Es gibt Situationen und Orte, die man als Mann nie erleben wird, z.B. den Besuch eines Nagelstudios, einen Termin beim Frauenarzt, den Aufenthalt in einer überfüllten Damentoilette, das Umziehen in einer Mädchenumkleide oder die Übernachtung in einem Frauen-Studentenwohnheim. Es sei denn, man wird dafür komisch angesehen oder sogar strafrechtlich verfolgt. Und doch gibt es manchmal Umstände, in denen man(n) ganz legal und unverhofft in solche Situationen hereinschlittert. Besonders als Vater oder bei Auslandsaufenthalten...
Als Kind hatte ich lange Haare. Es waren die 70er Jahre und ich habe mich mit 10 Jahren im Aussehen an meine älteren Brüder gehalten. Auf dem Klassenfoto bin ich das Mädchen mit den langen blonden Haaren oben in der Mitte stehend. Für das Umziehen zum Sport hat mich der Hallenwart manchmal in die
Mädchenumkleide geschickt. Nach dem ersten peinlichen Mal habe ich meine Anfrage "Wo ist denn hier bitte die Umkleide?" ergänzt um das Wort "Jungen-Umkleide?".
Sport in der 4. Klasse. Ich habe die blonde Löwenmähne in der Mitte.
15 Jahre später hatte ich einen Studienaufenthalt von 4 Monaten am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in den USA bei Boston. Dort hatte ich eine Freundin Mindy, die im Frauenstudentenwohnheim auf dem Campus gewohnt hat. Sie meinte, Jungen dürften dort auch übernachten. Als ich das gemacht habe, hatte ich ein komisches Gefühl. Bevor ich in die Gemeinschaftsdusche gehen konnte, musste Mindy immer vorher schauen, ob alles frei ist und hat dann an der Tür ein Schild umgedreht ("Achtung Mann!").
Nach der Dusche im Mädchenwohnheim habe ich mich 1993 mit einem Handtuchturban getarnt.
Ins
Nagelstudio wollte ich in Ecuador 2006 eigentlich nur aus Langeweile und Begleitung für Narcisa gehen. Warum ich dann hinterher auch pedikürt war, könnt Ihr
hier nachlesen.
Termine beim Frauenarzt hatte ich 2009 öfters, als ich mit Silvia zu einigen Schwangeschaftsuntersuchungen mit gegangen bin. Natürlich wollte ich mir die Ultraschallbilder und das erste In-Bauch-Video von Melissa nicht entgehen lassen!
Der Ecuador-Stand auf der Grünen Woche, hinten sitzt Silvia mit Melissa
Warum ich den Artikel aber eigentlich schreibe, ist mein erster Besuch in einer völlig überfüllten Damentoilette gestern bei der Grünen Woche (Nahrungsmittelmesse) in Berlin. Silvia hat die Woche über spontan auf der Messe gearbeitet, da ihr Chef auf dem zuerst leeren Ecuador-Stand Panama-Hüte verkaufen durfte. Gestern habe ich sie dort besucht und habe dann mit Melissa die Hallen erkundet (es war sehr voll, so dass Silvia ihre Kollegin nicht alleine lassen konnte). Irgendwann kam dann natürlich auch die Zeit zum Windelwechseln. Nun gibt es auf dem riesigen Messegelände Hunderte von Toiletten, Wickelräume sind aber rar. Auf dem nördlichen alten Teil gibt es gar keine Räume, eine Hostess empfahl mir stattdessen die DRK-Sanitäterstation. Die war aber so überfüllt von teils ohnmächtigen Patienten, dass kein Platz zum Wickeln war. Nach einer Stunde hatte ich mich dann mit Kinderwagen durch die völlig überfüllten Hallen auf das neuere Südgelände vorgearbeitet. Dabei habe ich auch Kommentare wie "Es müsste mal einen Tag ohne Rentner und Kinderwagen hier geben, dann käme man besser durch!" gehört. Endlich sah ich dann das Baby-Symbol und ging in die Richtung. Allerdings führte das Schild direkt in die Damentoilette, und an der Herrentoilette war kein entsprechender Hinweis zu finden. Das Südgelände wurde in den 90er-Jahren gebaut, offensichtlich gab es damals noch keine Väter, die ihre Kinder gewickelt haben. Was nun? Nachdem ich schon im Vorraum der Damentoilette mit Kinderwagen stand, eine riesige Warteschlange und fragende Gesichter bei den Frauen sah, wollte ich eigentlich gleich wieder umdrehen. Ich hatte die amerikanischen Filme im Kopf, wo die Frauen hysterisch laut kreischen, wenn sie einen Mann auf der Toilette sehen. Dann hat mich aber eine freundliche Toilettenfrau, die wie eine Verkehrspolizistin die Koordination und Einweisung der Warteschlange durchführte, zu sich herangewunken, mich an der Schlange vorbei zu den Toilettenräumen gelotst, und tatsächlich, hinter der ersten Ecke rechts gab es versteckt einen Raum. Der hatte zwar nur einen blanken Tisch, immerhin einen Papierspender und einen offenen, stinkenden Windeleimer (Waschbecken? Wickelunterlage?), aber er erfüllte seinen Zweck. Beim Rausgehen war die Verkehrspolizistin verschwunden und ich musste mir selber meinen Weg gegen den Strom der entgegen drängenden Frauen suchen, aber das war nichts im Vergleich zum Gedränge oben in den Hallen...
Die Grünen interpretieren den Namen "Grüne Woche" auf ihre Art, hier Frau Claudia Roth. Das Wickelraum-Thema hätte sie vielleicht auch interessiert? Habe ich aber erst danach erlebt.