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Montag, 25. September 2006

Ausflug nach Balsapamba - Parque Historico

Wandern am Rio Crystal

Diese Woche hat mich Leonardo, ein Führer im Zoo, gefragt, ob ich nicht am Freitag und Samstag zusammen mit Freunden einen Ausflug nach Balsapamba machen will. Die Freunde (Alvora und Brüder) wohnen in Babahoya nahe Balsapamba, einer mittelgrossen Kleinstadt, wir können bei denen übernachten, fahren mit dem Bus 1,5 h hin und haben nicht viele Kosten. Da Balsapamba am Rande der Sierra liegt (1.400 m hoch) und ich die Sierra noch kaum kenne, habe ich natürlich gleich zugesagt.
Studenten haben hier wenig Geld, sind mit dem bisschen aber wahre Überlebenskünstler, das habe ich während dieses Ausfluges gemerkt. So habe ich während des Ausfluges von Freitag nachmittag bis Samstag abend nur ca. 10$ ausgegeben, inkl. Busfahrt, Bierparty bis zum Übergeben am Freitag abend (ich nicht, aber ein Bruder des Freundes) und dem eigentlichen Ausflug mit Mittagessen, Billard und nochmaliger Busfahrt am Samstag (diese 10$ sind noch viel Geld, so haben zwei Freundinnen von Leonardo abgesagt, weil sie kein Geld für die Reise hatten). Dabei wurden wir aber tatkräftig von der ecuadorianischen Gastfreundschaft und dem Sozialbewusstsein unterstützt. Einige Beispiele:
  • Schlafmöglichkeit auf dem Sofa, Frühstück und Abendessen wurde uns wie selbstverständlich von der Familie Alvoras zur Verfügung gestellt. Dabei waren vorher wohl nicht mal alle angekündigt.
  • Für die Busfahrt nach Babahoya mussten wir alle nur den Studentenpreis von 1$ zahlen, wobei nach Gutglauben gehandelt wurde, ich wurde nach keinem Studentenausweis gefragt. Die Busfahrt von Babahoyo nach Balsapamba wurde für vier Personen von insgesamt 2$ (50 Centavos pro Person) auf 1$ heruntergehandelt, ich wusste vorher gar nicht, dass Buspreise hier verhandelbar sind... Von Balsapamba zum eigentlichen Ausflugsort sind wir getrampt und ohne lange Wartezeiten auf Busdächern, Pickup-Ladeflächen und in einem Lieferwagen für Wasserflaschen mitgenommen worden.
  • Am Ausflugsort gab es eine Strohhütte (s. Bild oben vom Fluss Rio Crystal), die wohl manchmal zum Tanzen, Essen und Feiern genutzt wird. Als wir kamen, waren wir aber die einzigen. Nach langer Diskussion mit der Wirtin, die nichts zu Essen da hatte, wurde sie von Leonardo und Alvaro überredet, uns doch noch ein Essen zuzubereiten, bestehend aus einer Übermenge Reis (na klar!), einem Rührei und ein bisschen Bohnen und Zwiebeln. Inklusive Getränk hat das Ganze für 4 Personen zusammen nur 3$ gekostet.

So hatten wir einen netten Ausflug und haben zwischendurch auch im Rio Crystal gebadet, der wirklich kristallklar war (für Ecuador leider nicht selbstverständlich!).


Im ecuadorianischen Whirlpool zusammen mit Alvaro und Leonardo

Am heutigen Sonntag habe ich dann mit Narcisa und Marcelo, einem Pärchen, die ebenfalls beide im Zoo arbeiten, den Parque Historico in Guayaquil besucht. Dieser besteht aus drei Teilen: Zoo, Landschaftspark und historischen Häusern. Zusätzlich gab es einen Kunsthandwerksmarkt, bei dem gezeigt wurde, aus welchen Fasern die Sombreros de Paja Toquila hergestellt werden (bei uns als Panamahut bekannt, wenn man das hier erwähnt, wird man böse angeguckt. Alle Panamahüte werden ausschliesslich in Ecuador hergestellt und werden im Ausland Panamahüte genannt, weil sie früher viel am Panama-Kanal gehandelt wurden) und wie Tierfiguren aus der Tagua-Nuss geschnitzt werden (hart und farbig wie Elfenbein).


