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Montag, 26. Februar 2007

Ein Oscar fuer Uganda

Forest Whitaker mit dem Oscar fuer den besten Hauptdarsteller (Idi Amin) im Film "The Last King of Scotland"

Uganda hat gestern nacht einen Oscar gewonnen, das ist doch mal was! Ok, es war ein amerikanisch/britischer Film, der Preistraeger Forest Whitaker ein US-Amerikaner und der bedeutendste ugandische Schauspieler im Film spielt die Nebenrolle des Sicherheitschefs von Idi Amin. Aber immerhin, der Film wurde in Uganda gedreht und schliesslich spielt die Geschichte hier. Wann wurde zuletzt ein bedeutender internationaler Film in Uganda gedreht? Ich weiss es nicht. Die meisten in Afrika spielenden Filme werden naemlich der Einfachheit halber in Suedafrika gedreht, selbst wenn der Film woanders spielt (so z.B. der Film Hotel Ruanda ueber den Genozid in Ruanda). Der letzte Koenig von Schottland lief am Freitag in Kampala an, im Cineplex-Kino in Garden City, der einzigen Einkaufsmall in Uganda. Wahrscheinlich ist das auch das einzige Kino in Uganda, zumindest das einzige moderne Multiplexkino. Das Gedraenge zur Premiere am Freitag muss gross gewesen sein, der Regierungs-Tageszeitung The New Vision war es heute zumindest einen Cartoon auf der Kommentar-Seite wert:

Tickets for the critically acclaimed film, The Last King of Scotland, sold out as the movie opened to the public at Cineplex Cinema on Friday

Morgen werden sich die Meldungen nach dem Oscar-Gewinn dann wahrscheinlich ueberschlagen...

P.S.: Einen Tag spaeter war natuerlich Forest Whitaker wie erwartet ganzseitig auf dem Titelblatt der New Vision abgebildet. Ein anderer internationaler Film, der in Uganda gedreht wurde, war der letzte James-Bond-Film, allerdings nur die Eroeffnungsszene mit einem Strassenschild nach Mbala, der Heimat vom Rebellenfuehrer
Joseph Kony der Lord's Resistance Army (LRA), die seit 20 Jahren einen grausamen Kinderkrieg in Nord-Uganda und Sued-Sudan fuehrt.

Sonntag, 25. Februar 2007

Stephen in Berlin

Was hat man frueher nur ohne Internet gemacht? Gestern hat mein Kollege und Gastbruder Steve meine Familie in Berlin besucht. Heute kann ich dank einer e-Mail meines Bruders Kai schon Fotos zeigen und dabei gleich mal sehen, wie das Wetter in Berlin gerade ist. Ich sehe blendende Sonne und das Internet-Thermometer rechts zeigt mir 12 Grad C an. Ein warmer Wintertag also, aber fuer Steve scheint es doch etwas kalt zu sein. Kein Wunder, hier in Uganda ist es das ganze Jahr ueber zwischen 25 und 30 Grad C warm. Abkuehlung gibt hier es nur, wenn es regnet, wie heute und gestern abend. Dann ziehe ich mir schon mal eine Strickjacke ueber das kurzaermelige Hemd. Eigentlich ist jetzt keine Regenzeit, die sollte im Oktober/November und April-Juni sein. Aber auch hier zeigen die globalen Klimaveraenderungen Wirkung und es regnet nun relativ haeufig auch zwischendurch. Und das dann wie aus Kuebeln, die meist unbefestigten Strassen verwandeln sich dann in rote Schlammbaeche. Regenschirme sind selten, viele Frauen ziehen sich aber bei Regen einfach eine weisse oder schwarze Plastiktuete auf den Kopf.

