine Lanze für die Ecuadorianer brechen. Bei allen Verabredungen, die ich mit 1 oder 2 weiteren Ecuadorianern hatte (also Treffen von 2-3 Personen), waren die Ecuadorianer sehr pünktlich oder haben sich vorher kurz telefonisch gemeldet (sogar netzübergreifend!), dass sie etwas später kommen. Etwas anders ist es bei Familienfeiern oder Gruppentreffen. Da kommen die Gäste schon mal gerne 1-1,5 h zu spät. Aber der Rekord wird wohl von den nicht-ecuadorianischen (und nicht-deutschen) Voluntärinnen gehalten, in Guayaquil von der US-Amerikanerin Christine, die grundsätzlich zwischen 45 Minuten und 3,5 Stunden zu spät kommt.

Uhren werden hier wirklich seltener als bei uns getragen, was aber nicht heisst, dass die Menschen kein Interesse an der Zeit haben, im Gegenteil. Als Uhrenträger werde ich oft gefragt, wie spät es ist. Wahrscheinlich sind die Menschen dann nur zu faul, ihr Handy herauszuholen... Und wenn es um die Mittagspause oder den Feierabend geht, wissen alle ganz genau, wie spät es gerade ist.

Worte in die Tat umsetzen

Gabi aus Cuenca hat ein nettes Lieblingszitat auf hi5 (und das bezeichnenderweise auf deutsch!): "Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch TUN!". Das passt ganz gut zu Ecuador, wie oft habe ich erlebt, dass grosse Dinge besprochen oder angekündigt wurden (Reisen, Pläne fürs Wochenende, Geschenke, Aktivitäten), die dann sang- und klanglos nicht stattfanden, aber auch ohne dass dafür eine Absage gemacht worden wäre. So war ich in Gedanken schon in Riobamba auf dem Dach des sagenhaften Andenzuges um die Teufelsnase unterwegs, Fallschirmspringen an den Andenhängen, auf einer Studentenprojektreise in Guaranda (dem Rom Ecuadors), stolzer Besitzer eines Ecuador-Fussball-Nationaltrikots, auf dem Konzert der legendären Salsaband Gran Combo in Duran und auf der Affeninsel im Amazonasdschungel. Alles super Ideen (ok, dem Fallschirmspringen habe ich nicht ganz getraut...), die teilweise wochenlang vorher geplant wurden und über die auf einmal keiner mehr geredet hat. Oder Geburtstagspartyeinladungen, über deren Details mir noch Bescheid gegeben wird. Liegt das wirklich nur daran, dass ich Movistar habe?

Ich glaube, das ist ein grundlegender Mentalitätsunterschied hier im Vergleich zu Deutschland, genauso schnell, wie neue Ideen enthusiastisch auf den Tisch kommen, werden alte unvollendet nicht mehr weiterverfolgt, und das ganze unter Spontaneität verbucht. Ist im Prinzip ja auch nicht schlimm, wenn man nur rechtzeitig darüber informiert werden würde. Aber das wird hier anscheinend als Hol-, nicht als Bringepflicht angesehen.

Am heutigen Sonntag gibt es die Stichwahl um das Präsidentenamt. Mal sehen, wie die Politiker ihre Worte hinterher in die Tat umsetzen...

Liebe Grüsse nach Deutschland aus dem vorweihnachtlichen Guayaquil, hier stehen bei 30ºC schon überall die (künstlichen) Weihnachtsbäume und das Wettrüsten der Weihnachtsmänner und Lichterketten in den Vorgärten hat auch schon begonnen!

Donnerstag, 23. November 2006

Geburtstagsbilder

Ich bin ja noch die Bilder von meinem Geburtstag im Zoo schuldig, die Kerlly aufgenommen hat und mir jetzt dankenswerterweise über hi5 zur Verfügung gestellt hat:

Ich habe die Torte gerade erhalten und freue mich aufs Aufessen! - Der Gelbstich im Gesicht muss eine Spiegelung sein...

Morder la torta! - Kurz nach dem Anbeissen der Torte, alle freuen sich...

