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Donnerstag, 8. August 2024

Die Tesla-Verfolgungsfahrt

Seit drei Wochen haben wir einen Tesla aus Grünheide, Brandenburg. Es gab mehrere Gründe, die für den Tesla sprachen:

  1. Ich stoße im Tesla Model Y (und nur in dem, in allen anderen schon) nicht mit dem Kopf an die Decke. Dieses für mich wichtige Kriterium erfüllen nur ganz wenige Autos,, u.a. der VW Touran, den wir vorher hatten.
  2. Tesla ist keine Betrügerfirma wie VW. Der Betrugsskandal hat mein Vertrauen in VW immer noch erschüttert. Was aber nicht heißt, dass Elon Musk nicht auch ein bisschen irre ist, aber meiner Meinung nach trotzdem kein Betrüger.
  3. Das Auto wurde in Brandenburg produziert, keine Stunde von Teltow entfernt.
  4. Seit wir im letzten Jahr Solarzellen auf unserem Dach installiert haben, produzieren wir im Sommer Strom ohne Ende.
  5. Der letzte TÜV vom 13 Jahre alten VW hat uns über 2.500 € gekostet, soviel Reparaturen waren notwendig.
  6. Tesla verdirbt sich im Moment massiv die eigenen Preise. Die gesenkten Preise und die zusätzliche Tesla-Umweltprämie von 6.000 € machen das SUV-Model-Y jetzt sogar etwas günstiger wie das eigentliche Einstiegs-Model-3 und ca. 5.000 € günstiger wie das vergleichbare (aber meiner Meinung nach viel häßlichere) Modell Ioniq 5 von Hyundai. Unter anderen sind Hertz und Sixt nun sauer, denn mit der Preisschlacht sinken auch die Wiederverkaufswerte von Tesla-Mietwagen massiv, purer Verlust für die Mietwagenfirmen.

Unser kirschroter Tesla aus Grünheide

Nach dieser langen Einleitung möchte ich Euch von der Rückfahrt von einem Ausflug gestern berichten. Ich habe gerade noch Urlaub, den wir zuhause in Brandenburg verbringen, und gestern haben wir uns mal den Müggelsee und Friedrichshagen in Berlin angeschaut. Zurück nach Teltow geht es über die Nuthe-Schnellstraße südlich von Berlin. Dort kann man streckenweise 120 fahren und so habe ich gerade ein paar Autos auf der Überholspur überholt, als hinter mir ein Auto ziemlich dicht auffährt. Wahrscheinlich bin ich ihm trotz Tesla zu langsam, dachte ich mir und fahre bald wieder nach rechts rüber, um ihn vorbei zu lassen. Allerdings wurde die Geschwindigkeit auch schon auf 70 reduziert und der Abzweig Teltow kommt gleich. Der Wagen überholt nicht und ordnet sich ebenfalls hinter mir ein. Na gut. Ich biege also ab nach Teltow, er weiter hinter mir. Nach Teltow-Seehof geht es dann rechts weiter über Sigridshorst, eine ewig lange Tempo-30-Straße, die sich nur Seehofer antun, weil es halt etwas kürzer ist. Ich biege ab, das Auto bleibt hinter mir. Ich überlege, ob ich irgendwo auf der Strecke den Fahrer provoziert haben könnte, vielleicht habe ich ihm zu lange die Überholspur gesperrt und er will das jetzt mit mir klären, in dem er uns verfolgt. Der Fahrer hat kurze Haare und Dreitagebart, schaut schon ein bisschen grimmig. Durch ganz Seehof bleibt er hinter uns. Wir biegen in unsere Straße ab, jetzt müssten wir ihn loswerden, hier biegt außer uns sonst keiner ab. Er biegt auch ab. Langsam kriege ich ein bisschen Panik. Was will er von uns? Kurze Zeit später sind wir am Ziel, er wartet hinter uns, während wir in die Einfahrt abbiegen, dann fährt er weiter. Silvia schaut sich noch das Kennzeichen an, merkt sich die Buchstaben DLU.