Mein Vater, Steve, Dirk und Robin vor dem Steakhouse

Im Restaurant

Steve bei meinen Eltern

Samstag, 24. Februar 2007

Frauen und Maenner in Uganda

Habibah sucht einen deutschen e-Mail-/Brieffreund

In meinem Computerkurs im Afrika Mentoring Institute sind ein paar 19-jaehrige Damen (Habibah, Margie und Flavia), die mir ihre Ansichten ueber ugandische Maenner verraten haben. Sie haben meist keinen festen Freund, weil man den Ugandern nicht trauen koenne. Sie seien nicht treu, unehrlich und uebertruegen ruecksichtslos AIDS. Deshalb suchen sie nach auslaendischen Maennern, vorzugsweise Europaer und Amerikaner. Und die Frauen? Da solle ich vorsichtig sein, viele schauen nur auf's Geld des Mannes, ist das alle, lassen sie einen gnadenlos fallen. Schuelerinnen nehmen sich z.B. einen Boda-Boda-Fahrer zum Freund, um umsonst gefahren zu werden. Studentinnen haben gleich drei Liebhaber: einen Aelteren zum Einkaufen, einen Mitstudenten fuer die Hausaufgaben und Examen und einen echten Liebhaber, der einfach nur gut aussieht. Heiraten tun sie aber keinen der drei. Margie meint, mit 19 ist sie zu jung fuer einen festen Freund, sie wird im August 20 und dann faengt sie an mit der Suche, natuerlich nur einen Muzungu. Habibah sagt, Frauen sollten erstmal ihre Ausbildung abschliessen, bevor sie Kinder kriegen. Sonst stehen sie vor dem Nichts, wenn der Mann sie fallen laesst, was hier oft passiert. Margie bietet mir an, mir Single-Frauen im Alter von Mitte 20 zu vermitteln, die gaebe es hier genug. Wonach ich denn suche? Nur Flavia ist immer etwas still, wenn es um Maenner geht. Sie erzaehlt mir dann eines Tages, sie sei von ihrem Ex-Freund vergewaltigt worden. Sie versteht sich aber gut mit ihm und stellt ihn mir gestern beim Fischessen am Strand vor. Henry hat an der renommierten Makarere Universitaet Sozialwissenschaften studiert und arbeitet jetzt in einem Reisebuero. Er ist etwas aufdringlich freundlich und bietet mir sofort Unterstuetzung bei Ausfluegen, Wildwassertouren auf dem Nil, Nachtleben in Kampala usw. an. Naja, jeder muss hier sehen, wie er sich ueber Wasser haelt...

Madame Olivia (Mitte) mit Sohn (?) und Schuelerin

In der Schule stellt sich mir eine Kollegin als Madame Olivia vor, sie unterrichtet Kunst und betreut die Schulbuecherei. Als sie mitkriegt, dass ich Single bin, faellt sie mir gleich um den Hals und fragt, was ich denn am Valentinstag vorhaette. Der wird hier ziemlich ernst genommen. Am Tag nach Valentin ist sie ganz enttaeuscht, warum ich denn nicht zur Schule gekommen waere (sie wohnt dort)? Ich antworte, ich waere zu schuechtern gewesen, das mithoerende Kollegium lacht.

Innenhof der Bishop Sisto Mazzoldi Schule

Ein paar Zahlen ueber Uganda von 2001:
  • 7% der Maedchen besuchen eine Oberschule (13% der Jungen).
  • 53% der Frauen koennen lesen.
  • Lebenserwartung Frauen: 40,4 Jahre
  • HIV-Infektionen: 1,9 Mio (geschaetzt) von 22,21 Mio Einwohnern
  • Grundschulabschluss: Jungen 49%, Maedchen 25%
  • Kindersterblichkeit unter 5 Jahren: 13,7%
  • Arzt: 1 auf 25.000 Einwohner
  • Zugang zum Stromnetz: 3-5%
1997 hat die Regierung die Universal Primary Education (UPE) eingefuehrt. Sie gewaehrt den ersten 4 Kindern jeder Familie (inzwischen wohl allen) eine freie Grundschulausbildung (an staatlichen Schulen) ohne Gebuehren. 1997 haben sich darauf die Schulanmeldungen fuer die Grundschule verdoppelt. Im Februar 2007 (also gerade eben) wurde die Universal Secondary Education (USE) eingefuehrt. Ca. 500.000 Oberschueler der S1 (Senior 1, entschpricht 8. Klasse) brauchen in diesem Jahr kein Schulgeld zahlen, muessen allerdings fuer Schuluniformen und Mittagessen aufkommen. Im Maerz soll eine genaue Zaehlung der gefoerderten Schueler mit Geburtsurkunde stattfinden. Die Regierung befuerchtet, dass sich auslaendische Schueler in Uganda eingemogelt haben, um eine freie Ausbildung zu bekommen. Gefoerdert werden nur ugandische Schueler, sowie anerkannte Fluechtlinge aus dem Sued-Sudan. Die meisten privaten Schulen (so auch die Bishop Sisto Mazzoldi Schule) sind von der Foerderung ausgenommen.

Paul, Iðunn (mit afrikanischer Frisur), Jennifer (Pauls Frau) und ich kurz vor Iðunns Rueckflug nach Island. Es war Stromausfall, das Foto wurde mit Blitz auf gut Glueck ins Dunkle hinein geschossen...