Gruppenbild mit den Guias
(obere Reihe: Paul, Geovanny Z., Gonzales, Willy (Wellington), Geovanny P.
mittlere Reihe: Denisse, ich, Nelly, Carlos, Marcos
untere Reihe: Kerlly, Lizbeth, Viviana, Yadira, Lissette)

Jetzt fotografiert Kerlly, dafür ist Ricardo mit auf dem Bild

Hi5 ist hier übrigens DAS Internetsystem, um mit seinen Freunden in Kontakt zu bleiben, es ist in Ecuador sehr weit verbreitet. Man kann seine Fotos hereinstellen, mit seinen Freunden chatten, Nachrichten verschicken usw. Meine hi5-Homepage: http://timheiko.hi5.com

Samstag, 18. November 2006

Eine Woche Cuenca

Ingapirca - Ruinen der Inkas und Cañari

Diese Woche verbringe ich in Cuenca, alle Voluntäre der Küste haben für eine Woche in Familien in der Sierra (Anden) getauscht und umgekehrt. In dieser Woche müssen wir nicht arbeiten. Meine Familie besteht aus den beiden Eltern Maria Eugenia und Alfredo, sowie den Söhnen José Luis (4), Juan Alfredo (10) und der Tochter Angelica (18), die gerade ein Austauschjahr mit AFS in Deutschland verbringt. In ihrem Zimmer bin ich untergekommen, die Familie ist sehr nett und versorgt mich mit allem: Essen, Fahrten in die Innenstadt, Vermittlung von weiblichen Singles (die beiden reizenden Mitzwanziger Gabriela und Andrea, erstere kann nach einem Austauschjahr in Deutschland perfekt deutsch sprechen) zum abends Ausgehen, Vermittlung eines Ganztagesausfluges in den Nationalpark Cajas mit befreundeten Führern. Alfredo hat eine Ranch mit 9 Pferden und fährt Rallyes, die Kinder sind pferdebegeistert (Springreiten, Rodeo) und spielen Fussball und Schach.


Cuenca - Azulejos (Kacheln) Strassenschilder wie in Andalusien

Cuenca hat einige Abwechslung gebracht. Die erste Umstellung war das Wetter in der Sierra. Von der Küste kannte ich nur täglich konstantes Wetter, jeden Tag 30°C, seit Juli nur einmal nachts eine Andeutung von Regen, die Abwechslung bestand darin, dass der Himmel manchmal bedeckt und manchmal ganz klar war. Hier hatten wir bei der Ankunft auf einmal Regen, und zwar richtigen deutschen Dauerregen, und nur noch 15°C. Das Wetter wechselt hier ständig, es kann vormittags schönster Sonnenschein mit Sonnenbrandgefahr sein und eine Stunde später kalt und Regen. Allerdings hat in der Sierra schon Anfang November die Regenzeit begonnen, die an der Küste erst im Dezember los geht. Einen Schirm hatte ich zum Glück mit, eine dickere Jacke für Ausflüge in die Berge wurde mir von der Familie geliehen.

Nationalpark Cajas mit Annika und Tim (Australien)

Die zweite Umstellung: Cuenca ist eine hübsche, saubere, ruhige Kleinstadt (mit 350.000 Einwohnern die 5-grösste Ecuadors), die Menschen sprechen deutliches Spanisch (ausser dem "rr", das hier eher wie "rjsch" gesprochen wird) und legen viel Wert auf Kultur. Die Küste ist dagegen heiss, laut, hässlich-modern, die Menschen sprechen schnell und unverständlich und essen genauso schnell. Die Bewohner der Küste werden deshalb als monos - Affen - bezeichnet. Die Familien in der Sierra haben mehr Hausangestellte, als ich es bisher an der Küste erlebt habe.

Da die Familie in der Woche gearbeitet hat und die Kinder in der Schule waren, habe ich mit Annika und dem anderen Tim viele Ausflüge gemacht: nach Ingapirca (Ruinen der Inkas und Cañari, letztere waren die Ureinwohner in dieser Andenregion, bevor für ca. 70 Jahre die Inka die Herrschaft übernahmen, dann kamen schon die Spanier), die Thermen von Baños (Cuenca) und gestern in den Nationalpark Cajas mit Wanderung, Freilichtmuseum und Forellenfischen. Die Wanderung auf 3.500 m Höhe war sehr anstrengend, zudem hat mittendrin der Dauerregen angefangen und auf den nassen Matschwiesen an den Berghängen sind wir alle mehrfach ausgerutscht. Naturgewalten in Reinform... Die beiden Führer Andres (seiner Familie gehört der Freizeitkomplex mit Forellenzucht) und Alexandra haben das alles mitgemacht und sich reizend um uns gekümmert.