Ein Jahrhundert zurückversetzt...


Narcisa und Marcelo

Für die Museumsgäste werden hier frittiertes Gebäck und Kaffee zubereitet.

Mehr Bilder hier.

Ach, und dann gab es mal wieder das Clasico dieses Wochenende, das Fussball-Guayaquil-Lokalderby der ersten Liga zwischen Barcelona und Emelec. Da die erste Liga nur 10 Mannschaften hat, gibt es diesen Klassiker viermal im Jahr zu sehen. Diesmal hat Emelec 2-1 gewonnen.

Und ich hatte am Freitag meinen ersten beiden grossen eigenen Gruppenführungen auf Spanisch, einmal 20, einmal 14 Schülerinnen. Es war für beide Seiten sehr lustig, für die Mädchen wegen meines Spanisch, und für mich, weil sie mehr Fotos von mir als von den Tieren gemacht haben...

Freitag, 22. September 2006

Bilder aus dem Zoo

Wie versprochen anbei ein paar Bilder aus dem Zoo El Pantanal. Ich habe hauptsächlich Kollegen aufgenommen, Tierfotos aus dem Zoo gibt es in dem Artikel aus Caras zu sehen. Mehr Bilder auf meiner Fotopage.

Eingangsbereich

Viviana und Valeria


Narcisa


Marcelo beim Mittagsschlaf


Harpyie-Adler, der zweitgrösste Adler der Welt

Montag, 18. September 2006

Australisches Barbecue

Tim und Farid beim Grillen

Tim aus Australien hatte schon lange mal vor, ein australisches Barbecue zu veranstalten, um endlich mal nicht Reis mit Hühnchen wie sonst immer zu essen. Heute am Sonntag war es dann soweit. Tim hatte sich am Freitag extra freigenommen, um die Einkäufe zu erledigen, die insgesamt nur 30$ gekostet haben, obwohl für Ecuador so exotische Sachen wie frischer Salat, griechischer Fetakäse und gelber Käse dabei waren. Zum Käse in Ecuador: gelber Käse wie Edamer, Emmentaler oder Tilsiter ist hier recht unbekannt, was es öfters mal gibt, ist ein sehr leckerer weisser Käse, der geschmacklich zwischen Mozarella und Feta liegt. Eingeladen waren alle 7 Voluntäre, sowie einige ecuadorianische Jungs, Freunde von einigen Voluntärinnen. Treffpunkt war um 11 Uhr für alle im Haus von Tim oder Christine (die beiden sind Nachbarn), das Barbecue selber sollte dann bei Freunden woanders stattfinden. Wer die Artikel von Annika und Enrico zum Thema Warten und Spontaneität gelesen hat, weiss was 11 Uhr Treffpunkt bei 12 Leuten in Ecuador bedeutet. Ich habe vorher Wetten auf 12:30 Abmarsch abgeschlossen, und lag mit 12:20 tatsächlicher Zeit gar nicht so weit daneben...
So sind wir dann mit einem Auto und einem Taxi losgefahren. Belegungszahlen von 8 und 5 sind in Ecuador nichts ungewöhnliches, beim 8er-Kombi sassen 3 auf der Kombifläche. In Taxis sind wir schon mehrfach zu sechst plus Fahrer gefahren: 2 auf dem Beifahrersitz, 4 hinten, der linke Beifahrer muss dann ständig sein Bein anheben, damit der Taxifahrer schalten kann. Als die Fahrt aus Guayaquil herausging, war uns klar, dass die Party in einer Urbanizacion stattfinden wird, so war es dann auch. Eine Urbanizacion Privada ist eine Mustersiedlung meist in der Peripherie von Grosstädten, die von einem hohen Zaun (in diesem Fall Stacheldraht und Elektroschock) gesichert ist, sowie von Wachschutz an der Einfahrtsschranke. Man kommt nur herein, wenn man registriert ist, oder der Besuchte dem Wachschutz per Telefon die Freigabe erteilt. Die Häuschen waren sehr schön im US-amerikanischen Stil gebaut und eingerichtet, nur der Garten war unterproportional klein, er hatte keine Rasenfläche, dafür aber einen kleinen Pool, eine Sitzfläche für zwei Tische, einen Kamingrill, eine Sauna und einen überdachten Poolbillard-Tisch, also alles was man für einen netten Nachmittag braucht.