Dienstag, 20. Februar 2007

Ugandisches Englisch

Bevor ich demnaechst auf die wirklich interessanten Themen, naemlich Frauen und Maenner in Uganda, zu sprechen komme, moechte ich heute mal was zum Englisch in Uganda schreiben. Uganda war ja britische Kolonie, die Englaender haben also die heutige Nationalsprache hier eingefuehrt. Komischerweise sind aber auch ein paar Begriffe aus dem amerikanischen Englisch hier gebraeuchlich, wie z.B. soda fuer Limonade. Anbei einige Ausdruecke, die ich in dieser Verwendung nicht aus dem britischen oder amerikanischen Englisch kenne:

airtime - Handyguthaben
balance - Wechselgeld
boda-boda - Mofa(taxi)
brown - weiss (Hautfarbe)
dry tea - Schwarzer Tee (ohne Milch), manchmal auch Kaffee
chai - Tee (mit Milch); Schmiergeld
function - Festakt
g-nut (groundnut) - Erdnuss
How do you make it? (Manchmal auch: How do you find your enemy?) - Wie spaet ist es?
introduction ceremony - Verlobungsfeier
Irish potatoe - Kartoffel, meist als Pommes frites serviert
landline - Festnetz(telefon)
to link up - sich treffen
muzungu - Weisser, Europaeer
smart - huebsch
to go for a short call - fuer kleine Maedchen gehen
stage - Haltestelle
sweet - lecker
taxi - Kleinbus
tilapia (statt Nile perch) - Viktoriabarsch
transport - Fahrgeld
witch doctor - Medizinmann, traditioneller afrikanischer Arzt

Aussprache: Im Koenigreich Buganda gibt es zudem noch zwei Besonderheiten bei der Aussprache:
  • "I"s und "Y"s werden nach Belieben ergaenzt oder weggelassen, dafuer habe ich noch kein Schema herausgefunden. Germany wird z.B. nur German ausgesprochen, oder taxi park als tax park. Dafuer aber Lundy statt Lund oder Bishop Mazzolidi statt Bishop Mazzoldi.

  • Im Luganda wird ein R wie ein L ausgesprochen (wie im Chinesischen), entsprechend ist bei vielen Bugandern auch im Englischen nur das L zu hoeren. Manchmal muss man dann aus dem Kontext raten: "The children are playing" kann hier "Die Kinder spielen" heissen, wahrscheinlicher ist aber "Die Kinder beten"...
Ich warte nun auf die naechste Version von Microsoft Word mit der Spracheinstellung "English (Uganda)"...

Donnerstag, 15. Februar 2007

Schule in Uganda und eine neue Verlobung

Hindu Tempel in Kampala - als Deutscher bekommt man erstmal einen Schreck, wenn man die Hakenkreuz-Runen am Zaun sieht...

Blick auf den Old Taxi Park von Kampala. Mit diesen Toyota-Minibussen wird praktisch der gesamte Personenverkehr von Uganda abgewickelt. Ringsherum Marktstaende.

Blick von Garden City, der einzigen groesseren Mall von Kampala, auf den nahegelegenen Golf-Platz.

Am Donnerstag habe ich meine erste Unterrichtstunde in Informatik an der Bishop Sisto Mazzoldi Oberschule gehalten, in einer 8. Klasse. Die Bedingungen sind nicht gerade ideal, die Schule hat zwar 8 Dell-Computer schaetzungsweise aus dem Jahr 95, von denen aber nur noch 3 funktionieren, alle anderen haben Festplattenausfaelle. Kein Wunder, die Tische im Computer-Labor sind von einer millimeterdicken roten Sandschicht ueberzogen. So haben sich jeweils acht Kinder um jeden Computer gesetzt und versucht, unter Windows Ordner mit ihren Namen zu erstellen. Ich teile mir den Unterricht mit der Informatik-Lehrerin Immaculate, sie unterrichtet freitags die Theorie, ich donnerstags die Praxis.