Nationalpark Cajas bei Sonnenuntergang

Die Woche war sehr komprimiert, u.a. gab es eine Expressentführung eines reichen Unternehmers, dem Onkel von Alfredo. Montag abend entführt, die Forderung soll zwischen 1 und 2 Millionen Dollar gewesen sein, zwei Tage Verhandlungen, dann gab es einen Geldtransport der Bank im Panzerwagen in unbekannter Höhe, der Wagen wurde mehrmals umgeleitet (sollte auch mal kurz nach Guayaquil fahren) und Freilassung dann in der Nacht zum Donnerstag. Meine Familie war natürlich sehr besorgt, aber auch ruhig, man konnte ja nicht helfen. Der Geisel geht es den Umständen entsprechend gut, es war die erste Entführung in der Familie.


Maria Eugenia zeigt mir die Hacienda

Dann war ich bei zwei Familientreffen bei mir und bei Annika eingeladen, interessant beim ersten die zwei Diener, die einem ständig Whiskey oder Cola gebracht haben, und zwei völlig getrennte Gesprächskreise: zuerst war ich als einziger Mann bei den Frauen "verirrt", die sich über die festen Freunde der Töchter und Rezepte unterhalten haben, dann wurde ich zu den Männern gewunken, die ausschliesslich über Motocross und Autos geredet haben. Bei der zweiten Feier gab es nur einen Gesprächskreis, es ging um die bevorstehenden Präsidentschafts-Stichwahlen, wobei die Politik nicht erwähnt wurde, sondern ob die Kandidaten sympathisch wirken und vor allem, was deren Ehefrauen machen. Es war schon spät, Annika und ich waren durch den Cajas-Ausflug sehr müde, und ich machte dann den Fehler, nach der Bedeutung von 2 blauen Plastik-Armbändern zu fragen, die zwei der älteren Damen trugen. Das waren tatsächlich all-inclusive-Armbänder von dem DomRep-Urlaub vor einem Jahr, die als Andenken an die schöne Zeit immer noch getragen wurden. Fehler deshalb, weil sich der Aufbruch (und meine Mitfahrgelegenheit nach Hause) dadurch um ca. eine halbe Stunde verzögert hat...


Alfredo junior und senior trainieren Polo, Alfredo senior war mit 14 einer der besten Polospieler Ecuadors

Heute nachmittag geht es auf die Hacienda meiner Gastfamilie und morgen wieder zurück ins warme Guayaquil. Liebe Grüsse zurück nach Europa!

Weitere Bilder von Cuenca (die ganze Innenstadt steht unter Weltkulturerbe) und der Familie gibt es hier.

Mittwoch, 8. November 2006

Alltag in Ecuador III

Ich habe ja noch verschiedene Themen des Alltags versprochen, fangen wir mal an mit meinem Lieblingsthema, den

Bussen. Ständig können kürzere Unterbrechungen auftreten: Ich habe Fahrer erlebt,
  • die auf die Tankstelle gefahren sind und es sich im letzten Moment doch noch anders überlegt haben,
  • die ausgestiegen und an einem Wasserhahn ihre Trinkflasche aufgefüllt haben,
  • die den Bus wegen geringem Reifendruck geräumt haben, in diesem Fall bekommen alle Fahrgäste ihre 25 Centavos Fahrgeld wieder ausgezahlt.