Abends google ich DLU. Das ist kein deutsches Kennzeichen, sondern ein polnisches, Lubin, eine Stadt von Berlin aus gesehen kurz vor Breslau. Die Panik kommt wieder hoch. Warum verfolgt mich ein Pole bis zu meiner Haustür? Ist das eine Einbruchsbande, die denkt, Tesla-Fahrer haben bestimmt auch gute Einbruchsware zu Hause? Wird mein Tesla noch diese Nacht in den Ostblock verschoben? Am nächsten Morgen erzählen wir Melly von dem Ereignis, sie war am Vortag nicht mit dabei. Oh Gott, sagt sie, wie konntet ihr nach Hause fahren, wenn ihr verfolgt werdet, da wissen sie doch gleich, wo wir wohnen? Hättet ihr sie nicht in einem der Teltower Kreisverkehre abhängen können? Einfach mal eine Runde mehr fahren und schauen, ob er immer noch hinter euch ist? Oder eine wilde Rallye durch Teltow anfangen? Ja, sage ich, hinterher ist man immer schlauer, man hätte auch direkt zur Polizei auf den Parkplatz fahren können und mal sehen, ob er dann noch neben einem steht. Aber haben wir halt nicht gemacht. Und nun?

Es hilft nichts, wir müssen zur Polizei, sage ich. Vielleicht kennen die diese Masche schon und wissen genau, was nun zu tun ist. Ich hab ja noch Urlaub und eh nichts zu tun, ich fahr dann mal los, bis später! Auf dem Weg zur Polizei fahre ich die restlichen beiden Straßen lang, in denen noch jemand nach Hause hätte fahren können und meinen Weg von gestern genommen hätte. Plötzlich sehe ich rechts einen Lieferwagen mit polnischem Kennzeichen DLU vor einem Haus parken. Ich muss über mich selber lachen, drehe um und fahre wieder nach Hause.

Mittwoch, 26. Juli 2023

Ecuador, Land der Extreme

Nach vier Jahren Lockdown-Pause sind wir zum ersten Mal wieder zusammen in Ecuador. Was soll man schreiben, wenn man zum achten Mal hier ist und schon so viel geschrieben hat? Diesmal will ich einige Extreme beschreiben, die dieses viertkleinste Land von Südamerika zu bieten hat.

Familie

2012 mit René (stehend) beim Maismahlen
Ecuador ist ja für mich immer ein Familienbesuch. Wir wohnen im herrlichen Dorf San Francisco auf ca. 1.300m Höhe bei Silvias Mutter und ihrer Schwester Irma zwischen den Anden und dem östlichen Urwald. Hoch genug, dass die Wolken sich in den Bergen verfangen, tief genug, dass diese Berge komplett mit tiefem Wald bedeckt sind. Doch zuerst hat ein trauriges Ereignis die ganze Familie zusammengebracht. Don René, Silvias Onkel ist kurz nach unserer Ankunft Montag früh mit 92 Jahren verstorben. Wie immer (leider habe ich schon einige Beerdigungen hier erlebt) geht dann alles sehr schnell: Aufbahrung mit geöffnetem aber mit Glas verschlossenem Sarg im Trauersaal (Velorio, Totenwache) den ganzen Montag über (wir trafen gegen 12:00 ein), Beerdigung am Dienstag. Seine in Spanien lebende Tochter Carly traf noch am Montag um 17:00 in Quito ein, rekordverdächtig. Der Trauerzug fuhr/lief mit dem Sarg bei strahlender Sonne durch die Stadt Puyo vom Trauersaal bis zum Friedhof, wo der Sarg überirdisch beerdigt wurde. Dabei ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass der ecuadorianische Totengräber ein Maurer ist. Schiebegräber habe ich ja schon einmal beschrieben, das sind überirdisch angeordnete schließfachähnliche Gräber. Der Sarg wird bei der Beerdigung von den Angehörigen in sein Fach geschoben, dann kommt der Totenmaurer und mauert das Fach zu, mit passend zugeschnittenen Steinen und Mörtel, am Schluss wird die ganze Oberfläche mit dem Mörtel verputzt und ein Angehöriger schreibt mit einem Stock den Namen des Toten in den Mörtel. Das Ganze dauert ca. 15 Minuten. Später wird dann ein Grabstein vor die verputzte Mauer gesetzt und in der Regel ein verschließbares Fenster vorgebaut, hinter das man etwas stellen kann. 
Anschließend kam die Familie bei Kusinchen Rosa zu Kaffee und Kuchen zusammen. Dabei wurde auch eine WhatsApp-Gruppe "Familia" mit inzwischen 35 Mitgliedern auf drei Kontinenten ins Leben gerufen. Irgendwann fiel uns auf, dass bei den meisten der Name Familia schon existierte, also wurde sie in "Familia Peluche" (etwa Familie Kuscheltier) umbenannt.
Familie Kuscheltier nach der Beerdigung bei Rosa
Die neue Gruppe haben wir genutzt, um Ausflüge zu organisieren, und so gab es weitere Familienbilder und Ausflüge mit bis zu 19 Personen:
Im Urwald bei Puyo