Die Schule wurde 1993 von katholischen Ordensbruedern gegruendet, der namensgebende Bischoff war ein Italiener, der in Ostafrika sehr aktiv war. Sie ist eine kombinierte Tagesschule und Internat (viele Schueler schlafen hier, aber nicht alle), wie es hier ueblich ist. Auch hier haben die Englaender Vorarbeit geleistet, was man bis in den Lehrplan hin merkt, in Geschichte wird z.B. ein Grossteil der europaeischen Geschichte, nicht der afrikanischen gewidmet. Wer Harry Potter gelesen hat, dem kommt vieles vertraut vor, z.B. die Abschlussexamen fuer die O-Level (ordinary level, so etwas wie Mittlere Reife nach der S4, der Senior-4-Klasse, entspricht der 11. Klasse) und die A-Level (advanced level, Abitur, nach S6, 13.Klasse), bei Harry Potter O.W.L.s and N.E.W.T.s. Die Klassenraeume sind schlicht ausgestattet, mit kombinierten Schulbanktischen aus Holz. Beim Hinsetzen in Uganda muss man immer aufpassen, dass nicht ein hervorstehender Nagel ein Loch in die Hose reisst... Ab und zu hoert man erstickte Schreie, dann wurde wieder ein Schueler mit einem Stockschlag auf den Allerwertesten bestraft und huepft hinterher in die Luft, um den Schmerz zu stillen. Auf eine Frage an die Schueler antworten alle im Chor, als ich zum Beispiel der Klasse vorgestellt wurde und Immaculate sagte, ich wuerde im naechsten Trimester unterrichten, kam als Antwort im Chor "Grossartig!". Wenn ich etwas an die Tafel schreibe und danach noch einmal vorlese, wiederholt das die ganze Klasse diszipliniert im Chor. Lernen durch Drill...

Ich bekomme gerade Anweisungen von Stella (rechts), wie ich die Rosetten fuer den Festschmuck zu falten habe.

Waehrend der Introduction Ceremony gibt es immer wieder Tanzeinlagen.

An die afrikanische Spontaneitaet bin ich ja schon gewoehnt, hinzu kommt eine neue Komponente, die ich jetzt immer haeufiger erlebe: eine unklare Informationspolitik. Man kann sich auf nichts einstellen, es kommt sowieso immer anders. Als Beispiel hier die zweite Introduction Ceremony (Verlobung), die ich gestern miterlebt habe. Am Freitag fragt mich mein Kollege Ronnie, was ich am Samstag vorhaette. Ein Freund wuerde Samstag abend Hochzeit feiern, er ist von einem westugandischen Stamm, und so wuerde ich andere Rituale als beim letzten Mal sehen. Ich sage zu, und Ronnie verspricht, sich abends nochmal mit Ort und Zeit bei mir zu melden. Abends keine Nachricht, dafuer summt am naechsten Morgen um 7:00 mein Handy, im Halbschlaf lese ich: Das Programm beginne um 9 Uhr frueh, Treffpunkt um 9:00 in Kampala. Prima, denke ich, da habe ich ja noch knapp eine Stunde zum Aufstehen und Fruehstuecken, nach Kampala brauche ich mindestens eine Stunde im Sammeltaxi, bei Stau eher 1,5 Stunden. Na gut, ist ja afrikanische Zeit, also trudel ich gegen 9:30 am Treffpunkt ein. Jetzt erzaehlt mir Ronnie, es handele sich um eine kombinierte Introduction Ceremony (Verlobung) und Hochzeit hinterher, ein stressiges Programm, deshalb der fruehe Treffpunkt. Na gut. Als wir um 10:00 beim Haus der Braut ankommen (hier findet traditionell eine Verlobung statt), sind wir die ersten Gaeste, die 3 Zelte werden gerade geschmueckt, die Stuehle aufgereiht und mit Bezuegen versehen, die Musikanlage aufgebaut usw. Ich frage mich, wozu der Stress mit dem fruehen Aufstehen, wenn die Feier offensichtlich erst in ein paar Stunden losgeht? Na gut. Aus Langeweile helfen wir mit beim Aufbauen und lassen uns von Stella erklaeren, wie man Rosetten fuer die Beschmueckung aus breiten Geschenkbaendern bastelt. Ich halte Stella fuer die Dame des Hauses, also die Mutter der Braut, weil sie die Anweisungen fuer die Dekorationen gibt. Daneben hilft noch Richard, der mit Jeans und Bayern-Muenchen-Trikot gekleidet ist (zumindest falle ich damit, der sich hier immer noch keinen Anzug gekauft hat, nicht allzu unangenehm auf) und Elena. Mittags laedt uns Stella dann auswaerts zum Essen ein (ich wundere mich immer mehr, da auch im Haus fuer andere Gaeste Essen angeboten wurde) und gegen 16:00 nachmittags faengt dann die Introduction Ceremony an. Irgendwann abends erklaert mir Ronnie dann, dass Stella seine Cousinen-Schwester ist (in Uganda werden alle Cousinen und Cousins als Schwestern und Brueder bezeichnet, das ergibt dann die Extended Family, die erweiterte Familie) und sie eine Firma hat, die mit der Dekoration der Verlobung beauftragt wurde. Langsam wird mir alles klar, ich bin hier nicht als Gast eingeladen, sondern zum Arbeiten, deshalb der fruehe Beginn. Und es handelt sich nur um eine Verlobung, keine anschliessende Hochzeit. Na gut. Aber warum wird einem die Wahrheit hier immer stueckchenweise nach und nach praesentiert, und warum wird man immer erstmal in eine etwas andere Richtung losgeschickt? Aber das scheint ausser die Muzungus hier keinen zu stoeren.