Die fliegenden Händler fragen den Busfahrer immer nach Erlaubnis und bestechen ihn auch schon manchmal mit den angebotenen Produkten, wie einer Mandarine oder Bonbons. Bonbons werden immer an alle Fahrgäste mit 5-6 Stück auf die Hand ausgeteilt, dann werden sie angepriesen und im zweiten Durchgang wird entweder das Geld (25 Centavos Standardpreis) oder die Bonbons wieder eingesammelt. 25 Centavos ist auch der Bus-Standardpreis für:

  • Eis am Stiel,
  • 5 Mandarinen,
  • 10 in Plastik verschweisste Ciruelas (das sind kleine saure, grüne Pflaumen, die mit Salz gegessen werden, beim ersten Mal widerlich sauer, ab dem zweiten Mal schmecken die richtig gut...),
  • 2 Schokoriegel,
  • eine Halbliter-Wasserflasche,
  • Pan de Yuca (ein Yukawurzelgebäck)
und sicherlich noch vieles mehr.

Bei den Überlandbussen werden Wünsche bei den angebotenen Filmen angenommen, bei der Fahrt nach Quevedo haben wir z.B. eine Cran-Combo-DVD (Kultgruppe aus Puerto Rico, vergleichbar Buena Vista Social Club) von Narcisa einlegen lassen und uns das Musikvideo angeschaut.

Die Ärzte und Krankenhäuser sind hier erstmal nicht gross anders als bei uns, Guayaquil ist damit z.B. sehr gut ausgestattet. Ich habe es ausprobiert, als mein Innenohr im September einmal geblutet hatte und ich nicht wusste, ob nicht vielleicht eine exotische Spinnenart seine Eier bei mir abgelegt hat. Also bin ich zur AFS-Vertrauensärztin, die erst ab 16:00 nachmittags ihre Praxis öffnet (erster Unterschied) und einen dann persönlich in der Praxis empfängt, ohne Sprechstundenhilfe (zweiter Unterschied). Das Blut im Ohr hat ihr gar nicht gefallen, ohne Untersuchung hat sie mich gleich an einen Ohrenarzt verwiesen, der seine Praxis in einer Polyklinik hatte. Für die Überweisung hat sie kein Honorar genommen (dritter Unterschied). Auch dieser Arzt wird abends erst richtig aktiv, mein Termin war um 19:30. Dieser hatte eine Vorzimmerangestellte und konnte sich an einen AFS-Voluntär erinnern, den er mal vor 2 Jahren verarztet hatte. Mein Ohr hat er kurz gereinigt, zum Glück nur ein harmloses Furunkel festgestellt, und mir die morgens von Richard empfohlenen und von mir schon in der Apotheke gekauften Antibiotika und Schmerzmittel (vierter Unterschied, bei uns ist so etwas nicht frei verkäuflich) per Rezept bestätigt. Dann musste er für AFS noch ein einseitiges Formular ausfüllen, damit ich die Kosten hinterher erstattet bekomme. Die Viertelstunde Untersuchung hat dann 40$ gekostet, die ich bar gezahlt habe. Meine Familie und Richard, der ja selber vor ein paar Jahren praktiziert hat, fand das total überteuert, AFS hat mir das Geld aber ohne Murren erstattet. Ich glaube, die Arztkosten sind hier in den letzten Jahren extrem gestiegen: von umgerechnet 1,50$ Stundenhonorar 1995 auf fast europäisches Niveau heute.

Während die meisten Ecuadorianer recht unkompliziert sind, kann man das von den Behörden hier nicht behaupten. Praktisch seit unserer Ankunft müssen wir Voluntäre einen sogenannten Censo, entspricht einer Meldebescheinigung, bei der Ausländerbehörde beantragen. Die Unklarheit fängt damit an, was man für diesen Antrag alles braucht, es gibt dazu mehrere sich widersprechende Anleitungen (was z.B. die Zahl der Fotos betrifft), und der eigentliche Sachbearbeiter hat auch noch seine eigene Meinung dazu. Die Kopien des Miet- oder Kaufvertrages des Hauses des Gastvaters mussten bei Annika z.B. notariell beglaubigt werden, bei mir reichte die einfache Kopie. Nachdem wir Ende August alle notwendigen Papiere eingereicht hatten, sagte man uns, dass es leider zur Zeit keine Formulare gebe, um den Antrag vollständig zu prozessieren. Wir sollen uns am 20. September noch einmal melden. Da hiess es dann, durch die Präsidentenwahlen verzögere sich noch einmal alles, am 20. Oktober gab es immer noch keine Formulare (und das übrigens in ganz Ecuador, die Voluntäre in Esmeraldas haben das gleiche Problem), bis heute nicht. Auf der anderen Seite sollen einige Voluntäre, die den Censo im August zu spät beantragt hatten, eine Strafe von je 200$ zahlen (die natürlich durch ein Propina, ein Schmiergeld, auf ca. 10$ pro Person zu drücken ist).