Forellenangeln in Rio Negro

Wasserfall in Rio Verde

Der höchste Berg der Welt? Der längste Fluss? Das größte Landschaftsgebiet? Dichteste Artenvielfalt?

Alexander von Humboldt bereiste um die Jahrhundertwende des 18./19. Jahrhunderts Südamerika und machte sich am 23.06.1802 auf, den Chimborazo zu besteigen, damals der höchste bekannte Berg der Welt mit 6.263m. Er schaffte es nicht bis zur Spitze, fehlende Ausrüstung, Schnee, Kälte und die Höhenkrankheit ließen ihn zwischen 5.600m und 5.900m die Besteigung abbrechen. Es war trotzdem die lange Zeit größte bergsteigerische Leistung eines Menschen. 50 Jahre später wurde der Mount Everest entdeckt, der heute mit 8.844m als höchster Berg der Welt gilt. Bei Höhenmessungen hat man sich irgendwann auf den Meeresspiegel als Bezugspunkt geeinigt. Würde man den Erdmittelpunkt verwenden, wäre der Chimborazo immer noch der höchste Berg der Welt, etwa 2km höher als der Mount Everest. Das liegt daran, dass durch die Erddrehung und damit die Fliehkraft das Meerwasser und der Meeresspiegel am Äquator nach außen geschleudert wird, während er an den Polen flacher ist. Der Chimborazo liegt wie ganz Ecuador (deshalb der Name) am Äquator, der Mount Everest liegt dagegen auf knapp 28° nördlicher Breite. 201 Jahre nach Humboldt sind wir mit dem Auto auf 4.350m Höhe zum Chimborazo gefahren. Höhenkrank waren wir nicht, aber bei unserem Taxi ließ sich in der Höhe der Rückwärtsgang nicht mehr einlegen. Später in den "normalen" Anden ging es dann wieder.
Kleinfamilienbild bei starkem Wind am Chimborazo
Am Fuße des Chimborazo liegt auf 2.750m die Stadt Riobamba am Fluss (Río) Chambo. Der Chambo fließt weiter in den Anden bis kurz vor Baños, wo er sich mit dem Río Patate vereinigt und ab dann zum Río Pastaza wird. Ab Baños fließt er östlich die Anden hinab, der Río Blanco (weiß) und der Río Verde (grün) mit seinem spektakulärem Wasserfall Pailón del Diablo fließen in den Pastaza, dann fließt er hinter Abuelitas (Omas) Haus in San Francisco vorbei, dann mündet der Río Negro (schwarz) in ihn. Es folgen der Río Puyo und weitere Zuflüsse, bis der Pastaza nach Peru fließt und dort in den Río Marañón fließt. Der Río Marañón verbindet sich in Peru mit dem Río Ucayali und heißt von dort an Río Amazonas, auch wenn er in Brasilien streckenweise Rio Solimões heißt. Der Amazonas streitet sich mit dem Nil um den Titel des längsten Flusses der Welt, unumstritten ist er der wasserreichste Fluss der Welt. Er ist mehr als fünfmal so lang wie der Rhein, führt aber (an der Mündung) die 70-fache Wassermenge. Das Amazonasbecken liegt in neun Staaten Südamerikas, ist 7 Mio. km² groß (was einem Zwanzigstel der gesamten Landfläche der Erde entspricht) und damit das größte zusammenhängende Landschaftsgebiet der Erde.
Wasserfall Pailón del Diablo am Río Verde
Das Amazonasbecken fängt also östlich der Anden an und zieht sich bis zum brasilianischen Atlantik hin. Der östliche Teil Ecuadors wird deshalb neben Oriente auch Amazonia oder Region Amazónica genannt. Der Yasuní Nationalpark in Amazonía ist einer der Biodiversität-Hotspots der Welt, die alle um den Äquator herum liegen. In diesem gleichmäßigen tropischen Klima entwickeln sich die Arten am besten, die Artenvielfalt pro Fläche ist am höchsten.
Das Amazonasbecken (Lizenz Creative Common, Kmusser 2008) inkl. Pastaza
 