Die Partei des Braeutigams in traditioneller westugandischer Tracht, der Braeutigam hat den Federschmuck von der Braut erhalten.

Afrikanisches Buffet - lecker!

Die Verlobung an sich war wieder sehr interessant. Die Partei des Braeutigams zieht in den Garten der Braut ein und fragt die Partei der Braut nach der Tochter Jaqueline. Zum Test und Spass laesst der Brautvater dann erstmal drei kleine Toechter erscheinen, welche davon Jaqueline sei. Der Braeutigamsvater erwidert darauf, sie seien zwar alle Jaqueline aehnlich, er suche aber nach einer erwachsenen jungen Frau. Darauf bietet der Brautvater drei andere junge Damen auf, Jaqueline ist aber wieder nicht darunter. Danach erscheinen Trommler und Taenzerinnen, sowie die Braut, ihre Matronin (meist eine Tante) und 7 Brautjungfern, die sich auf eine schoene Bastmatte setzen. Jetzt ist die Partei des Braeutigams zufrieden und die Verhandlungen um die Braut beginnen, wieder von professionellen Moderatoren durchgefuehrt. Der Brautpreis (in der Regel Kuehe und Ziegen) wird zwar nicht genannt, aber man einigt sich schliesslich, und die Braut erwaehlt nun aus der Maennergruppe des Braeutigams und seinen Bruedern den Richtigen, in dem sie ihm einen Federschmuck aufsetzt. Nun kommt Bewegung ins Spiel, die Partei des Braeutigams traegt Gastgeschenke herein (diesmal komischerweise nur Limonaden- und Bierkisten, sowie Wein und eine Flasche Johnnie Walker), und der Maennerklan des Braeutigams umarmt die Maenner der Brautfamilie. Man ist nun eine Familie. Die Frauen der Familien sitzen derweilen diskret im Hintergrund. Diesmal gibt es das Essen schon vor den Reden, und was fuer ein Essen. Es war das beste afrikanische Buffet, was ich hier bisher hatte, mit Matooke, Reis, Spaghetti, Chapati, Gemuese (!!), Huhn, Rindfleisch, Krautsalat, Suess- und Salzkartoffeln, und diesmal gab es auch mehrere verschiedene Biersorten. Richard (der mit dem Bayern Trikot) fragt mich, welche Sorte mir am besten schmeckt und erzaehlt, dass der Bayern-Fan-Klub mal in Kampala war. Die haetten die Halb-Liter-Flaschen fast in einem Zug geleert... Am Schluss helfen wir Stella natuerlich noch beim Abdekorieren, wir falten alle mitgebrachten Dekostoffbahnen wieder zusammen und schleppen die grosse Stofftasche bis zur naechsten Durchgangsstrasse, wo wir auf Mofas und danach ins Sammeltaxi umsteigen.

Samstag, 10. Februar 2007

Alltag in Uganda II

Mir sind wieder ein paar Alltaeglichkeiten aufgefallen, ueber die ich berichten moechte. Fangen wir mit dem fuer Austauschler Wichtigsten an, der

Schokolade

Ich hatte vorher immer gehoert, in Afrika gaebe es weder Milch noch Schokolade. Inzwischen habe ich gelernt, es gibt nicht EIN Afrika (sondern ueber 50 afrikanische Staaten mit ein paar tausend verschiedenen Voelkern und Sprachen). Und in Uganda gibt es Schokolade. Das britische Empire hat hier natuerlich Cadbury etabliert, die zwar nicht so gut wie die kontinentaleuropaeische Schokolade schmeckt, aber immerhin. Die Typen Vollmilch, Crunch und Nuss werden in Kenia produziert (80g fuer 90 Eurocent), der Twix-aehnliche Riegel U&Me sowie der Mars-Klon Moro in Aegypten (fuer rund 35 Eurocent). Und Milch und Joghurt gibt es auch. Die Milch wird uns immer taeglich frisch geliefert (da man sich wegen der haeufigen Stromausfaelle nicht auf den Kuehlschrank verlassen kann), sie ist ja wichtigster Bestandteil des Tees, der zum Fruehstueck und zur Teezeit serviert wird.