Annika, Heleen, der Hausherr Camilo und ich, im Hintergrund die ersten Poolspiele

Das Essen war sehr lecker und wirklich mal eine angenehme Abwechslung zum sonstigen kulinarischen Standard hier. Interessanter war aber der Hausherr, Camilo. 57 Jahre alt, US-Amerikaner, hat er 40 Jahre seines Lebens in New York gelebt, bis er vor 15 Jahren das erste Mal nach Ecuador kam und seit 5 Jahren hier ständig lebt. Er hat eine ecuadorianische Frau und drei Söhne, die Jura und Medizin studieren, war ab 1965 in Bamberg als Soldat stationiert, hat sich dann wegen des vielen Schnees (doch nicht mehr als in New York??) für den Vietnamkrieg gemeldet und war danach ein ganz hohes Tier bei Kodak-Rank-Xerox, ist dienstlich in der ganzen Welt herumgereist und verdient jetzt eine Rente von 5.000 $ im Monat, für Ecuador also superreich. Dementsprechend hat er auch mehrere Immobilien und vollendet bald seine doppelt so grosse Villa in Salinas, dem Mallorca von Guayaquil, ca. 1,5 h Autofahrt von Guayaquil entfernt an der Küste gelegen. Sein Humor ist typisch US-amerikanisch: "Ihr könnt hier alles machen, aber bitte kotzt nicht in den Pool!" Nur 3h später um 5 Uhr nachmittags war wirklich ein Ecuadorianer kurz davor, schlief betrunken am Tisch in einer Rotweinlache ein, wurde dann von den anderen in die Sauna zum Ausschwitzen gesteckt und danach im Pool gebadet. Er hat es überlebt...
Camilos Ansichten waren interessant, man durfte ihnen nur nicht widersprechen, er gab nämlich keinen Millimeter nach. So gehören z.B. Apple und Microsoft beide Bill Gates (zumindest in den USA), Bill Gates ist der reichste Mann der Welt (und das stimmt laut Forbes sogar, unseren Favoriten, den Prinzen von Brunei, wollte er zu recht nicht anerkennen, mit der Begründung: Öl ist doch ersetzbar, aber Kommunikation nicht, und die hat Bill Gates fest in der Hand) und das World Trade Center wurde nicht von Bin Laden, sondern der CIA zerstört. Also ein Anhänger der Verschwörungstheorien. So frage ich ihn, ob er glaube, dass die Amerikaner auf dem Mond gelandet seien, und tatsächlich, wie erwartet, antwortet er: das war doch alles Fake. Ansonsten ist er der Gesundheit wegen nach Ecuador ausgewandert. Er hat eine Augenkrankheit, die nur durch das Fruchtsafttrinken hier und vor allem eine Aloe-vera-ähnliche Pflanze zum Stillstand gekommen ist, ich glaube Curacao-Aloe, die neben dem Pool wächst, gegen alles gut ist und von der er uns gleich zum Probieren etwas abgebrochen hat. Soll nach Zitrone schmecken, sie hat aber einfach nur nach Blatt geschmeckt, naja, nur nicht widersprechen...
Um 6 Uhr war dann auf einmal hektischer Aufbruch, die Hausherrin hatte vorher gesagt, um 6 solle man der Mücken wegen hereinkommen, drinnen war aber nicht so richtig viel Platz und Stimmung, also sind alle plötzlich ohne Rücksicht auf Freunde abgehauen und haben alles stehen und liegen gelassen. Annika, Tim und ich haben wenigstens noch das Gröbste weggeräumt und wurden von zwei der drei Söhne ganz lieb bis nach Hause gefahren.

