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Mittwoch, 9. August 2006

Leben in der Familie

Blick von der Altstadt auf den Malecón 2000

Mein Leben in der Gastfamilie hat einige Umstellungen mit sich gebracht. Ich habe 9 Brueder (Leonardo, Camilo, Diego, René, Andrés, Marco, Jorge, Oscar und Alex), deren Namen ich jetzt halbwegs zuordnen kann und die zwischen knapp 18 und 25 Jahren alt sind. Fast alle studieren oder arbeiten in der Informatik oder Telekommunikation. Teresa ist die gute Seele des Hauses und Richard (eigentlich Ricardo) der Boss. Es ist keine Familie im herkoemmlichen Sinne, mehr eine Pension. 3 der Kinder sind leibliche von Richard, die anderen wurden im Laufe der Zeit aufgenommen und bekommen Kost und Logis, wenn sie sich an gewisse Regeln halten, die dem gesunden Menschenverstand entsprechen. Die Umstellung beinhaltet einerseits die Aufgabe jeder Privatssphaere (ich teile mein Zimmer mit 3 Bruedern), auf der anderen Seite ist man wirklich nie einsam und wenn man mal den Weg zu einem AFS-Treffen nicht weiss, finden sich immer ca. 3 Begleiter. Mit der Dusche gibt es komischerweise keine Probleme, die meisten duschen hier nachmittags oder abends. Alle sind sehr offen, freundlich und an Deutschland interessiert, ob das Bier hier anders schmeckt (tut es nicht, aber es gibt halt nur Pils), in welchen Laendern ich schon war, ob ich Spiele bei der Weltmeisterschaft gesehen habe. Die Freundlichkeit erstreckt sich nicht nur auf die Familie, sondern auf alle Ecuadorianer, die ich bisher kennengelernt habe. Das steckt richtig an :-) Ein Wohnzimmer gibt es nicht, alles spielt sich im Schlafzimmer des Vaters ab. Auf das grosse Bett passen 4-6 Personen und ein Hund, an jeder Seite laesst sich noch eine Haengematte aufspannen und so werden die Abende vor dem Fernseher oder vor der Playstation verbracht.
Am Wochenende war ich bei einer voellig fremden Familie zum Familientreffen und Mittagessen (ca. 30 Personen) eingeladen. Der einzige Bezug war, dass ein Mitglied der Familie auch einen Austausch-Voluntaer von AFS aufgenommen hat, den ich vorher nicht kannte. Ich kannte also gar keinen auf der Party, und alle sprachen natuerlich nur Spanisch. Trotzdem habe ich mich prima amuesiert, grosse Teile von Unterhaltungen mitbekommen (bis hin zur Rechtfertigung des Irak-Krieges) und wurde integriert, als ob ich schon immer dabei gewesen waere. Und die meisten oben genannten Fragen wurden natuerlich auch gestellt. Zur Begruessung und zum Abschied gibt es von den Frauen selbstverstaendlich einen Kuss auf die Wange, von den Maennern ein Haendeschuetteln mit gleichzeitig anerkennenden Klopfen der anderen Hand auf die Schulter.
Samstag abend war ich in einer Disko, dem Ofizz. Das System ist hier so: Mann zahlt 15 $ Eintritt, Frau gar nichts, dafuer sind alle Getraenke im Preis enthalten. Hat den angenehmen Nebeneffekt, das mann zwar blechen muss, aber dafuer ein fuer ihn angenehmes Geschlechterverhaeltnis anzutreffen ist. Ich war mit Leon, einem Belgier (AFS), einem Schweizer, seiner zukuenftigen (ecudorianischen) Frau, zwei hiesigen Freundinnen und einem Cousin als Aufpasser da. Eigentlich immer wenn ecuadorianische Single-Frauen ausgehen oder auf Maenner treffen, ist ein Aufpasser aus der Familie dabei. Trotzdem aber auch hier wieder eine offenherzige Kommunikation. Auf der oberen Ebene wurde leicht Techno angehauchte Diskomucke gespielt, unten Salsa und natuerlich Reggaeton, der augenblickliche Modetanz hier. Hinterher stehen die Taxis vor der Tuer, man handelt vorher den Preis aus, bei einer nicht lizensierten Taxe kann man den Preis weiter runter druecken (Standard nachts sind 2-3 Dollar), allerdings faehrt die dann auch entsprechend chaotisch. Dabei habe ich ein weiteres Einsatzgebiet der Hupe kennengelernt: Man hupt auch, bevor man bei rot ueber die Ampel brettert, damit der Querverkehr gewarnt ist. Immerhin.
Am Sonntag waren wir morgens in einer Picanteria fruehstuecken. Man bekommt dort einen grossen Teller mit Reis und jede Menge Meeresfruechte (Shrimps, Thunfisch, Tintenfisch, den Rest kannte ich nicht) fuer 2,50 Dollar, das Essen wird auf der Strasse gebraten. Es war sehr lecker. Natuerlich wird jedem Touristen (und auch AFSer) davon abgeraten, so etwas zu essen, wegen moeglicher Magenprobleme hinterher. Ich habe aber bisher alles bestens vertragen, toi, toi, toi! Danach war dann Grossreinemach-und-Ausmisttag im ganzen Haus, und nachmittags der Fussball-Klassiker, der ging unentschieden 1 - 1 aus, und diesmal ohne irgendeine Ausschreitung. Uebrigens habe ich mich seit einigen Tagen ueber einen deutlich groesseren Verkehr auf dieser Webseite erfeuen duerfen, am Samstag waren es 55 Besuche. Meine Nachforschungen ergaben, dass der Fanclub von Emelec einen Link auf meine Seite geschaltet hat mit der Ueberschrift: "Alemanes pendientes del clasico del Astillero", das heisst soviel wie "Die Deutschen verfolgen den Werft-Klassiker". Werft, weil beide Mannschaften aus der Hafenstadt Guayaquil kommen. Ich weiss nicht, wie die meine Seite gefunden (und verstanden!)haben, aber ich fuehle mich irgendwie geehrt... Abends haben wir dann noch mit mit Alex, Diego und einem Freund der Familie einen Stadtspaziergang unternommen und u.a. eine Aussicht wie oben auf dem Foto gehabt.
So, das reicht fuer heute, ein bisschen muss ich ja noch fuer die naechsten Berichte aufheben :-) Liebe Gruesse nach Hause!

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