Hausarbeit = Handarbeit

Als Mann habe ich in der Gastfamilie ein super Leben. Ich werde bekocht, jeden Morgen gefragt, ob ich schmutzige Waesche habe, und wenn ich nicht schnell genug selber putze, werden mir auch noch taeglich die Schuhe geputzt. Der Haushalt wird von den Frauen und den kleinen Kindern der Familie gemanaged (die Toechter, das Dienstmaedchen, zum Teil die Mutter). Dabei faellt auf, mit welchem Aufwand an Handarbeit alles gemacht wird, oder wie maschiniert im Gegensatz unser mitteleuropaeischer Haushalt ist:
  • Fast den ganzen Tag ueber brennt neben dem Haus ein offenes Feuer, auf dem gekocht wird. Das Feuer muss in Gang gehalten werden, Brennholz organisiert und angeschleppt werden, die Toepfe zwischen dem Feuer und der Kueche hin- und hergetragen werden.
  • Es gibt keinen Staubsauger, nur 50cm lange Reisigbesen ohne Stiel. Das Haus wird jeden Tag gefegt und dann gewischt.
  • Waschmaschine, Geschirrspueler? Die Antwort kann man sich denken, alles wird von den Frauen per Hand gewaschen, die Waesche taeglich.
  • Die kleinen Kinder, wie der 8-jaehrige Paul Mukisa, decken den Tisch auf und wieder ab, oder beaufsichtigen den Shop, der sich vorne im Gartenhaus an der Strasse befindet.
  • Zusaetzlich muss immer noch einer auf den 8 Monate alten Sam aufpassen, dessen berufstaetige Mutter Florence (Steves Schwester) ihn taeglich morgens bei der Oma abgibt und spaetabends wieder abholt.

Was machen die Maenner in der Zeit? Sie arbeiten tagsueber und hoeren abends nach dem Nachhausekommen Radio, lesen Zeitung oder ein Buch...

Filmstar

Ja, auch in Afrika ist man als Muzungu ein Superstar, allerdings wird man von vielen auch als wandelnde Geldboerse angesehen.

Superstar: Vor allem die Kinder, aber auch manche Frauen fassen einen an, die Haut und in die Haare. Wildfremde Menschen sagen mir beim ersten Treffen, dass sie mich schon vor ein paar Tagen mal gesehen haben. Der grosse Weisse faellt halt auf.

Wandelnde Geldboerse: Viele Verkaeufer, Busschaffner oder Mofataxifahrer nennen einem erstmal einen fuer hier total ueberhoehten Preis, der in Europa aber immer noch recht guenstig waere. Beste Reaktion: Ich lache dann erstmal gemeinsam mit dem Verkaeufer ueber diesen Scherz und sage, das sei ja ein Muzungu-Preis. Danach einigen wir uns ueber einen angemessenen Preis (oft nur die Haelfte). Zur Orientierung habe ich jetzt Kollegen gefragt, was die gaengigen Dinge des Lebens hier gewoehnlich so kosten.

AIDS-Geschichten

Im Institut treffen sich regelmaessig die Mothers of Hope, ein Verein HIV-positiver Muetter. Harriet hatte mich mal zu sich nach Hause nach Busega (ein Dorf suedlich von Kampala) eingeladen und mir ihre Geschichte erzaehlt: Vor 8 Jahren starb ihr Mann an AIDS, er wollte sich nicht behandeln lassen, da er die Aerzte und Medizin als witchcraft, Hexerei, verachtete. Harriet blieb mit 5 Kindern zurueck und erfuhr nach einem HIV-Test, dass sie ebenfalls positiv ist. Dann hat die Familie ihres Mannes sie aus dem Haus geworfen. Schliesslich waere sie daran Schuld gewesen, dass ihr Mann an AIDS gestorben ist (das ist in Uganda kein Einzelfall, dass die Ehefrauen dafuer verantwortlich gemacht werden). So ist sie nun wieder in das Haus ihres Vaters gezogen und muss sehen, wie sie die 5 Kinder ueber die Runden bekommt (und alleine das Schulgeld fuer sie zahlt). Gesundheitlich geht es ihr den Umstaenden entsprechend gut. Sie laesst sich im Mildway Centre behandeln und bekommt dort eine gute Betreuung.