Samstag, 16. September 2006

El Pantanal II

Berber-Affen

Nach dem ersten Bericht vor 6 Wochen ueber meine Arbeit im Zoo ist mal wieder ein Update faellig. Man, wie schnell die Zeit vergeht... Auf die 60 Briefe an deutsche Zoos kamen immerhin 5 positive Antworten und einige nette Absagen. Am weitesten sind wir mit dem Thueringer Zoopark Erfurt. Die wollen uns 5 Berber-Affen (oder Gibraltar-Affen, uebrigens die einzige frei lebende Affenart Europas, ausser dem Menschen) schenken, das ist doch mal was! Jetzt gilt es, alle moeglichen Formalitaeten durchzustehen: Erfurt muss bei den Affen einen Tuberkolose-Test durchfuehren, das sogenannte CITES-Abkommen (Konvention ueber den Handel mit wilden Tierarten) muss beachtet werden, eine Dokumentation fuer das ecuadorianische Umweltministerium wurde erstellt und die Einfuhr von dieser Seite schon genehmigt, das gleiche muss wohl in Deutschland fuer die Ausfuhr erstellt werden, die beste Transportart muss herausgesucht werden (gibt es einen Direktflug von Frankfurt nach Guayaquil, was kostet der fuer Affen?), das Gehege im Zoo gebaut/fertiggestellt werden, und zwar so, dass es keine Moeglichkeit gibt, dass die hier nicht einheimischen Tiere in die Umwelt entkommen koennen. Ist schon ein kleines Projekt, das Ganze. Heute frueh habe ich mit Erfurt telefoniert, um diese Fragen abzustimmen. Dabei sassen der Zoodirektor, der Juniorchef und der Biologe gespannt mit im Zimmer, und haben mich nach dem Gespraech gleich gefragt, was mein Gegenpart in Erfurt denn gesagt haette. Was gar nicht so einfach in Spanisch auszudruecken war... Ansonsten ist der Vogelpark Walsrode an Horn- und Schopfwehrvoegeln interessiert und will uns im Austausch Flughunde (eine Art von Fledermaeusen) anbieten. Da sind wir noch am Verhandeln. Eine Zusammenarbeit koennen sich auch die Zoos in Frankfurt, Nuernberg und Osnabrueck vorstellen. Ich bin gespannt was passiert, wenn zum ersten Mal die Kosten fuer die Transporte auf den Tisch kommen, ob dann immer noch alle an einem Austausch interessiert sind...

Dann ist uns aufgefallen, dass der Zoo in kaum einem Reisefuehrer erwaehnt wird (vielleicht weil es ihn noch nicht so lange fuer die Oeffentlichkeit zugaenglich gibt). Also haben wir einen kurzen, wohlwollenden (aber nicht uebertriebenen) Text erstellt und ihn an die grossen deutschen Reisefuehrer geschickt. Auch hier haben wir schon positive Antworten erhalten, allerdings werden wir die naechsten Auflagen wohl nicht mehr in Ecuador als Voluntaere erleben.

Ansonsten zuechte ich die Maeuse und Schnecken im Zoo, die als lebende Nahrung z.B. fuer Schlangen, Uhus, Eulen und Adler gehalten werden. Es ist zwar etwas frustrierend, wenn man einerseits taeglich sieht, wie lange die Maeuse brauchen, bis sie ausgewachsen sind, und wie schnell sie dann andererseits z.B. von einer Eule gefangen und gefressen werden. Aber so ist das Leben. Gezuechtet werden auch noch Huehnchen und Kueken. Eine Anaconda-Schlange isst alle zwei Wochen z.B. 2-3 kleine Huehnchen (oder grosse Kueken, wie man es auch bezeichnen will). Neulich war wieder ein Fernsehteam da (in den letzten 7 Wochen waren es schon mindestens 4 Teams), das hat das u.a. gefilmt: Anacondas haben keine Giftdruesen, sondern toeten die Huehnchen durch Erwuergen, wie im Dschungelbuch, und schlucken sie dann im Ganzen herunter.

Dann gibt es manchmal Arbeitseinsaetze wie neulich im Hirschgehege, wo wir die trockenen Palmblaetter von den Baeumen gezogen und vom Boden aufgelesen haben. Das war lustig, da die Hirsche sich manchmal gegenseitig gejagt haben und mit einem "Affen"tempo und vielleicht 20 cm Abstand an einem vorbeigesprungen sind. Sie sind also doch nicht so scheu, oder im Zoo an die Menschen gewohnt. Spass macht auch das Baeumebeschneiden mit einer Machete, hier ein gaengiges Arbeitsmittel. Allerdings kriegt man Blasen an der Hand, wenn man sie zu lange gebraucht.

