Letzten Samstag hat mich Paul, Leiter vom Africa Mentoring Institute (AMI), in sein Village mitgenommen. "Sein Village" sagt man hier in Uganda zu seinem Heimatdorf. In seinem Fall ist das Gomba, ein kleines Dorf fernab jeden Tourismus in 3-4 Stunden Busentfernung suedwestlich von Kampala. Auch die Ueberlandverbindungen werden mit den Matatus (Minibussen fuer 14 Personen) abgewickelt. Die Busse fahren ja erst los, wenn sie voll sind und so haben wir uns die Wartezeit mit Zeitungslesen vertrieben. Die Haendler kommen ja dauernd am wartenden Bus vorbei und so haben wir die verschiedenen Zeitungen erst einmal ausgiebig probegelesen, bevor wir uns fuer eine entschieden haben, die Paul dann gekauft hat. Der Haendler hatte eine Riesengeduld und ist zwischendurch immer wieder zu anderen Bussen gelaufen. Generell scheint Geduld eine afrikanische Tugend zu sein, so fallen die wartende Fahrgaeste nach Besteigen des Busses in eine Art Winterschlaf, sprechen kein Wort mehr und koennen so stundenlang bewegungs- und tatenlos vor sich hinstarren. Auch Wechselgeld bekommt man oft mit minuten- bis stundenlanger Verzoegerung wieder, im Bus, oder im Internet-Cafe, ohne dass einem gesagt wird, dass noch etwas passiert. Die Leute ertragen das stumm und stoisch und die Kassierer sind bisher immer ehrlich gewesen. Man darf nur nicht nervoes werden beim Warten... Paul ist da eine Ausnahme. Ausser im AMI ist er im JCI (Jouth Chamber International) engagiert, dort Praesident des ugandischen Verbandes. Er hat vor vier Jahren in Kenia Philosophie und Betriebswirtschaft studiert und ueberbrueckt Wartezeiten grundsaetzlich mit einem Buch in der Hand. Gerade liest er die Autobiografie von Martin Luther King. Nach einer Stunde Warten setzt sich der Bus endlich um 10:00 frueh in Bewegung.
Die Ausfallstrassen aus Kampala sind noch asphaltiert, doch bald biegen wir ins Landesinnere ab auf eine rotsandige Strasse mit einer tiefen Auswaschung vom Regen in der Mitte. Auf grossen Teilen ist sie nur auf einer Seite befahrbar, da hier aber nur selten Gegenverkehr kommt, ist das nicht so schlimm. Der Bus neigt sich teilweise sehr schraeg zur Seite, was aber keinen zu stoeren scheint. Fussgaenger, Radfahrer, Mofafahrer fluechten ins Gebuesch, wenn wir ueberholen, da der Bus wegen der Schlagloecher keinen Zentimeter von seiner Ideallinie abweicht. Im Dorf angekommen, bin ich als Weisser mal wieder die Attraktion. Hierhin verlaufen die Muzungus sich praktisch nie, waehrend sie in der Hauptstadt Kampala schon oefter anzutreffen sind. Vor allem die Kinder schauen mich mit teils weit geoeffneten Augen und Mund an. Wenn ich dann auch noch auf luganda gruesse (oli otya - wie geht's - zur Einzelperson, muli mutya zu mehreren), sind sie entweder ganz erstaunt oder bekommen einen Lachanfall. Wir treffen Pauls Mutter und seinen Bruder auf einem Feld an, , mir werden zwei lange Stangen Zuckerrohr als Snack abgebrochen und mit diesen Geschenken gehen wir zusammen zum Haus der Eltern, wo wir uns unter einen Baum setzen.
Mir wird gezeigt, wie man Zuckerrohr isst (die Vorstellung, dass jemand das noch nie gemacht hat, abgesehen von einem Bissen zusammen mit Annika in Banos/Ecuador, loest Erheiterung aus): Das Rohr wird aussen geschaelt, dann geviertelt und in 5cm lange Stuecken geschnitten. Diese kaut man wie Kaugummi, ohne sie herunterzuschlucken. Die Fasern werden dann vor einem auf den Boden gespuckt. Suess und lecker. Paul unterhaelt sich auf luganda mit seinem Bruder und Freunden aus dem Dorf. Ich verstehe fast gar nichts, aber sie wollen anscheinend, dass Paul wieder laenger in das Dorf zurueckkehrt und dort die Probleme loest, vor allem die Arbeitslosigkeit. Ich glaube, sie wuerden ihn sofort zum Buergermeister waehlen, das will er aber nicht. Aber er hat dem Dorf geholfen mit einem Projekt, das ihnen Computer und Computerkurse zur Verfuegung stellt, wir besuchen sein Center am Schluss. Aber vorher bereitet seine Mutter noch ein grosses Essen fuer uns vor, es gibt Schweinefleisch, Reis, Matooke (Kochbananenbrei), Posha (Maisbrei), Kartoffeln und Saft, alles sehr lecker. Zum Schluss schenkt mir die Mutter eine Bastmatte, zum Schlafen. Mit den Geschenken (Matte und eins der zwei Zuckerrohre) geht es dann auf den Heimweg.
Der Bus hat mehrere laengere Aufenthalte, bei einem hilft der Fahrer bei einem Fahrradunfall eines anderen Matatus, in dem er ueber Handy Hilfe anfordert. Es ist schon der zweite Fahrradunfall, den ich hier gesehen habe. Der zweite Halt entsteht, weil einige Fahrgaeste kurz vor Kampala nicht zahlen wollen. Sie wollen erst zahlen, wenn Kampala auch wirklich erreicht wurde. Der Schaffner laesst den Bus daraufhin anhalten, es entsteht eine lautstarke Diskussion. Nach 20 Minuten verlaesst eine Frau, anscheinend ohne bezahlt zu haben, den Bus, danach geht die Fahrt weiter. In Kampala ist Samstag-Abend-Stau, der Bus faehrt fantasievolle Schleichrouten auf Staubstrassen durch die Vorort-Slums, doch auch hier geht es nicht richtig weiter. In Kampala dann Umsteigen in das Matatu nach Entebbe, nochmal den Stau mitnehmen, um 10 Uhr abends komme ich erschoepft wieder in Entebbe an.
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