Literaturtipp

Da ich als Mann ja abends immer lesen darf, kann ich ein Buch ueber Afrika sehr empfehlen, was ich gerade durchgelesen habe. Es heisst Afrikanisches Fieber und ist von einem polnischen Afrika-Korrespondenten geschrieben, der ueber 40 Jahre lang aus Uganda, Kenia, Tansania, Nigeria, Aethopien, Somalia, Ruanda usw. berichtet hat. Wer schon immer wissen wollte, was es mit Idi Amin in Uganda, dem Genozid in Ruanda, der Insel Sansibar, dem Hunger in Aethopien, dem Buergerkrieg im Sudan usw. auf sich hat, aber auch die afrikanischen Alltaeglichkeiten vom Wasserholen, dem Sammeltaxi-Verkehr, den Maerkten, wie sich eine Malaria-Atacke anfuehlt, wie man eine Bueffelherde in der Serengeti mit dem Auto durchfaehrt usw., dem sei das Buch waermstens empfohlen!

Donnerstag, 8. Februar 2007

Abschied von Steve, Schule und POWER

Stephen mit Eltern vor dem Abflug nach Berlin

Manchmal spielt das Leben einem komische Zufaelle. Ich lebe hier im Moment bei der Familie von Stephen (24), einem Arbeitskollegen im Africa Mentoring Institute. Letzte Woche haben wir Steve am Flughafen Entebbe verabschiedet, er studiert fuer die naechsten 6 Monate in Potsdam und wohnt jetzt in Berlin. Im Juni/Juli werden wir uns dann in Berlin wieder sehen...

Abschlussbild vom Youth Career Mentoring Programme

Auf der Arbeit halte ich zur Zeit einen Anfaenger-Computerkurs fuer Jugendliche (Grundlagen, Word, Excel, Powerpoint) und bereite einen Projekt-Management-Kurs fuer abends vor, der Anfang Maerz starten soll. Dann werde ich wohl ab naechstem Donnerstag in einer in der Bishop Sisto Mazzoldi Oberschule immer Dienstag und Donnerstag Physik und Informatik unterrichten, ich kann das noch nicht ganz glauben. Die Schule habe ich jetzt schon zweimal besucht, morgen spreche ich mit den beiden Lehrern fuer Physik und Informatik. Das Trimester hat gerade angefangen mit Examen, die eine Woche dauern. Mich hat erstaunt, wie einfach hier ein dahergelaufener Deutscher von der Strasse in eine Schule laufen kann, zum Direktor geht, sagt "Ich moechte hier gerne Physik und Informatik unterrichten", und keiner weitere Fragen stellt, ausser "an welchen Wochentagen wuerden sie gerne unterrichten?" und "Zum Mittag gibt es hier aber nur Bohnen, kein Fleisch, ist das ok?". Die Schule ist die ehemalige meines Kollegen Henry, vielleicht hat er ja entsprechende Vorarbeit geleistet...

Blick auf Entebbe Kitooro, ich wohne hinten am Hang

Was gibt es sonst zu berichten? Am Sonntag war ich mal wieder beim Gottesdienst in Entebbe Kitooro, ich kann meine augenblickliche Gastmutter, die in der Kirche sehr aktiv ist, einfach nicht enttaeuschen. Diesmal ging es um das Fasten, die Gemeinde fastet den ganzen Februar, und die dabei auftretende Erneuerung/Wiederbelebung. So weit, so gut. Schleichend wurde die Predigt immer lauter, selbst die Einheimischen sagen, dass ein Pastor hier hauptsaechlich gut schreien koennen muss. Und durch die staendige Wiederholung von POWER, die einem bei der Erneuerung gegeben wird, kam ein gewisser Rhythmus in die Schreie. Die Kraft werde einem JETZT gegeben, wer das spuere, solle ruhig nach vorne treten. Die ersten Frauen fielen um. Ich dachte erst, ich habe mich verguckt, aber es war wirklich so, sie fielen einfach um. Dann wurden sie von jeweils zwei Helfern, unter jedem Arm einer, auf die Buehne geschleift und dort hingelegt. Manche zuckten auch ganz wild wie in Trance. Sie spuerten die POWER JETZT. Mich wundert, dass es keine Verletzten gab. Der Pastor hatte das Schreien inzwischen dem Assistenten ueberlassen, der eigentlich nur als Uebersetzer Englisch/Luganda dient. Die Gottesdienste werden naemlich zweisprachig abgehalten. In der Zwischenzeit verlieh der Pastor der POWER noch mehr Kraft, in dem er seine Hand auf die zuckenden Koepfe legte. Nach einer halben Stunde Trance war alles vorbei, die Erneuerten kamen wieder zu sich und begingen sich langsam wieder auf ihre Plaetze.