Südamerikanischer Nasenbär

Ja, und wenn dann mal nicht viel zu tun ist, setze ich mich zu den jungen Fuehrern (alles Studenten, die tagsueber arbeiten und abends studieren, meist Tourismus und Hotelwesen) und bessere meine Spanischfaehigkeiten auf. Diese Woche habe ich meine erste Tour auf Spanisch mit offiziellen Zoo-Besuchern (Freunde hatte ich vorher schon einmal gefuehrt) gemacht. Lief ganz gut, auch wenn mir ein Tiername (Cuchucho, das ist der suedamerikanische Nasenbaer) nicht mehr einfiel und dort das Schild fehlte. Die muehsame Uebersetzung der Tour auf deutsch hat bisher noch keine Anwendung gefunden, weil sich hier keine deutschen Touristen hin verlaufen. Die kommen erst mit den naechsten Reisefuehrerauflagen, wenn ich schon weg bin...

Demnaechst gibt es dann auch mal Fotos vom Zoo und den Mitarbeitern. Liebe Gruesse in die Heimat!

Montag, 11. September 2006

Gruppendynamik - Ausflug nach Esmeraldas

An diesem Wochenende habe ich das erste Mal den Äquator auf dem Boden überquert.

Die ersten 6 Wochen sind um, wir haben uns eingelebt und duerfen nun auch am Wochenende ohne unsere Gastfamilien reisen. Natuerlich wollten wir da mal wieder die anderen Voluntaere sehen, wir sind ja auf die drei Orte Quito, Esmeraldas und Guayaquil verteilt. Also haben wir uns Wochen vorher einen Ort (naemlich Manta an der Kueste) ausgesucht, der von allen drei Orten halbwegs in der Mitte liegt. Alle schienen begeistert von der Idee und so machten wir uns an die Vorbereitungen, suchten die Busverbindungen heraus, beantragten bei AFS die Reisefreigabe, informierten die Arbeitstelle (weil wir das Wochenende um den Freitag verlaengern wollten) und natuerlich die Familien. Aber irgendetwas ist dann schiefgelaufen, jedenfalls sagten 1-2 Tage vorher immer mehr Leute ab, und von 10 Personen blieben auf einmal nur noch Annika und ich uebrig. Die Haelfte der Gruppe fuhr lieber nach Quito und von dort nach Esmeraldas, ohne zu sagen warum oder die andere Haelfte auch nur darueber zu informieren. So entschlossen wir uns am Donnerstag abend kurzfristig um und aenderten das Ziel auf Esmeraldas, um Sybille und Enrico doch noch zu sehen und vielleicht auch die Gruppe wieder zusammenzubringen.

In Suedamerika ist der Bus das Hauptverkehrsmittel, gefolgt vom Flugzeug, Eisenbahnstrecken wie in Europa gibt es hier kaum. Die Fahrt nach Esmeraldas dauert 8 Stunden und kostet 8 Dollar, Enricos Faustregel, dass die Buspreise nach Stundentarif 1 Dollar berechnet werden, hat sich hier exakt bestaetigt. Um nicht den muehsam erkaempften freien Freitag im Bus zu verbringen, entschieden wir uns fuer die Nachtfahrt, und so trafen wir uns mit Annika und Anita, die nun doch noch spontan mitkam, um 10 Uhr abends (3 Stunden nach der Entscheidung, nach Esmeraldas zu wechseln) am Busbahnhof und checkten fuer die Fahrt um 23:30 ein, der fruehere Direktbus um 22:30 war schon ausgebucht. Die Ueberlandbusse haben einen guten Standard, recht bequem, mit Fernsehen (da werden die kopierten DVDs gezeigt, die man hier fuer 1,50 $ ueberall auf der Strasse und in Geschaeften kaufen kann, passend zur Busfahrt ein deutscher Constantin-Film mit einem Autobahnrennen von Jugendlichen, auf der Rueckfahrt u.a. ein Horrorfilm ueber Autobahnmassenungluecke, die Busfahrer haben hier einen Humor und denken sich dabei wahrscheinlich noch nicht einmal was...) und besserer Verpflegung als auf einem deutschen Lufthansa-Inlandsflug (Kekse und Kola sind in den 8 $ Fahrpreis enthalten, zusaetzlich kommen tagsueber dauernd fliegende Haendler mit Essen und Trinken eingestiegen). Ich habe den Steward/Schaffner bewundert, wie er in dem schwankenden Hoellenbus in der einen Hand die Kolabecher, in der anderen die 3l-Kolaflasche (mit Kola wird hier uebrigens jede Limonade bezeichnet, schwarze Kola ist Coca/Pepsi-Cola, orange Kola ist Fanta-aehnlich, gelbe Kola (gallito) ist supersuess), also mit keiner Moeglichkeit, sich festzuhalten, die Becher ohne etwas zu verschuetten randvoll giessen kann. Bis er im zweiten Durchgang meiner gerade aufgewachten Sitz-Nachbarin nochmal orange Kola einschenkt und mir dabei die Haelfte ueber die Hose kippt. Also doch nicht perfekt...