Verkehrspolizisten sind auch Menschen und haben Brüder, so haben wir zufällig Marcelos Bruder getroffen, als wir nach dem Zoo unterwegs zum Bowlingspielen waren. Da die Zeit knapp war, hat uns die Streife kurzerhand von Miraflores zur Mall San Marino mitgenommen, eine Fahrt von 10 Minuten. Marcelo, Narcisa und ich sassen zu dritt auf der Rückbank, haben uns die auf der Ablage liegenden Mützen aufgesetzt, während die Streife kurz von einer Polizistin angehalten wurde. Es sei ein Verkehrsunfall aufzunehmen, ganz in der Nähe. Alles klar, aber erst wurden wir ganz in Ruhe nach San Marino gefahren und verabschiedet, der Unfall hatte Zeit...

Wahlkampf auf Mauern


Der Wahlkampf für das Präsidentenamt ist hier irgendwie anders als bei uns. Am 15. Oktober fanden die Wahlen statt. Man hat das Gefühl, dass es hier keine Parteien gibt, sondern nur Namen und Farben. Statt Plakatwänden werden hier Mauern und ganze Häuser in den Farben der jeweiligen Liste angemalt. Dann steht der Name drauf, die Listennummer, und meist davor noch "Vota todo" - "Wählt alle xy". Wahlprogramme kommen hier nicht vor, vielleicht in den Diskussionsrunden im Fernsehen, wo die 5 Kandidaten mit den grössten Chancen oft diskutiert und aus Protest auch schonmal die Veranstaltung verlassen haben. Die Veranstaltungen in den Strassen waren Fahnenumzüge, bei denen oft T-Shirts mit den Kandidaten verschenkt wurden, auch wieder ohne Wahlaussagen. Wie es sich für eine südamerikanische Wahl gehört, gab es am 15. Oktober zwar einen (überraschenden) Gewinner, Alvaro Noboa, der aber mit 27% keine ausreichende Mehrheit hatte, so dass am 26.11. eine Stichwahl gegen den Zweitplazierten, Rafael Correa, stattfindet. Noboa ist einer der reichsten Männer Ecuadors, der im Testament für das Bananenimperium seines Vaters nicht berücksichtigt wurde, sich den Grossteil aber trotzdem gerichtlich eingeklagt hat und dadurch Schlagzeilen macht, dass er die Kinder seiner Angestellten unentlohnt auf den Plantagen arbeiten lässt und die Mindestlöhne durch geschickte Zeitarbeitsfirmenmodelle unterläuft. Correa ist dagegen linkspopulistisch gerichtet, gegen das Freihandelsabkommen mit den USA und die Dollareinführung, will die Eigenheimzulage verdoppeln und ist im Gegensatz zu Noboa ein Mann der Sierra. In Ecuador herrscht übrigens Wahlpflicht, wer nicht wählt, muss eine Strafe zahlen, kann keinen Führerschein beantragen und hat andere Unannehmlichkeiten. Damit man sich in Ruhe seine Wahl überlegen kann, gibt es 48 Stunden vorher keinen Alkoholausschank in ganz Ecuador, selbst nicht für Touristen.