Sonntag, 25. September 2022

Würfelfreuden 3: Einfache Zugfolgen ausdenken

Eine weitere Möglichkeit, Würfel zu lösen, ist einfache Zugfolgen auszuprobieren und zu schauen, was da passiert. Dazu muss der Würfel allerdings im besten Fall gelöst sein, dann sieht man die Veränderungen am besten. Sie laufen meist nach einem regelmäßigen Muster vor-vor-zurück-zurück ab, können mehrfach wiederholt werden und kommen meist irgendwann wieder in die Ausgangssituation zurück.

Beim Zauberwürfel gibt es z.B. den sogenannten "sexy move", der geht so:

Der sexy move: rechts oben, oben links, rechts runter, oben rechts

Wenn wir den 3x hintereinander anwenden, kommen wir auf dieses Ergebnis:

vertauscht 2 Ecksteine oben und 2 vorne

Das ist zwar recht mühsam, dafür ist die Zugfolge einfach zu merken. Und beim Pyraminx (Zauberpyramide) und Skewb kommt man mit dieser Kombination sehr schnell vorwärts!

Effizient beim Zauberwürfel ist folgende Kombination:

wobei die obere Ebene bei 2 und 4 jeweils um 180° gedreht wird.

Damit tauschen folgende 3 Kantensteine ihren Platz:


Zum Musterdrehen eignet sich die letzte der hier vorgestellten Folgen. Dabei kann man entweder hoch-hoch-runter-runter drehen oder immer hoch und dabei den Würfel jedesmal um 90° im Ganzen im Uhrzeigersinn drehen:


Heraus kommt ein Ringtausch der Mittelsteine:


Mit diesen drei Prinzipien habe ich bisher alle Puzzle gelöst bzw. nutze sie zum Musterdrehen. Man muss nicht viel behalten, nach ca. 35 Jahren Pause zwischen den Achtzigern und dem Lockdown konnte ich mich immer noch gut an sie erinnern...





Würfelfreuden 2: Die Parität

Wenn man sich das Gottes-Prinzip aus dem vorherigen Eintrag anschaut, fragt man sich vielleicht: Ok, mit diesem Prinzip kann man ja nur 3 oder mehr Steine gleichzeitig tauschen, da man den Zweiertausch ja immer zweimal anwenden muss. Gibt es nicht Situationen, wo am Ende nur zwei Steine übrig bleiben, die zu tauschen sind? Oder nur einer, der auszurichten ist? Was macht man dann?

Dieser Fall wird Parität oder oft auch englisch Parity genannt. Beim Standard-Zauberwürfel ist das kein Problem und wird intuitiv gelöst (ich erzähle gleich wie). Ab dem 4x4 Würfel und größer bereitet das einem aber Kopfzerbrechen, da man mit dem Gottes-Prinzip hier wirklich nicht mehr weiter kommt.

Bei der letzten Ebene des Zauberwürfels versucht man in der Regel, entweder zuerst die Ecken oder zuerst die Kanten an ihren richtigen Platz zu bringen. Dabei kann man auf folgende Anordnung treffen:

Zwei Ecksteine (bzw. Kantensteine) richtig, zwei nicht, was nun?

In diesem Fall dreht man die 3. Ebene meist intuitiv um 90° nach rechts oder links und probiert es dann. Und siehe da, jetzt kann man es durch einen 3er-Tausch lösen:
Dreht man die Ebene im Bild oben um 90° im Uhrzeigersinn, erhält man den unteren Kantenstein an der richtigen Stelle, die anderen drei müssen getauscht werden. Analog auch die Ecksteine.