Ausflug an einen einsamen Paradies-Strand

In Esmeraldas frueh morgens angekommen werden wir ganz lieb von Sybille, Enrico und Emma, spaeter auch noch Camilla, abgeholt und an ein Hotel vermittelt (Dreierzimmer fuer 30$ die Nacht, sauber mit Kuehlschrank und TV), wo wir beim Duschen unvermittelt mit Wasserproblemen konfrontiert werden. Das Wasser troepfelt nur, manchmal ist es ganz weg. Als wir deshalb schon gerade das Hotelzimmer wechseln wollen, erklaeren uns die anderen Voluntaere, dass das in Esmeraldas normal ist, manchmal gibt es gar kein Wasser, dann wieder ganz viel. Na gut, also Haare waschen wann immer der Wasserdruck mal gerade hoch ist.

Immer noch der schoene Strand

Es werden zwei schoene Tage mit einem einsamen Paradiesstrand, einem Stadtstrand, einem Museum fuer Vor- und Fruehgeschichte, Nachtleben und exotisch vertrautem Essen: Shrimps in Kokossauce am Paradiesstrand, aber auch Salchipapas nachts am Plaza Las Palmas: das sind Pommes mit Wuerstchenscheiben, Ketchup, Mayo, eingelegten Zwiebeln und Krautsalat, alles durcheinander geruehrt, lecker! Uebrigens war hier durch die Urlaubs-Selbstverpflegung der Samstag mein erster Tag seit 6 Wochen, an dem ich keinen Reis gegessen habe (wir waren abends Pizza essen, mittags eine frittierte Kochbananenspezialitaet am Strand)...

Krabben mit Kokossauce und Bananenroestlingen

Zwischendurch haben wir auch zufaellig die abgesprengte Gruppe aus Quito und Teilen Guayaquils getroffen, leider war aber kein Interesse da, etwas gemeinsam zu unternehmen.

Justine, Sybilles Gastschwester, eine suesse Nervensaege!

Mehr Bilder hier. Eine lustige Bus-Anekdote auf der Rückfahrt könnt Ihr als Kommentar bei Enrico lesen:

Samstag, 2. September 2006

Machismo - Busfahren

Annika beschreibt in ihrem Webtagebuch beim Thema Essen auch sehr anschaulich die typische Rollenverteilung in Suedamerika: Die Jungen sind Paschas und lassen sich bedienen, die Maedchen helfen beim Abwaschen. In meiner Familie ist das notgedrungen etwas anders: bei 11 Maennern und einer Frau, die nicht die Mutter ist, muessen andere Regeln gelten. Wenn die Jungs z.B. abends nach Hause kommen und sich ihr Essen vom Mittag (tagsueber kommt in der Woche eine Angestellte zum Kochen fuer die Familie und fuer die Mitarbeiter der Firma) in der Mikrowelle selber warmmachen, raeumen sie hinterher auch alles wieder ab und spuelen ihr eigenes Geschirr. Abends kocht Richard oft ein zweites Mal fuer die ganze Truppe (z.B. Sandwiches mit Spiegelei, oder Hamburger), wobei dann jeder mithilft oder zumindest seelischen Beistand leistet und in der Kueche herum steht. Seit einer Woche funktioniert auch die Waschmaschine wieder. Bei meiner Ankunft vor 5 Wochen wurde mir die Maschine zwar gezeigt, aber ein Teil war kaputt, dass "mañana" repariert werden sollte. "Mañana" heisst eigentlich "morgen", hat hier aber eine recht grosse Bandbreite. Es kann heissen "nie", "bald", "spaeter" und heisst eigentlich im seltensten Fall wirklich "morgen". Trotzdem (oder gerade deshalb!?) ist das Wort bei Ecuadorianern sehr beliebt. Wenn man also z.B. sein verliehenes Geld mañana wieder zurueck bekommen soll, kann man es komplett abschreiben. So habe ich also die ersten vier Wochen auf lauwarme Handwaesche umgestellt und jetzt ein viel innigeres Verhaeltis zu meiner Kleidung. War schon mal eine gutes Training fuer Uganda.