Montag, 6. November 2006

Spontanes Ferien-Wochenende

Mit Annika, Sybille und Enrico im Parque Historico
Diese Woche war wieder sehr spontan, und das Sorglosprinzip, die stete Wendung zum Guten, hat auch Anwendung gefunden. Geplant war ja am Mittwoch mit Annika und meinen ganzen Gastbrüdern die Fahrt zum Fest nach Pasaje, und von Donnerstag bis Sonntag die Dienstreise zum Fest von Cuenca mit Tierausstellung.
Alle meine Gastbrüder kommen aus Pasaje, einer Kleinstadt in der Provinz Oro (Oro ist die Bananenhochburg der Welt), wo einmal im Jahr, immer zwei Tage vor dem Fest von Cuenca, ein Fest gefeiert wird. Das Fest beginnt morgens mit Festumzügen in den Strassen, abends spielen Gruppen auf vielen Bühnen Live-Musik, und es gibt viel Bier und Tanz. Praktisch ganz Pasaje ist die ganze Nacht auf den Beinen. Annika und ich waren wie bei meinem ersten Pasaje-Ausflug bei der Familie von Leo und Diego untergebracht, wir fuhren die 4 Stunden Busfahrt mittags mit dem ersten Trupp um Alex herum mit, Diego und Leo konnten wegen Vorlesungen erst später nachkommen. So besuchten wir mit Alex und Manuel erst einen Jahrmarkt mit Riesenrad, das für 75 Centavos so schnell und so lange drehte, dass uns allen schlecht wurde, am meisten Annika. In Deutschland drehen die irgendwie langsamer. Also wieder nach Hause zu Alex fahren und erstmal ausruhen.
Zwischendurch kam eine SMS aus Cuenca, wo mein Chef Richard schon seit Montag alles für die Ausstellung vorbereitete: es gäbe wegen der Feria leider keine Hotelzimmer mehr, die Dienstreise ist abgesagt, sorry für die Umstände. Wir sind ja spontan. Nun gab es für mich zwei Möglichkeiten: wie die anderen Gastbrüder bis Sonntag in Pasaje bleiben, genug Wäsche hatte ich ja mit, oder am Donnerstag mit Annika nach Guayaquil zurückfahren, wo Enrico und Sybille aus Esmeraldas von Donnerstag bis Freitag zu Besuch kamen. Die beiden Tage waren nämlich wegen der Feria von Cuenca in ganz Ecuador frei, was mir im Zoo oder sonstwo (von der Familie, von AFS) keiner gesagt hatte. Nichtswissend hatte ich mich ja freiwillig für diese 4 Tage gemeldet, um in Cuenca zu arbeiten, wo ich in einer Woche sowieso noch einmal für einen einwöchigen Kurzaustausch von AFS hinfahre. Die Sorglosigkeit hat mir dieses Problem nun von selber gelöst, und ich entschied mich dafür, Annika nicht alleine zurückfahren zu lassen und Sybille noch ein letztes Mal in Ecuador zu sehen.
Das Fest war dann sehr schön und ausgiebig, wir haben zwei Bands gehört, in denen ein Freund von meinen Brüdern bzw. der Gastonkel von Annika mitgespielt haben, Diego hat mir Miss Pasaje, seine Ex-Freundin, vorgestellt (die ich natürlich gerne mit Küsschen begrüsst habe), ich habe fast alle Bekannten von meinem ersten Besuch in Pasaje wiedergetroffen, viel getanzt und laut Annika wie alle anderen auch wohl viel getrunken. Um fünf Uhr nachts ging es zum Ceviche-Essen, um neun kurz zum Frühstück nach Hause, danach gleich weiter zu einem Fluss, wo wir bis zum frühen Nachmittag hin badeten. Danach ein leckeres Mittagessen bei Leos Eltern, dann zum Bus nach Guayaquil, endlich ein paar Stunden schlafen (im Bus) und Ankunft in Guayaquil um 18:00.
Sybille und Enrico waren Donnerstag früh mit Camilla und Emma angekommen, hatten sich die Stadt zu Fuss angeschaut, Camilla und Emma sind dann weiter die Ruta Del Sol an der Küste langgefahren, während Sybille und Enrico ins Kino gingen. Da wir sehr müde waren, fuhren wir vom Bus direkt zum Kino, trafen die anderen und hatten noch einen schönen Abend bei Kentucky Fried Chicken und in einem Park.

Enrico amüsiert sich und uns beim Tanzen.

Die nächsten beiden Tage waren sehr schön und deutsch, wir haben am Freitag zu viert Stadtbesichtigung gemacht und u.a. die Weihnachtsbäume und Krippen bestaunt, die hier seit dem 1. November überall aufgestellt sind, wirkt komisch in der prallen Sonne... Am Samstag haben wir uns mit Enrico (Sybille war schon abgereist) den ganzen Tag über nur vom Foodcourt ser Mall San Marino bis zum schräg gegenüberliegenden McDonald's bewegt und über Gott und die Welt philosophiert und uns prima unterhalten. Zwischendurch habe ich mit Narcisa das ausgefallene Krebsessen für den Sonntag verabredet (Sorglosigkeitsprinzip II).