Interessant, dass der Glaube hier oft vom Glauben an Zauberer ueberlagert wird. Am Sonntag nachmittag predigte naemlich ein bekannter Radioreporter, der frueher einmal wie seine beiden Grossvaeter ein "witch doctor" war und erst seit ein paar Jahren konvertiert ist. Auch meine Gastmutter glaubt bei manchen Krankheiten an eine Verzauberung.

Dienstag, 6. Februar 2007

Ingrids Gedicht

Ingrid (links) ueberreicht Iðunn bei der Abschlussveranstaltung des Youth Career Mentoring Programs ein Geschenk


Heute moechte ich das Gedicht vorstellen, das Ingrid fuer mein Willkommensfest im Africa Mentoring Institute geschrieben hat. Sie ist Schuelerin und hat im Rahmen des Kurses ihr Talent zum Dichten entdeckt.

Life

It's like a puff of smoke,
appears at a certain moment but is gone the next.
It's like a beautiful sunny day, sent just for you to enjoy!
Life is the next day,
everyone hopes for it.

It's like the stars in the sky,
we all want to live as long as them.
But we all have rainy days,
the times when we are down,
all gloomy and filled with despair.

But we still hope to have better days,
and a better life.
Whatever the circumstances,
we all want life.
It's the one you and I treasure, no one wishes to be denied life.

We all have one chance to life,
to live right is to live best.
We all have the chance but in the end we lose it.
Treasure life while you still have it.

Samstag, 3. Februar 2007

Soziales Engagement

Es soll Menschen geben, die wuerden gerne etwas Gutes tun (z.B. mit ihrem Geld, oder mit Aktionen), wissen aber nichts Sinnvolles. Hier in Uganda bekommt man da schnell Anregungen:

Mildmay Centre Uganda

Gegenueber vom Africa Mentoring Institute (wo ich arbeite) liegt das Mildmay Centre Uganda. Ich konnte mir darunter immer nichts vorstellen, also bin ich dort vor zwei Wochen mal hereingegangen und habe gefragt, ob ich mich mal umschauen darf. An die Rezeption wurde mir dann die Public Relations Managerin geschickt, sie haette heute leider keine Zeit, aber ob ich morgen mittag auf eine Tour vorbeikommen wolle. Und so bin ich am naechsten Tag, begleitet von meinem Kollegen Henry, aufgebrochen, um mir den herrlich auf einem Huegel gelegenen Komplex von mehreren eingeschoessigen Haeusern anzuschauen. Das Mildmay Centre ist ein Behandlungs- und Schulungszentrum fuer HIV-Patienten jeden Alters. Wer noch nicht woanders behandelt wird, kann sich hier melden und bekommt kostenlos Betreuung und Medikamente, auch die neuen ART-Medikamente. Gesponsert wird das Ganze durch Mittel von Mildway International, einer britischen Organisation, sowie durch ein Programm der Bush-Regierung in 17 verschiedenen afrikanischen Staaten, das die Medikamente zur Verfuegung stellt. Mehr als 10% aller AIDS-Waisen weltweit leben in Uganda, wie z.B. der junge Paul Mukisa, den Stephen adoptiert hat. Deshalb wird in dem Zentrum auch besonders Wert auf die Behandlung von Kindern gelegt, sie haben einen eigenen Warteraum, in dem gespielt, gesungen, gegessen wird und Tierfilme angeschaut werden, eben alles, um den Kleinen die Wartezeit so angenehm wir moeglich zu gestalten. Es gibt einen auf HIV spezialisierten Zahnarzt, da gewoehnliche Zahnaerzte HIV-Patienten nicht gerne behandeln und durch die Krankheit auch vermehrt Zahnprobleme auftreten. Und das Schulungszentrum bildet Lehrer, Seelsorger, Krankenschwestern usw. aus und unterhaelt auch ein mobiles Team, das ueber die Doerfer zieht und nach dem Schneeballprinzip Schulungen fuer Multiplikatoren (Lehrer, die ihr Wissen wiederum weitergeben) haelt. Wie man das Zentrum unterstuetzen kann, erfaehrt man auf dieser Seite.

Brieffreundschaften - Sponsoren

Ich bin jetzt schon dreimal von Schuelerinnen/Studentinnen gefragt worden, ob ich Brieffreundschaften oder Sponsoren vermitteln kann. Das ist hier anscheinend ein fester Begriff. Mit Sponsor ist gemeint, dass man jemandem die Schule bzw. das Studium finanziert, was hier schon ab der Oberschule zwischen 50 und 200 Euro pro Trimester kostet. Wenn jemand von Euch Interesse an einer Brieffreundschaft hat oder einem Maedchen die Ausbildung (teil)finanzieren moechte, kann ich das gerne vermitteln.