Damit ist die Parität beim 3x3-Würfel ohne viel Nachdenken gelöst. Glücklicherweise tritt es für Kanten und Ecksteine gemeinsam auf, hat man es wie hier für die Kantensteine gelöst, tritt es auch nicht mehr bei den Ecksteinen auf. Der Fall, dass beim Ausrichten nur ein Stein übrig bleibt, tritt nicht auf.

Parität bei größeren Würfeln

Beim Lösen vom 4x4-Würfel stößt man dann irgendwann einmal auf folgende Situation:

Parität beim 4x4-Würfel

Das macht einen am Anfang wahnsinnig, da man vielleicht keine andere Lösung findet, als den Würfel wieder zu verdrehen und zu hoffen, dass die Parität beim nächsten Mal nicht mehr auftritt. Chance wahrscheinlich 50:50. Auch eine einfache Drehung der obersten Ebene um 90° oder 180° bringt hier anders als beim 3x3-Würfel keine Abhilfe. Was hilft, ist folgendes:

Drehung einer der beiden Mittelebenen um 90°

Danach muss man 4 Kantensteinpaare mit dem Gottes-Prinzip vertauschen und die verdrehten Mittelsteine wieder richten. Will man die Mittelsteine nicht ausrichten, kann man auch folgende Zugfolge ausführen:
  1. Drehen der Mittelebene wie im Bild oben
  2. Drehen der obersten Ebene um 180°
  3. Teil 1 und 2 insgesamt 4x ausführen
  4. Teil 1 ein 5. Mal ausführen
Dann sind insgesamt 5 Kantensteine am falschen Platz. Diese Kombination habe ich irgendwann einmal zufällig durch Ausprobieren gefunden, dazu mehr im nächsten Blog-Beitrag. Hiermit kann man die Parität bei allen großen Würfeln lösen.

Achso, wie vertauscht man Kantensteine, die wie jetzt über mehrere Würfel-Ebenen verteilt sind? Also z.B. das hier:

Die drei zu tauschenden Kanten liegen nicht alle in der obersten Ebene, und nun?

In dem Fall dreht man zuerst den gelben Kantenstein unten in die obere Ebene (Züge merken!), macht dann den Dreiertausch über zwei Paartausche und dreht dann rückwärts den nun grünen Kantenstein wieder zurück:

Drehen des unteren Kantensteins in die obere Ebene


Samstag, 24. September 2022

Würfelfreuden 1: Wie löst man beliebige Zauberwürfel?

Ich liebe Zauberwürfel, egal welche Größe und Form. Ich muss selten eine Lösungsmethode im Internet nachschauen, und als ich in den Achtziger Jahren angefangen hatte, gab es auch gar kein Internet im heutigen Sinne. Es gab Lösungen für den 3x3-Würfel (Spiegel vom 19.01.1981 oder Bücher), für die anderen Würfel war man damals im Prinzip auf sich selbst angewiesen. Der Zauberwürfel kam in Deutschland 1980 raus, meine Eltern schenkten ihn uns drei Brüdern zu Weihnachten. Ich war zwölf und konnte ihn nicht lösen, bis der Spiegel die Lösung heraus brachte. Später hatte ich eine Pyramide, Tonne, den 5x5-Würfel und einiges mehr. Heute habe ich zusammen mit meiner Tochter Melissa 24 Puzzle:

Familientreffen unserer Zauberwürfel, die Originale aus den Achtzigern in der Mitte

Ich bin nicht schnell, für den normalen Zauberwürfel benötige ich 2-3 Minuten, der Weltrekord liegt bei 3-4 Sekunden! Ich habe mich eher auf Muster spezialisiert und Freistil-Lösen von beliebigen Puzzlen. Im Lockdown habe ich das Hobby wieder reaktiviert. 