Krebsessen bei Narcisa
Die Krebse und sonstigen Zutaten haben wir am Sonntag früh lebend auf dem Mercado Caraguay gekauft (22 Krebse für 10$), einem grossen Markt der sehr beeindruckend war: riesige Fische, Krustentiere, Obst, Gemüse, sonstige Lebensmittel... Die Krabben (cangrejos) ändern erst nach dem Kochen ihre Farbe und werden dann (krebs-)rot, eine andere Sorte (jaiba) wurde weissbraun. Zum Aufklopfen lagen Holzhammer bereit, dazu gab es Suppe und Krebs-Ceviche, einfach lecker, auch wenn der Aufwand des Knackens sehr gross ist und alles eine ziemliche Herum-Sauerei ist!
Achja, das Clasico Barcelona - Emelec fand heute wieder in Guayaquil statt, diesmal hat Barcelona 2-1 gewonnen und ist damit Zweiter in der Tabelle!
Mehr Fotos.

Mittwoch, 1. November 2006

Halbzeit-Orientierung in Playas

Am letzten Wochenende waren wir 100 Tage in Ecuador, mehr als die Hälfte unserer 160 Tage hier. Grund genug für AFS Ecuador, eine Art Zwischenbilanz mit allen Voluntären zu ziehen. So wurden wir alle am Dienstag abend angerufen, Annika und ich haben gerade deutsche Eierkuchen (für die Nicht-Berliner: Pfann(e)kuchen) mit Bolognese-Sauce oder Nutella, Zucker-Zimt und Apfelstücken für meine davon begeisterte Familie gebraten, dass wir uns am Samstag früh alle um 8:30 am Busterminal einfinden sollten, es gehe nach Playas, einen Strandort an der Küste ca. 2 Busstunden von Guayaquil entfernt.

Am Samstag früh war die Überraschung gross, als uns verkündet wurde, dass die Reise über 2 Tage geht (Samstag UND Sonntag). Dass sei uns angeblich am Telefon gesagt worden, aber keiner der 6 Voluntäre hat das mitbekommen. Was soll's, an die ecuadorianische Spontaneität sind wir ja schon gewöhnt, das hat jetzt auch keinen mehr umgehauen. Also schnell noch Zahnbürste und Zahnpasta am Busterminal gekauft, die Familien telefonisch oder per SMS informiert und alle Termine für den Sonntag absagen. Schade, ich wäre am Sonntag bei Narcisa zum Krebsessen eingeladen gewesen...

In Playas waren wir in einem netten Strandhotel (ganz aus Holz, Moskitonetze über den Betten, Veranda mit Poolbillard, Tischtennisplatte, Bar und Schwimmbad) untergekommen und nach dem Mittagessen in einer Cevicheria haben wir dann mit der AFS-Chefin von Guayaquil, Venus, am Strand Fragebögen ausgefüllt und improvisierte Kurzvorträge gehalten, z.B. über die Architektur, die Wirtschaft und die Flächennutzung von Ecuador. Für die besten Antworten (oder auch einfach nur per Losglück, als keiner die anderen bewerten wollte) gab es dann kleine Preise. Leider waren wir zwar am Strand, sind aber nicht zum Baden oder Strandwandern gekommen, da der Strand ab 18:30 (Einbruch der Dunkelheit) laut Hotelbesitzer zu gefährlich sei. So sind wir bis zum Abendessen in einer Pizzeria durch den Ort gelaufen, einen typischen Küstenort in Ecuador: modern-hässliche Architektur, wenig Grün und eine Aneinanderreihung von Restaurants und Geschäften. Abends dann strenges Regiment von Venus: Ausgeherlaubnis nur bis 23:00 (ich bin mit Venus, Annika und dem anderen Tim im Hotel gelieben) und Treffen am nächsten Morgen um 7:30.

