Mit Silvias Verwandten Cristina, Wilma (Cousine) und Irma im Garten der ehemaligen Villa von Juan Léon Mera, dem Dichter der ecuadorianischen Nationalhymne, Ambato
Annikas "Klassiker"-Blog-Eintrag "Warten und Spontaneitaet" von 2006 ueber zwei typisch ecuadorianische Eigenschaften findet heute seine Fortsetzung. Fangen wir an mit der Spontaneitaet, oder auch mit der Sorglosigkeit, die damit eng zusammenhaengt. Das letzte Mal habe ich ueber die Hochzeitsvorbereitungen berichtet, eigentlich war alles von uns fertig geplant, bis auf ein entscheidendes Detail: wir haben kein Zelt fuer den Hof vor Silvias Elternhaus bekommen, Schuld war nicht der Muttertag am Sonntag, sondern die Kommunionsfeiern, die hier Anfang Mai stattfinden. Auch hatten wir fuer einige andere Dinge noch keine richtige Loesung, der Vorhof ist z.B. mit Kies ausgelegt, was sich nicht gut zum Tanzen eignet. Dann das Geschirr: sollen/koennen wir hier Geschirr mieten, oder Pappteller kaufen, worueber dann hinterher aber gerne geredet wird? Diese Fragen im Kopf kamen wir am Montag aus Ambato wieder zurueck nach San Francisco, als uns Silvias Eltern verkuendeten, sie haetten gute Nachrichten fuer uns, aber wir sollten erst einmal Mittag essen. Die Nachrichten waren, dass bei einem Besuch von Tante Rosa und Tante Mercedes am Wochenende die Hochzeitsplanung mal eben komplett umgestellt wurde: die Hochzeitsfeier findet nicht bei Silvias Eltern statt, sondern in einer Pizzeria im Nachbardorf Victoria. Die Familie hatte am Sonntag alles klar gemacht, und da sie uns als Eltern fuer das Hochzeitsessen einladen, haetten sie natuerlich auch das Recht dazu. Erst einmal waren wir geschockt ueber diese Fremdbestimmung, aber nach und nach wurden uns die positiven Effekte dieser gluecklichen Wendung immer mehr bewusst: die Zeltfrage war ueberfluessig, ebenso die Geschirrfrage und die anschliessende Besichtigung der Pizzeria ergab, dass nicht nur ein grosser Raum mit Tanzflaeche und Diskobeleuchtung zur Verfuegung steht, sondern auch zwoelf Zimmer im gleichen Haus, besser ausgestattet und um einiges guenstiger als der angedachte Ferienpark (in dem ich uebrigens noch nie Gaeste gesehen habe, und ich jogge fast taeglich an ihm vorbei). Die Sorglosigkeit hier geht also weiter, man muss nur warten und es findet sich eine Loesung. Und das Pata-Negra-Schwein? Das wird zumindest fuer den Samstag nicht geschlachtet, vielleicht fuer den Sonntag, an dem sich nach Silvias Prognose die ganze Familie ein zweites Mal versammeln wird...Kommen wir nun zum Warten: Gestern war der dritte Tag unseres Hochzeitskurses, haette zumindest sein sollen. Wir hatten uns erst lose fuer vier Uhr nachmittags verabredet, das dann am Vormittag nochmal telefonisch bestaetigt. Der Kurs dauert immer zwei Stunden und da wir Melissa nicht viel laenger als drei Stunden ohne Silvia lassen koennen (sie wird noch gestillt), haben wir alles geplant: Silvias Schwester Irma kam als Babysitterin extra aus Ambato angereist, Melissa wurde um kurz vor vier noch einmal in Baños gestillt und dann Irma mit nach Hause (San Francisco) mitgegeben. Um vier erfahren wir dann im Hotel des Kursehepaares von der kleinen Tochter, dass wir um fuenf wiederkommen sollen, der Vater haette noch was zu erledigen. Nun war das nicht das erste Mal, beim letzten Kurs schon kam Ivan (so heisst er) eine halbe Stunde zu spaet, und das andere junge Hochzeitspaar erzaehlte uns, sie haetten mitunter zwei Stunden auf den Kursbeginn warten muessen. Das geht natuerlich nicht, wenn Melissa auf Mamis Milch wartet, und das wusste Ivan auch. Also ist uns ein bisschen der Kragen geplatzt und wir haben uns ueber diese Unzuverlaessigkeit beschwert, worauf gleich Ivans Frau aus einem Nebenzimmer herbeigelaufen kam, aber trotz zwei eigener Kinder nichts Schlimmes an dieser Situation sah. Im Gegenteil wurde sie noch frech. Eigentlich wollten wir jetzt gleich wieder nach San Francisco fahren und nicht eine Stunde auf den Beginn warten. Aber Silvia hatte eine bessere Idee: wir sind zur Kirche in Baños gegangen, haben uns beschwert und gefragt, ob wir den Kurs wechseln koennen, da das Ehepaar offenbar keine Zeit fuer den Kurs haette. Ein Wechsel waere nur moeglich gewesen, wenn wir bei einem anderen Paar wieder bei Null anfangen, also haben wir (bzw. Silvia) uns weiter bis zum obersten Kirchenrat von Baños beschwert. Schliesslich wurde uns erlaubt, den Kurs nicht in Baños, sondern bei dem Pastor aus der Nachbargemeinde Puyo, der uns auch traut (weil der Pastor von Baños zwar unheimlich nett ist, aber nie Zeit hat), durchfuehren zu duerfen. Dieser Pastor scheint uns sehr viel entspannter in Bezug auf den Hochzeitskurs, er sprach z.B. gar nicht von einem Kurs, sondern nur von einer "conferencia", also einem einmaligen, kurzen Treffen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.
Melissa schlaeft tagsueber gut zwei Stunden trotz Autolaerms von der etwa 15m entfernten Landstrasse
Wie steht es eigentlich mit der Beziehung von Maennern und Frauen zu Babys hier in Ecuador? Zuerst einmal ist mir aufgefallen, dass Frauen hier ein sehr viel innigeres Verhaeltnis zu Babys haben als Maenner. Melissa wird von fast jeder Frau aus der Familie erst einmal in/auf den Arm genommen, und Silvias Schwestern Irma und Amparo in Berlin wickeln Melissa wie selbstverstaendlich. Maenner geben Melissa meist ihren Zeigefinger zum Spielen und wenden sich bald wieder ab. Beim Wickeln bin ich der einzige Mann bisher. Auch auf den Strassen sieht man hier selten Maenner, die ein Kind auf dem Arm haben. Aehnlich bei den Indios: die Frauen sind fuer die Kinder zustaendig und tragen selbst groessere Kinder (2 Jahre) in einem Tuch quer auf dem Ruecken. Durch diese Aufgabentrennung wird verstaendlich, dass Frauen hier immer nur "mi hijo/a" (mein Sohn/Tochter) sagen, aber nie "nuestro hijo" (unser Sohn), selbst wenn der Mann direkt daneben steht. Kinderwagen sieht man kaum, die Buergersteige und Staedte sind auch nicht darauf ausgerichtet: oft sehr eng, versperren Geschaefte oder Strommasten noch zusaetzlich den Weg.