So habe ich heute zur Abwechslung mal nicht die Blicke der kleinen Maedchen auf mich gezogen, sondern die zwar belustigten, aber auch anerkennenden Blicke der aelteren Hausfrauen, als ich nach meinem Einkauf im Hypermarkt mit einem 5kg Waschpulverbeutel nach Hause lief. Ein Mann mit Waschmittel in der Hand, das hat hier wohl auch noch niemand gesehen. Auch beim Projektmanagement faellt meine Familie aus der Reihe. Ist Planung ueber den heutigen Tag hinaus in Ecuador sonst recht wenig verbreitet, so gibt es in meiner Familie einen Plan fuer die Benutzung der Waschmaschine. Ich teile mir den Freitag mit Teresa.

Gegoogelt: typischer Bus in Guayaquil


Ueber das Busfahren in Ecuador koennte man alleine ein ganzes Buch schreiben. Bisherige Artikel:

Ich beobachte immer ganz gerne den Fahrer. Er sitzt auf einem am Boden festgeschraubten Gartenstuhl, so einem Blechgestell, das mit blauem Plastikfaden bespannt ist. Um der Gurtpflicht zu genuegen, hat sich ein Fahrer mal an die obere Ecke der Rueckenlehne eine Art Rucksacktraeger geknotet. Das untere Ende des Gurts hatte keinen Verschluss, das ist aber hier auch nicht noetig. Vor einer vermuteten Polizeikontrolle wird der Gurt zum Zeichen des guten Willens einfach lose ueber die Brust gehaengt, das reicht vollkommen aus. Oft hat der Busfahrer ein bis zwei Helfer. Einer, der Opa der Familie, sitzt in der ersten Reihe hinter der Tuer, lehnt sich aus dem offenen Fenster und ruft bei jeder groesseren Menschenansammlung auf dem Buergersteig die drei naechsten Bezirke nach draussen, die der Bus anfahren wird. Die Bezirke sind hier kleiner als bei uns, so dass diese Ziele tatsaechlich eine ziemlich genaue Routenbeschreibung wiedergeben und man maximal 5 Minuten nach Hause laufen muss, wenn man im richtigen Moment aussteigt. Gleichzeitig winkt der sich herauslehnende Opa die einsteigenden Fahrgaeste in den Bus, eine meiner Meinung nach ueberfluessige Geste. Hinter dem Fahrer sitzt oft ein kleiner Junge, wahrscheinlich der Sohn, und regelt die Herausgabe des Wechselgeldes. Die Kasse des Busses erinnert an einen flach liegenden Holzsetzkasten, in den einzelnen Faechern liegen abgezaehlt jeweils 25 Centavos als Wechselgeld. Ueber der Windschutzscheibe haengt ein Jesuskreuz, ein Rosenkranz und/oder ein religioeser Spruch, in der Mitte der Windschutzscheibe sind zwei Ecuador-Faehnchen mit Saugnapf festgemacht, wie bei der WM in Deutschland, halt nur fuer innen. Wenn der kleine Junge mal nicht da ist, macht der Fahrer alles alleine mit der rechten Hand: den Schaltknueppel bedienen, Geld annehmen, Wechselgeld heraussuchen, alles waehrend der Fahrt natuerlich. In Guayaquil gibt es keine U- oder S-Bahn, selbst die neue Metrovia ist nur ein Bussystem, allerdings mit eigener Spur und bahnhofaehnlichen Haltestellen. In der Innenstadt ist damit der Bus das Hauptverkehrsmittel, in den Hauptstrassen sieht man staendig mindestens 10 Busse gleichzeitig.