Nach dem Frühstück auf verstaubtem Geschirr (die Strandsaison beginnt im ecuadorianischen Sommer ab Dezember und geht bis April) ging es weiter mit einem Ecuador-Quiz: Welche Farben hat die Ecuador-Fahne (gelb-blau-rot), Quevedo ist die Hauptstadt welcher Provinz (Los Rios), wo gibt es Süssigkeiten vom Körper Christi (Cuenca) usw. Dann ging es im Taxi (Pritschenwagen, alle ausser Venus sitzen hinten auf der Ladefläche) zum 8 km entfernten Nachbarort Puerto Morro, wo der Umweltteil unserer Globalen Schulung gehalten wurde: Delfinbeobachtungen von einem Boot aus in Mangrovengewässern nahe der Küste. Daneben haben wir viele Reiher, Pelikane und sonstige Wasservögel gesehen.

Die Globale Schulung von AFS ist Teil des Voluntärsprogramms. Ohne Erklärung oder Einführung ging die vor ein paar Wochen los und besteht aus insgesamt 7 Teilen, wie Gesundheitssystem (am Beispiel von behinderten Kindern), Drogenmissbrauch, Afroecuadorianer und Bildungssystem. Jeder Teil findet in einer Stiftung oder einem Zentrum statt, die Idee ist sehr gut, die Durchführung leider oft sehr langweilig. Und wieder typisch die ecuadorianische Organisation: eine Schulung wurde von heute abend auf morgen früh angesetzt, so dass gar keine Zeit bestand, die Arbeitstelle zu informieren, dass man am nächsten Tag nicht oder erst später kommt. Nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die Organistoren kommen mitunter 1 Stunde zu spät zum vereinbarten Treffpunkt. Und nur die beiden Deutschen sind immer die Blöden, die stundenlang warten. Das ist ein Punkt, an den ich mich hier nicht gewöhnen kann. Wobei mir das komischerweise bei Ecuadorianern ausserhalb von AFS noch nicht vorgekommen ist, nur bei AFS und den anderen nicht-deutschen Voluntären...

Meine eigene Zwischenbilanz: Ich bin noch zwei Monate hier, aber irgendwie wird diese Zeit wohl wie im Flug vergehen. Es sind noch viele Sachen geplant und praktisch keine Freiräume mehr für spontane Aktivitäten, anbei meine voraussichtlichen Pläne:

1.11. Fest von Pasaje mit allen meinen Brüdern und Annika
2.11.-5.11. Fest von Cuenca, Dienstreise, Helfen bei einer Tierausstellung
12.11.-19.11. Kurzaustausch für alle Voluntäre: für eine Woche kommen wir in eine neue Gastfamilie nach Cuenca, in dieser Woche müssen wir nicht arbeiten
24.11.-26.11. Projektreise mit Studenten aus dem Zoo nach Guaranda (steht noch nicht 100%)
2.12.-3.12. Enrico kommt nach Guayaquil und wir gehen am 2.12. auf ein Konzert von Shakira (21$ Stehplatz Innenraum)
8.12. letzter Arbeitstag im Zoo
9.12.-12.12. Urlaub, wahrscheinlich Fahrt nach Quito
13.12.-17.12. 5 Tage Galápagos-Inseln
18.12.-23.12. ??? vielleicht Oriente
24.12-25.12. Weihnachten in Guayaquil
26.12. Flug nach Quito, letztes Abschlusstreffen aller Voluntäre
27.12. Abflug von Quito
28.12. Ankunft in Berlin

Ich habe 57 Nummern in meinem Handy gespeichert, 34 davon Ecuadorianer ausserhalb der Familie und der anderen Voluntäre. Ich lese National Geographic Español und überlege, den kommenden letzten Harry-Potter-Band auf Spanisch zu lesen. Wird mir der Abschied schwer fallen? Ich glaube schon, einfach wegen der vielen netten Kontakte und Menschen, die ich hier kennengelernt habe. Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich genauso wieder auf die Familie, die vielen lieben Freunde und den Komfort in Deutschland. Werde ich wieder kommen nach Ecuador? Ich nehme es mir fest vor. Was werde ich am meisten vermissen? Das Filmstargefühl, dass mir hier auf Schritt und Tritt begegnet.