Wie löst man nun einen beliebigen Zauberwürfel? Ich gehe zweistufig vor: in der ersten Stufe löse ich intuitiv, so weit ich komme. Das war beim normalen Zauberwürfel früher die 1. (von den drei) Ebene sowie die zweite Ebene bis auf den letzten Randstein. Den letzten Randstein der 2. Ebene löse ich immer noch mit der Spiegelmethode von 1981, aber ich könnte hier auch schon aufhören und in die zweite Stufe eintreten. Dann bleibt noch die 3. und letzte Ebene übrig. Von hieran nutze ich ein universelles Prinzip, das ich Gottes-Prinzip nenne. Komischerweise habe ich dieses Prinzip im Internet kaum gefunden, deshalb kenne ich auch keinen offiziellen Namen dafür. Die einzige Darstellung habe ich hier entdeckt (sehr gute Erklärung auf englisch). Mir ist es in den Achtzigern irgendwann von alleine als Erleuchtung gekommen und von da an konnte ich z.B. den 5x5-Würfel selber lösen.

Das Gottes-Prinzip

Beim Gottesprinzip tauscht man 2 Randsteine oder 2 Ecksteine auf der 3. (letzten) Ebene, ohne den Rest der 3. Ebene zu verändern. Die Ebenen 1 und 2 werden dabei ganz schön verdreht, das ist aber egal. Man findet hier leicht intuitiv eine Zugfolge, denn man hat die 1. Ebene ja auch intuitiv gelöst. Zur Einfachheit dreht man den Würfel dazu auf den Kopf, so dass die gelösten beiden (1. und 2.) Ebenen unten sind, die ungelöste 3. oben. Was passiert nun, wenn man dieselbe Zugfolge genau rückwärts ausführen würde? Na klar: dann tauscht man die beiden Steine in der 3. Ebene wieder zurück und richtet automatisch die 1. und 2. Ebene wieder her.

So weit, so gut, aber was bringt uns das? Dann wären wir ja genau dort wieder, wo wir angefangen haben. Also kommt jetzt der Clou: bevor man die Zugfolge wieder rückwärts dreht, dreht man die obere 3. Ebene um 90° oder um 180°, danach führt man die Zugfolge rückwärts aus. Was passiert dabei? Unten wird die 1. und 2. Ebene wieder hergestellt, oben in der 3. Ebene tauschen aber zwei andere Steine als die beiden ursprünglichen. Zum Schluss dreht man die 90°- oder 180°-Drehung der obersten Ebene wieder zurück. Nun hat man den Würfel wieder wie vorher, außer dass man entweder in der 3. Ebene 4 Steine paarweise vertauscht (bei der 180°-Drehung) hat:


oder 3 Steine im Kreis (bei der 90°-Drehung):


Letztlich besteht die ganze Zugfolge aus 4 Teilen:

  1. Intuitive Zugfolge zum Vertauschen von 2 Steinen
  2. Drehen der obersten Ebene um 90° oder um 180°
  3. Zugfolge aus Teil 1 rückwärts
  4. Drehung aus Teil 2 rückwärts
Man kann das auf Kantensteine oder Ecksteine anwenden und damit die restliche Ebene lösen. Das Ausrichten von Steinen (Stein an der richtigen Stelle, aber verdreht) geht genauso: Man richtet erst den einen Stein intuitiv aus, dreht die oberste Ebene und richtet dann mit der gleichen Zugfolge rückwärts den 2. Stein aus.

Die Schwierigkeit reduziert sich damit darauf, sich die intuitive Zugfolge genau zu merken, damit man sie im 3. Schritt exakt rückwärts ausführen kann. Dafür versteht man bei jedem Zug genau, was man macht, die Züge ergeben einen Sinn (im Gegensatz zu auswendig gelernten Zügen aus Lösungsanleitungen) und man kann sie universal für alle Würfelgrößen und -formen anwenden.

Es gibt noch eine Besonderheit (die Parität) und eine weitere Herangehensweise für das Finden von einfachen Zugfolgen, über die ich in einem späteren Blogbeitrag schreiben will.

Wenn Ihr das Prinzip noch nicht gleich richtig verstanden habt, nicht schlimm. Lest Euch dann vielleicht die ausführliche englische Anleitung durch, die bestimmt verständlicher ist. Ansonsten gerne Fragen im Kommentar!